Wenn von indischen Frauen die Rede ist, denkt jeder an die in hohem Maß unterdrückten Inderinnen. In diesem Zusammenhang stehen oft die Tötung weiblicher Babys, Mitgiftmorde und Witwenverbrennungen zur Diskussion. Die „Minderwertigkeit“ der Frauen findet sich in der Politik, jedoch besonders auf zwischenmenschlicher Ebene wieder. Der prozentuale Anteil der Frauen im Bundesparlament und in den Länderparlamenten ist so gering, dass über eine 33-Prozent-Frauenquote heftigst debattiert wird. Innerhalb einer Ehe besitzt die Frau meist eine untergeordnete Rolle. Der sogenannte Verhaltenskodex „Manu“ ist ein gutes Beispiel für diesen Umstand. Dieser besagt, dass die Frau erst essen darf, wenn der Mann gegessen hat, dass die Frau nicht sitzen darf, wenn der Mann steht, dass sie nicht vor ihm schlafen darf, dass sie vor ihm aufstehen soll, dass sie sich nicht rächen soll, wenn er sie mit Verachtung straft und dass sie nicht die Geduld verlieren soll, wenn er sie misshandelt.
Die erwähnte „Minderwertigkeit“ der Frauen lässt sich auf die Mitgift zurückführen, die eine Gabe vom Vater der Ehegattin an die Verwandtschaft des Ehegatten oder an das Ehepaar selbst zur Hochzeit darstellt. Diese Mitgift übersteigt nicht selten die finanziellen Mittel der Familie. Daher gilt für eine indische Familie, möglichst viele Söhne und keine Töchter zu bekommen. Der reichste Maharadscha mit vielen Töchtern kann also der ärmste Mann der Welt sein. Somit lassen sich die Mitgiftmorde, Abtreibungen und Tötungen, aus der Sicht der sonst konservativen, Inder vertreten.
Schon im Kindesalter werden indische Frauen ihrer Stellung in der Gesellschaft bewusst. Meist wird ihnen keine oder nur eine dürftige Schulausbildung zu Teil, da sie mit Aushilfsjobs die Familie zu unterstützen haben. Daher empfinden die meisten von ihnen eine Art der „Erlösung“, wenn sie vermählt werden sollen.
Die indischen Witwen haben einen noch geringeren Stellenwert. Witwenverbrennungen sind in diesem Zusammenhang zwar schon lange verboten, doch das heißt nicht, dass sie heute nicht mehr praktiziert werden. Diese Frauen sterben lieber, als von der indischen Gesellschaft geduldet zu werden.
Diese traditionelle, veraltete und konservative Sicht der indischen Frau findet sich größtenteils unter den, auf dem Land lebenden, Indern wieder. Hierzu muss bemerkt werden, dass es sich dabei um 70-80% der indischen Bevölkerung handelt. Erfreulicherweise sind auch Entwicklungen abzuzeichnen, die diesem alten Rollenverständnis ganz und gar nicht entsprechen.
In der heutigen Gesellschaft finden sich, neben den zuvor beschriebenen Frauen, Ingenieurinnen, Wissenschaftlerinnen, Informatikerinnen, Ärztinnen u.ä. wieder. Kalpana Chawla ist für diese Entwicklung ein sehr gutes Beispiel. Sie ist die erste indische Astronautin.
Den 70. Platz bei den Olympischen Spielen in Sydney verdankt Indien der Gewichtheberin Karnam Malleswari, die als erste indische Frau eine Medaille (Bronze) für Indien erringen konnte. Mit Lara Dutta (Miss Universum) und Priyanka Chopra (Miss World) hat sich Indien mit Erfolg und Stolz der Welt präsentiert.
„Gleichberechtigung“ in der Familie und in der Ehe ist ebenfalls seit geraumer Zeit keine Seltenheit mehr. Die berufstätige Frau oder Ehefrau bewahrt sich durch ihre Arbeit Selbstständigkeit und Unabhängigkeit.
Abschließend kann man sagen, dass die Rolle der indischen Frau sich verändert und auch wiederum nicht verändert hat. Auch in diesem Punkt bleibt Indien ein Land der Extreme.