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„Hose auf Halbmast“ oder: Wo bleibt das oft gelobte asiatische Selbstbewusstsein?

(mmm) 11. September – ein Tag der das Verhältnis der USA zum Rest der Welt entscheidend veränderte. Von heute auf morgen war es wieder da, das aus dem Kalten Krieg alt bekannte Schwarzweiß-Denken: „Either you are with us, or you are with the terrorists.” (George Bush, 20. September 2001).

Der 11. September und die darauf folgende Außen- und Sicheheitspolitik der Vereinigten Staaten von Amerika veränderte nicht nur das Verhältnis der USA zu der restlichen Welt, sondern ebenso vice versa das Verhältnis der anderen Staaten zur mittlerweile einzigen Supermacht. Antwortend auf die im Afghanistan Feldzug zwar noch multilaterale, im Irakkrieg jedoch offensichtlich unilaterale und fast schon sture Handlungsweise der Amerikaner wandelten sich nun nicht nur die Haltung vieler Staaten, sondern mit dieser ebenso die innere Einstellung der Menschen innerhalb diesen Staaten. Nie zuvor war die deutsche Ablehnung der US amerikanischen Politik durch sämtliche Partei- und Altersgrenzen hinweg so deutlich wie im Vorfeld des Irakkriegs, der – wie wir in den täglichen Nachrichten zu hören und sehen bekommen – alles andere als ein voller Erfolg war.
Auch innerhalb der – ohnehin stets sehr US kritischen – indischen Gemeinde in Deutschland wuchs seitdem der Ärger. Doch ist es nicht nur die offizielle Politik, die die Gemüter erhitzt: der offene Export des„American Way of Life“, die schier unaufhaltsame Expansion der US-Konzerne in jeden noch so entfernten Winkel der Welt und die gesamte „Amerikanisierung“ der Gesellschaften wird immer häufiger lautstark und offen angeprangert. Auch hier bei theinder.net. Foren, Gästebücher und der Chat sind schon des öfteren Ort für US-kritische Töne gewesen und sollen es auch weiterhin bleiben, um eine möglichst umfassende und kritisch-konstruktive Diskussion mit möglichst vielen verschiedenen Sichtweisen und Haltungen zu ermöglichen.
Wunderlich – so zumindest für mein Verständnis – ist die Tatsache, dass der „American Way of Life“ und das ihm zu Grunde liegende System zwar einerseits immer wieder kritisiert und abgewertet, andererseits aber just dieser Lebensstil beispielsweise in Kleidung und Sprache kopiert, und teilweise gar imitiert wird. Beispiel Kleidung: wie kommt es, dass ungefähr ein Drittel aller Partygäste indischer Partys sogar im Hochsommer dicke Daunenjacken trägt und die Hosen auf wundersame Weise von den Oberschenkeln nicht auf die Erde rutschen, obwohl der Schritt schon an den Knöcheln hängt. Wieviel dieser Ich-wäre-wohl-lieber-in –Compton-geboren-und-aufgewachsen-aber-an-sich-bin-ich-doch-ganz-froh-dass-ich- -hier-in-Rödelheim-wohne Jungs kennen überhaupt den wahren Hintergrund dieses „Hose auf Halbmast“ Stils ? Beispiel Sprache (und das betrifft nicht nur den eben genannten Menschenschlag): Innerhalb der theinder.net Foren gibt es unzählige Beiträge, in denen es von englischen Wörtern nur so wimmelt. Verständlich ist die Verwendung englischer Worte, bei Nutzern die der deutschen Sprache nicht besonders mächtig sind, doch selbst bei Muttersprachlern (was wohl auf die meisten der hier teilnehmenden Nutzern zutrifft) sind Begriffe wie „Topchicks“, „Ladies“, „Boyz“ (wieso eigentlich mit „Z“?? – Gruß an die „HOMIIEEEZ“) „take care“ „damn“ und viele andere fast schon an der Tagesordnung. Stilistische Kapitalverbrechen sind die sogenannten „Integrativsätze“ in denen Deutsch und Englisch vollkommen selbstverständlich gemischt wird, wie z. B.: „Ich war gestern mal wieder seit langem at home.“ Wer mit tatsächlich plausibel erklären kann, dass die Verwendung des Englischen im eben genannten Satz einen höheren Bedeutungsgrad hat als das Deutsche, schlage ich höchstpersönlich für den Nobelpreis der Sprachtheoretiker vor.
Es ist die endgültige Konsequenz, die ich vermisse, und die jede auch noch so ernst gemeinte Kritik am sog. „American Way of Life“ lächerlich erscheinen lässt. Es wird so oft von indischem Selbstbewusstsein und dem Hochhalten südasiatischer Werte und Normen gesprochen. Wo ist dieses Selbstbewusstsein, wenn es darum geht ein Zeichen zu setzen und die Weltanschauung im Ganzen zu verurteilen ? Eine partielle Integration des angeprangerten Lebensstils in das eigene, tägliche Leben liest sich wie eine Legitimation und einen Freibrief für die weitere Ausbreitung des selbigen. Wir sind froh über unsere indisch-asiatischen Wurzeln, also sollten wir uns nicht durch die schleichende Amerikanisierung der Gesellschaft vereinnahmen lassen oder diese Entwicklung in irgend einer Form begünstigen. Wir sind es, die Zeichen setzten können (wenn wir wirklich wollen) also warum sollten wir nicht heute damit beginnen ?
Kein „take care“ oder „byebye“ sondern ein indisches „tata“,
Euer MMM
P.S.: Auch die längste Reise beginnt mit einem ersten Schritt.
Foto: (c) Ich / pixelio.de
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