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Ungewohnte Comic-Helden

Von Selina Nayyar. Die Götter Indiens bzw. des Hinduismus sind zur beliebten Zielscheibe der Werbung für alle möglichen Produkte geworden. Zumindest bei uns im Westen.

Der Kommerz mit den Göttern scheint ein lukratives Geschäft zu sein, nicht umsonst sprießen die hinduistischen Heiligen bei uns nur so aus der Medienlandschaft. Mit der Vielfalt der bunten Gottheiten die für jedes Werbeplakat gut sind, scheint auch Indien selbst immer mehr ins Rampenlicht zu rücken. Diesmal erlebt die Welt allerdings kein Revival der 70er Flower-Power Bewegung bei der Indien noch als spirituelle Hochburg galt, sondern wendet sich dem eher weltlichen Vergnügen hin. So muss der Kitsch Bollywoods herhalten für allerlei neuer Trends. Es gibt jede Menge Taschen, T-Shirts und Posters mit indischen Filmstars in Glitter und Glamour und obwohl sie hier niemand zu kennen scheint, sind indische Motive zur Zeit ziemlich „in“. Auch die Musikbranche passt sich dem Trend an und verarbeitet indische Klänge. So werden in Hip Hop Liedern wie z. B. in Missy Elliots Song „Freak“ Tabla Sounds mit reingemischt und die Gruppe Basement Jaxx lässt in dem Video zu „Romeo“ indische Schauspielerinnen in bunten Saris in einem Palast wie aus Tausendundeiner Nacht tanzen. Indien scheint zu faszinieren, doch nicht nur das farbenfrohe Bollywood bietet jede Menge Stoff, auch vor den Hindu-Göttern wird nicht halt gemacht. So flatterte mir erst kürzlich ein Prospekt eines örtlichen Sportgeschäftes ins Haus, auf dessen Cover Ganesha mit einem Skateboard unterm Arm abgebildet war.
In Indien dagegen bemüht sich vor allem ein Mann der eigenen jungen Generation den Hinduismus näher zu bringen. Mit dem Wandel zum modernen Indien befürchten viele einen Wandel der Tradition und des Glaubens. Der ehemalige Ingenieur Anant Pai, gab seinen Job auf um sich intensiv darum zu kümmern, das Wissen um den Glauben an andere weiterzugeben. Er begann Comics zu zeichnen , die die hinduistische Religion thematisieren. Über 3 Jahrzehnte lang werden seine Comics nun schon veröffentlich und lösen nicht nur bei indischen Kindern und Jugendlichen Begeisterung aus, sondern wurden bereits in 38 Sprachen übersetzt. Von Anant Pais Comic-Heften, mit dem Titel „Amar Chitra Katha“ gibt es inzwischen mehr als 500 Bände. Der Autor versucht die Inhalte der Mahabharata, Ramayana und Puranas, in möglichst einfacher und verständlicher Form umzusetzen.
Die Mahabharata wird in der „Amar Chitra Katha“ Serie in 14 Comic-Bänden verlegt. Erzählt wird von Kämpfen einer Dynastie zwischen den Kaurava- und den Pandavabrüdern. Gott Vishnu, hier in einer Inkarnation als Krishna steht den Pandavabrüdern als Wagenlenker bei.
Das Ramayana handelt von den Taten des Ramas, auch er als eine Inkarnation Vishnus, der auf die Erde kommt um das Universalgesetz (Dharma) wiederherzustellen. Beide Epen entstanden zwischen 300 vor und 300 nach Christus. Auch die Puranas dienen Pais Comics als Quelle. Diese Schriften entstanden zwischen 400 und 1600 nach Christus. In ihnen wird die Kindheit Krishnas beschrieben. Auch Mythen, Loblieder und Rituale sind enthalten. Große philosophische Fragen, wie Schöpfung und Genealogie der Götter werden zum Thema.
Die Grundlage des Hinduismus jedoch bilden die 4 Veden. Diese in Sanskrit verfassten Texte entstanden schon zwischen 1300 und 900 vor Chr. Es handelt sich um Sammlungen von Hymnen, Opersprüchen und Liedern. Zusammen mit den Brahmanas, welche Priesterrituale beschreiben und den Meditationen der Upanishaden, bilden sie den Offenbarungskanon des Hinduismus.
Im Hinduismus erscheinen insgesamt mehr als 33000 Gottheiten. Doch viele von ihnen haben nur geringfügige Bedeutung und spielen auch in den Comics kaum eine Rolle. Die 3 Hauptkräfte stellen Brahma, Vishnu und Shiva dar. Alle anderen Götter haben nur untergeordnete Funktionen inne.
So ist Brahma (nicht zu verwechseln mit Brahman, der Überseele, dem absoluten Urprinzip der Welt) der hinduistische Schöpfergott. Shiva oder Vishnu beauftragen am Beginn einer neuen Weltepoche Brahma mit der Erschaffung des Universums. Brahma ist also nur Welterbauer, im Auftrag Gottes. Die Lebensdauer eines Brahma währt 311040 Mrd. Jahre und am Anfang eines neuen Weltenzyklus nimmt ein neuer Brahma die Schöpferfunktion ein. Brahma, der im Gegensatz zu Vishnu und Shiva kein Volksgott ist, sondern nur von wenigen verehrt wird, besitzt 5 Köpfe. Doch als Strafe für den Inzest mit seiner eigenen Tochter verlor Brahma sein 5. Haupt, das ihm von Shiva abgeschlagen wurde. Dort wo Shiva sich nach der Tat wusch, liegt heute Varanasi (Benares).
Shiva ist der Schöpfer und zugleich der Zerstörer der Welt. Er bringt alles Leben hervor und nimmt es am Ende einer Weltperiode wieder in sich auf. Die Zerstörung ist aber Voraussetzung für neues Werden. Dieses Spiel (Lila) wiederholt sich ewig und alle Lebewesen unterliegen so lang dem Kreislauf von Werden und Vergehen, bis sie ihre Identität mit Gott erkannt haben und dadurch in ihm aufgehen.
Eine weitere Figur in den Hindu- Comics ist Vishnu bzw.seine vielen Inkarnationen. Er nimmt die Funktion des Erhalters von Himmel und Erde ein. Vishnu ist unter ca. 1000 verschiedenen Namen bekannt und kam der Menschheit in mehr als 22 Inkarnationen zur Hilfe. Am beliebtesten ist er in der Erscheinung von Rama und Krishna. Er gilt als Spross der kosmischen Ordnung und erscheint zunächst als Zwerg, der zum Riesen wächst und mit 3 Schritten (Symbol für Aufgang, Höhepunkt und Untergang der Sonne) das Weltall durchschreitet.
Obwohl es für viele Europäer einmal mehr nach bloßem Kitsch aussieht, wenn blaugetönte Götter ihre Weisheiten in Sprechblasen verkünden, bereichern Anant Pais Hindu- Comics das Wissen und das Bewusstsein der Jugend für ihre Religion und Tradition.
Indien als facettenreiches Land beweist wieder einmal dass es sich dem modernen Zeitalter meisterhaft anpassen kann, ohne etwas von seiner Kultur, seiner Mystik und seinem Glauben zu verlieren.
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