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„Das Gleichgewicht der Welt“ von Rohinton Mistry

(von Selina Nayyar) „Dina Dalal gestattete sich selten, mit Bedauern oder Verbitterung auf ihr Leben zurückzublicken oder sich zu fragen, wieso es gerade diesen Verlauf genommen und sie um die strahlende Zukunft betrogen hatte..“

„Das Gleichgewicht der Welt“ eines der bewegendsten Bücher über Indien, geschrieben von einem Auslands-Inder der die Eindrücke, die er in Bombay während der Regierungszeit Indira Gandhis sammelte, in einem beeindruckenden Roman verarbeitet.

Rohinton Mistry wurde 1952 in Bombay geboren. 1975 wanderte er nach Kanada aus wo er in einer Bank in Toronto beschäftigt war. 1983 begann er sich der Schriftstellerei zu widmen. Für „Das Gleichgewicht der Welt“ (Originaltitel: „A fine balance“) das 1995 erschien gewann Mistry den kanadischen Staatspreis den Giller Preis.
Rohinton Mistry beginnt seine Geschichte im Jahre 1975 und führt sie mit nur vier Hauptcharakteren über 860 Seiten bis ins Jahr 1984 fort. Das Buch schildert die Geschichte von vier Menschen die sich in Bombay durchs Leben schlagen und deren Schicksale miteinander verknüpft werden. Dina Dalal ist die Heldin des Buches, sie wehrt sich gegen die festgefahrenen indischen Traditionen. Dina lehnt arrangierte Ehen grundsätzlich ab und sucht sich ihren Lebenspartner selber aus. Das Liebesglück dauert allerdings nicht lange denn nach nur drei Ehejahren verliert sie ihren Mann durch einen Verkehrsunfall. Sie weigert sich erneut zu heiraten, und lebt von nun an als Witwe alleine in ihrem Appartement. Da sie auch finanziell unabhängig bleiben und nicht auf die Unterstützung ihres tyrannischen Bruders angewiesen sein will, macht sie sich selbständig und versucht sich durch Schneidertätigkeiten über Wasser zu halten.
Um sich noch etwas dazu zu verdienen vermietet sie ein freies Zimmer an den jungen Studenten Maneck Kolah. Er stammt aus einem kleinen Ort in der Himalaya-Region und wurde von seinen Eltern zum Studium in Bombay gedrängt. Nachdem er schlechte Erfahrungen im Studentenheim gemacht hatte, zieht er zu Dina Dalal.
Die selbstbewusste Frau beschäftigt ausserdem zwei Schneider. Ishvar und sein Neffe Omprakash, stammen aus der Chamaar-Kaste von Gerbern und Lederverarbeitern. Die zwei verlassen ihr Dorf nachdem ihre Familie bei einem Massaker, das auf eine Auseinandersetzung unterschiedlicher Kasten folgte, getötet wurde. Sie fliehen und erlernen entgegen der Tradition ihrer Kaste das Schneiderhandwerk. Um sich nicht als Bettler ihr Geld verdienen zu müssen nehmen sie die Stellung bei Dina Dalal an.
Rohinton Mistrys Roman ist ein politik- sowie gesellschaftskritisches Werk. Mistry beschreibt sowohl die chaotischen Zustände während der indischen Staatsgründung 1947 in historischen Rückblicken, als auch die extreme Situation ab dem Ausruf des Ausnahmezustandes 1975 durch Indira Gandhi bis zu ihrem Mord 1984 in Delhi. Er erstellt nicht nur einen zeitgeschichtlichen Verlauf Indiens sondern geht auch kritisch auf die politischen und gesellschaftlichen Zustände ein. Mit einer ausgesprochenen Nüchternheit schildert er die Alltagsrealität und zeigt soziale Missstände auf. Die radikale Politik Indira Gandhis und die damit verbundenen harten Maßnahmen wie z. B. Beseitigung der Slums im Rahmen eines Stadtverschönerung- Programms, die Zwangssterilisierung der unteren Schichten, aber auch Zensur der Medien sowie Propaganda der Regierung, nehmen hier direkten Einfluss auf das Leben von Dina, Maneck, Ishvar und Omprakash und verändern ihr Leben in tragischer Weise.
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