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Fr, 22. November, 2024
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Das Prinzip der Freundschaft: Eine philosophische Betrachtung

(mmm) Wieder einmal möchte ich einen Forumsbeitrag aufgreifen („Kommen und gehen Freundschaften so“, Curry Forum 11.05.2002) und etwas tiefer in die Thematik vordingen. Um die Frage was „echte“ bzw. „wahre“ Freundschaften sind zu beantworten, muss zunächst der Begriff der Freundschaft an sich definiert, und im Anschluss daran überprüft werden, ob die Kategorisierung in „echt“ und „unecht“ überhaupt passend ist.
Obwohl der Begriff bzw. das Prinzip der Freundschaft niemals in den Mittelpunkt der philosophischen Betrachtungen gerückt ist, so ist das Thema bereits seit mehreren tausend Jahren von einigen, durchaus weltberühmten, Philosophen beleuchtet worden.
Aristoteles (griech. Philosoph, 4. Jahrhundert vor Chr.) unterscheidet drei Arten von Freundschaften: die um des Nutzens, die um des Vergnügens und die um der Tugend Willen. Die Freundschaft, die sich dem Nutzen verschreibt ist der des Vergnügens ähnlich, da auch Vergnügen ein Nutzen des darauf bedachten Menschen ist. Beide Arten der Freundschaft halten jeweils nur so lange, wie beide Freunde einen Nutzen aus der Freundschaft ziehen können. Sobald auch nur einer keinen Gewinn mehr aus der Freundschaft erlangt ist ihr Ende besiegelt.
Viele werden meinen die seinigen/ihrigen Freundschaften seien anders, jedoch prüft ein jeder von uns seine zwischenmenschliche Beziehungen so werden wir feststellen müssen, dass uns an fast allen Freunden nur gelegen ist, solange uns ihre Freundschaft und Gegenwart Vergnügen bereitet. Selbstverständlich werden zwischenzeitliche Tiefs durchaus akzeptiert und sind daher auch noch kein Grund zur Kündigung der Freundschaft, das langfristige Ziel ist jedoch der Lust- bzw. Nutzengewinn jedes einzelnen. Beispiel gefällig ? Wie oft habe ich Bekannte klagen hören, dass ihre sogenannten „Freunde“ sie ständig als „Seelendoktor“ missbrauchen. Das immerwährende Therapeut spielen seien sie satt und sollte sich die Situation nicht bald ändern, käme man sich ausgenutzt vor und würde den Kontakt langsam bis zum Abbruch reduzieren. Sobald der Spaßfaktor auf längere Zeit abnimmt, wird dies bereits als „Krise“ in einer Freundschaft bezeichnet.
Freundschaft um der Tugend Willen jedoch basiert auf gegenseitiger Zuneigung, Vertrauen, wahre bzw. tiefe Kenntnis & Verständnis des Freundes, gemeinsamen Erleben/Erinnerungen, Interesse und allen voran Wertschätzung und gegenseitigem Wohlwollen. Wohlwollen ist „sich einander Gutes wünschen“, nicht um einer selbst Willen, sondern um der Person des Freundes Willen. Dem Freund wird mit Wohlwollen entgegen getreten, da man den Charakter, die Person, und das Gute in ihr schätzt und daher Gutes wünscht. Freundschaft um der Tugend willen, die Freundschaft der Trefflichen, entwickelt sich von Interesse, über Zuneigung, zu tiefem, engstem Vertrauen.
Freunde, so meinte ebenfalls bereits Immanuel Kant (Philosoph des 18. Jahrhunderts) sollen „gleiche Principia des Verstandes und der Moralität haben“, da aus diesen kongruenten Werten und Normen und dem damit verbundenen Erkennen des Guten und Liebenswerten im Anderen die einzig tiefe und erfüllende Freundschaft erwachsen kann. Sie füllt die Leere, die in den Tiefen des menschlichen Seins schlummert, und die wir aus eigener Kraft nicht auszufüllen vermögen
Auch Cicero (röm. Staatsmann und Philosoph im 1. Jahrhundert vor Chr.) ehrte die Freundschaft als höchstes Gut: „Wer die Freundschaft aus dem Leben streicht, der nimmt noch geradezu die Sonne aus der Welt ! Nichts Wertvolleres als sie haben wir von den unsterblichen Göttern empfangen, nichts Angenehmeres.“ Vielleicht mag es verwundern, dass hier nicht die Familie oder der Partner, sondern der Freund den höchsten Stellenwert im Leben des Menschen einnehmen soll. Da Familie, zumindest die Blutsverwandten wie Vater, Mutter, Onkel, Tante etc. nicht frei wählbar sind, sondern einem seit Geburt gegeben ist, ist dies kein Garant für Trefflichkeit oder Tugendhaftigkeit. Jeder unserer Familienmitglieder kann „trotzdem ein grober Klotz sein, ein Trottel, oder ein Bösewicht.“ (Michel de Montaigne, Philosoph des 16. Jahrhunderts). Der Lebenspartner wird ebenfalls nicht – bzw. zumindest nicht allein – aufgrund der charakterlichen Qualitäten gewählt, sondern spielen hier sinnliche, erotische und gefühlsmäßige Gründe eine sehr starke, und verklärende Rolle. Georg Simmel, seines Zeichens bekannter Soziologe um die Jahrhundertwende vom 19. ins 20. Jahrhundert, befand, dass sich die tugendhaftige Freundschaft, dessen Ziel es ist den gesamten Menschen in seiner Vollkommenheit zu erfassen in einer erotisch-partnerschaftlichen Beziehung nicht möglich ist: „Dieses Eintreten des ganzen, ungeteilten Ich in das Verhältnis mag in der Freundschaft deshalb plausibler sein als in der Liebe, weil ihr die einseitige Zuspitzung auf ein Element fehlt, die die Liebe durch ihre Sinnlichkeit erfährt.“
Betrachte ich meine eigenen Freundschaften unter diesen Aspekten, so kann ich sagen, dass fast alle meiner sogenannten „Freundschaften“, solche um des Nutzens und des Vergnügens Willens sind. Verwerflich ist dies nicht, denn schließlich kann man nicht mit allen Menschen eine tugendhafte Freundschaft führen, sondern muss selektieren. Wichtig ist es nur, sich klar zu werden welche Arten von Freundschaften man hat und welche man weiterhin pflegen sollte. Solange man zur Erkenntnis gelangt, dass eine Freundschaft um des Nutzens Willen gepflegt wird, ist ein Verlust dieser Freundschaft zwar nicht schön, aber zumindest einfacher zu verkraften.
Eine Erkenntnis, die jedoch heute noch genauso gilt wie vor 2400 Jahren, hatte bereits Aristoteles:
„Der Mensch, der glücklich sein soll, braucht wertvolle Freunde.“
Foto: (c) Daniel Stricker / pixelio.de

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