Wer sind deine Vorbilder?
Im Grunde genommen sind wir doch alle Produkte des Angleichungssystems der Industrie. Wenn du beispielsweise Löcher in deine Jeans schneidest, um etwas Individuelles zu verkörpern, wirst du dieselbe Hose einige Monate später bei H&M sehen. So ist das auch mit dem politischen Rap. Der Polit-Rap ist zur Mode geworden. Dennoch finde ich es als Farbiger eine positive Entwicklung, solche Themen in einer größeren Dimension diskutieren zu können. Respekt an all diejenigen, die trotz aller Kritik diese Entwicklung in Gang gesetzt haben.
Inwieweit wirken deine indischen Wurzeln auf dein musikalisches Schaffen ein?
Musik ist der Ausdruck meines Lebens, und ich reflektiere meine indische Kultur im Rap. Sie ist die Quelle meiner Schöpfung.
Holst du dir dabei Inspiration aus der britisch-asiatischen Untergrundszene?
Ich liebe den Asian Underground, da in dieser urbanen Kunstform der Geist meiner kulturellen Wurzeln liegt. Es gibt sicherlich den einen oder anderen musikalischen Moment im Asian Underground, welcher mich im Zusammenhang mit meiner Musik tief bewegt.
Könntest du dir vorstellen, von den gängigen Hiphop-Takten Abstand zu nehmen und – auf vielleicht experimenteller Basis – zu Dub Klängen oder Breakbeats zu MCen, wie etwa Asian Dub Foundation?
Ich habe bereits das eine oder andere Projekt mit Breakbeats unternommen. Es sind jedoch immer Ausflüge in andere Gefilde. Das Fundament für meine Lyrics bleibt der klassische Rapbeat.
Denkst du, es könnte sich eine Art deutsche Asian Underground Szene entwickeln? Was wäre das Deutsche daran? Wäre sie nur ein Abklatsch der britischen AU-Szene?
Ich habe vor sieben Jahren einen deutschsprachigen Rapstyle entworfen, mit der ich in ziemlich hoher Geschwindigkeit Worte auf Beats setze. Dieser Style ist auch hervorragend auf Drum ’n Bass Breakbeats zugeschnitten. Meiner Meinung nach ist eine deutsche Asian Underground-Szene nur mit diesem Style umsetzbar. Es wäre also etwas Neues.
Das Hiphop-Ding an sich ist eine Kunstform, die schon darin erfüllt wird, dass man fette Reime am Start hat, mit Wortwitz aufwartet oder ausgefuchste Disse bringt… Bei politischen Texten ist das oftmals schwierig zu erreichen. Inwieweit leidet da die Qualität des Raps?
Das kommt ganz auf die Fertigkeiten des Künstlers an. In der Kunst kommt es darauf an, auf welche Weise man etwas ausdrückt. Poesie ist die Auseinandersetzung mit Seelenzuständen, und je tiefer man einen Zusammenhang umschreiben kann, desto besser.
Warum rappst du auf deutsch?
Damit mich die Leute hier verstehen.
Viele deutsche Rapper sind ausländischer Herkunft. Tragen sie dadurch, dass sie sich der deutschen Sprache bedienen, zur Bildung eines ’neuen deutschen Bewusstseins‘ bei?
Auf jeden Fall. Sprache ist Bewusstsein und in der Reflexion entstanden. In den Worten ist der Geist einer Kultur beseelt. Wir umschreiben einen Sachverhalt, um es zu beschreiben. Wenn wir es beschrieben haben, fassen wir alles zu einem Wort zusammen und leben das Bewusstsein. So entsteht Kultur. Wenn sich nun Menschen mit ausländischem Kulturhintergrund der deutschen Sprache bedienen, Zusammenhänge auf der Basis ihrer Kultur umschreiben, entsteht sicherlich ein neues Bewusstsein.
Deine Eltern stammen aus dem indischen Bundesstaat Bengalen. Rappst du auch auf Bangla, oder hast du es vor?
Wenn ich auf Bangla rappen würde, wäre ich wohl auf die gleiche Stufe zu stellen wie „Tic Tac Toe“ (lacht). Ich habe im Zusammenarbeit mit einer Tante von mir einen bengalischen Text ausgearbeitet, mit dem ich sehr zufrieden bin. Klar, ich habe vor, auf Bangla zu rappen… und irgendwann vielleicht auf Hindi, das ich in einem kostenlosen Hindikurs in Duisburg erlerne.
Na klar. Und ich setze mich dafür ein!
Hiphop in der eigenen Sprache. Ist das auch ein Stück Widerstand gegen Globalisierung und angloamerikanischen Sprachimperialismus?
Sicherlich. Englisch ist in meinen Augen eine imperialistische Sprache, solange das Nord-Süd-Gefälle existiert.
An wen richtet sich deine Musik? Was ist ihr Inhalt, welche Themen behandelst du in deinen Texten?
Meine Musik richtet sich an die gesamte Menschheit. Ich möchte Frieden schaffen, provokativ dem System entgegenwirken und die südasiatische Community in Deutschland ansprechen. Meine Musik ist die Reflexion mit dem Universum, und meine indische Kultur ist die Basis dieser Philosophie, die ich im Rap zum Ausdruck bringe. Ich habe selbstverständlich auch Lyrics für die Ladies, vor denen ich großen Respekt habe. Wir kommen letztendlich alle aus dem Bauch einer Frau. Musikalisch lasse ich indische Filmmusik-Themen mit Rapbeats fusionieren.
Du trittst unter dem Label ‚Indertat‘ auf. In der Tat ein ausgefuchster Name. Erzähl kurz was zu der Sache…
Die Indertat bin ich. Der Name sagt aus, dass die Tat eines Inders in der Tat agiert. Das Leben ist ein Lernprozess durch Handlung, und auf diese Weise schreibt der Mensch Geschichte. Ich schreibe Geschichte mit Geschichten, wie das Leben schreibt, schreib ich und trage meinen Teil für die Menschheit bei.
Wo kann man dich demnächst zu hören bekommen?
Da ich Livemusiker bin, erstmal auf meinen Auftritten, die ja von euch bekanntgegeben werden (Anm. d. Red.: 29.6.02, „Latin goes India“, Wuppertal). Ansonsten könnt ihr euch von meiner Site aus Tracks downloaden. Jedoch sind es vorerst nur alte Tracks, die meinen vorherigen Stil repräsentieren. In meinen neuen Stil könnt Ihr in einigen Snippets reinhören (Anm. d. Red.: Links derzeit leider inaktiv).
Vielen Dank für dieses Gespräch!
War mir eine Freude! Peace and Love to da community and respect our women, the mothers of India!
Diptesh ist bereits auf drei CDs zu hören, die noch aus der Zeit datieren, zu der er in diversen Kombos aktiv war. Heute ist er freier Solokünstler und arbeitet mit Produzenten wie Nuborn und Stevie (MBC Crew) zusammen, die für ihn die Takte ausarbeiten. Darüber hinaus musiziert er mit Künstlern wie Ustad Zakir Hussains Tablaschüler Timir Baran Roy aka T-Roy und dem Sänger, Pianisten und Gitarristen Robin.