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Der Goldene Tempel: Heiligtum der Sikhs

Foto: (c) Oleg Yunakov
(von Selina Nayyar) Jeder von uns kennt sie, die großen bärtigen Männer mit den bunten Turbanen auf dem Kopf. Nicht zuletzt durch Werbungen wie „Kitkat Chunky“ gelten sie mittlerweile im Ausland als Vorzeige-Inder. Selina Nayyar bringt den Leser/innen in diesem Artikel die Sikhs und ihr Heiligtum, den Goldenen Tempel von Amritsar näher.

Die Sikhs machen in Indien nur etwa zwei Prozent der Bevölkerung aus. Mehr als die Hälfte von ihnen leben im nordwestlichen Bundesstaat Punjab. Hier stellen sie mit 52% die Bevölkerungsmehrheit dar. Amritsar ist mit seinem Goldenen Tempel („Hamandir Sahib“), dem Wahrzeichen der Sikh-Religion, das religiöse Zentrum für diese Glaubensgemeinschaft.
Der Sikhismus entwickelte sich aus einer ursprünglich hinduistischen Sekte heraus, die von Guru Nanak (1469-1538) begründet wurde. Diese neue Religion lehnte das strenge Kastensystem der Hindus ab und stand für Gleichheit und Frieden ein. Von der hinduistischen Philosophie übernahm Guru Nanak die Karmalehre und den Glauben an den Kreis der Wiedergeburt.

Gläubige müssen sich an strenge Regeln halten, die die Lebensweise eines Sikhs vorschreiben. So ist der Konsum von Alkohol strengstens untersagt sowie das Rauchen und das Schneiden der Kopf- und Barthaare.

Die Verfolgung der Sikhs durch die Muslime im 16./17. Jahrhundert änderte jedoch ihre pazifistische Einstellung und unter der Führung ihres letzten der zehn Gurus, Govind Singh, wurden die Sikhs zu einer rebellischen Union.

Foto: (c) Selina Nayyar
Der Beiname „Singh“ den alle Gläubigen besitzen, bedeutet so viel wie Löwe und verleiht ihrer Erscheinung und ihrem Zusammenhalt Stärke. Sikhs spielen heutzutage eine wichtige Rolle in Indien. Sie sind erfolgreiche Geschäftsmenschen und besetzen hohe Posten im öffentlichen Dienst und im Militär. Obwohl sie nur eine religiöse Minderheit darstellen, setzen sie sich erfolgreich durch und üben großen Einfluss in wichtigen Positionen aus.

Doch dieses Selbstbewusstsein und die Macht der Sikh-Gemeinschaft hat auch negative Erscheinungen. So kämpften Extremisten vor allem in den Achtziger Jahren für einen unabhängigen Staat „Khalistan“ („Land der Reinen“). Ihrer Meinung nach sollte die „Kornkammer“ Indiens unter Sikh-Führung einen eigenen Weg gehen. Den Höhepunkt dieses Kampfes bilden die Jahre 1984 und 1985, in denen es zu zahlreichen Anschlägen und blutigen Ausschreitungen kam. Als die damalige indische Premierministerin Indira Gandhi 1984 den Heiligen Tempel im Rahmen der „Operation Blue Star“ stürmen und den Sikh-Anführer Jarnail Singh Bhindrawale ermorden ließ, wurde Gandhi im Gegenzug von ihren Sikh-Leibwächtern erschossen. Auch 1986 und 1988 erfolgten militärische Operationen gegen Sikh-Extremisten im Tempel.
Zum Schutze und der Sicherheit der Bevölkerung vor Übergriffen wurde vom Staat bei Einbruch der Dunkelheit für einige Monate eine Ausgangssperre verhängt. Mittlerweile hat sich die Lage wieder entspannt und seit Anfang 1989 ist der Punjab auch wieder für Touristen zugelassen.

Die touristische Hauptattraktion im Punjab ist der Goldene Tempel in Amritsar, der jährlich viele tausend Besucher anzieht.

Amritsar wurde im 15. Jh. n. Chr. gegründet und hat derzeit offiziell etwa 1,1 Mio. Einwohner (Stand: 2011). Der Goldene Tempel befindet sich in der Altstadt, die mit ihren vielen engen Gassen und zahlreichen Basaren immer noch mittelalterliches Flair versprüht. Der Goldene Tempel, der in Indien „Hari Mandir“ genannt wird, wurde 1603 fertiggestellt. Guru Amar Das wollte anfangs nur einen Schrein zum Beten errichten, sein Nachfolger Guru Ram Das erweiterte die Gebetsstätte schließlich. Eine richtige Tempelanlage entstand. Erst mit diesem Bauwerk entwickelte sich die Siedlung drumherum zu einer richtigen Stadt, deren Namen sie dem Tempelteich „Amrit Sarovar“ verdankt (später zu „Amritsar“ geändert). Dieses Gewässer umgibt den Hari Mandir und steht den Gläubigen zu Waschungen zur Verfügung. Das Eingangstor der Anlage wird von einem Sikh mit Schwert bewacht, doch keine Angst, dies gehört nur zur Pflege der Tradition, denn jedem Besucher wird der Eintritt gewährt, egal welcher Religion er angehört. Allerdings müssen erst die Schuhe abgegeben, die Füße gewaschen und der Kopf abgedeckt werden. Auch erlauben die strengen Vorschriften keinen Alkohol- und Zigarettenkonsum im Tempelbereich, wobei das Rauchen sogar im Umkreis von 500 m verboten ist.

Foto: (c) Selina Nayyar
Der Goldene Tempel selbst ist über einen Steg zu erreichen und hat vier Eingangstüren, die den freien Zutritt für alle vier Hauptgruppen des hinduistischen Kastensystems symbolisieren. Seit 1604 wird an diesem Gebetsort das heilige Buch der Sikhs „Granth Sahib“ aufbewahrt. Das Buch wird allmorgendlich um 5 Uhr früh in einer Art Prozession von dem Parlament der Stadt zum Tempel und abends um 21 Uhr wieder zurück gebracht. Tagsüber sitzen neben dem Granth sogenannte „Ragis“, Sänger die immerfort aus dem Buch rezitieren. Über Lautsprecher sind ihre Gesänge auf dem ganzen Gelände zu hören.

Der Goldene Tempel trägt in seiner Bauweise muslimische und hinduistische Elemente in sich und stellt ein einzigartiges Zusammenspiel verschiedener Künste dar. Das wohl bemerkenswerteste Element ist das vergoldete Kupferdach, das erst im 19. Jh. durch Spenden zu seinem Strahlen und Prunk kam.

Auf dem Gelände befinden sich zudem mehrere Gebäude mit Speisesälen, in denen etwa 2000 Pilger pro Tag mit kostenlosem Essen versorgt werden. Aber nicht nur Gläubige können sich hier stärken, sondern auch Touristen werden freundlich willkommen geheißen.

Die Toleranz und die Gastfreundschaft der Sikh-Gemeinde in Amritsar ist bewundernswert. Besucher des Tempels berichten oftmals fasziniert von der friedlichen und harmonischen Atmosphäre, die den Goldenen Tempel umgibt.

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