(bc) Im Sommer 2002 veröffentlichte das Umweltprogramm der Vereinten Nationen einen Forschungsbericht, den man plakativ als „Braune Dunstwolke“ titulierte. Dieser Bericht besagte, dass über dem Indischen Ozean und Südasien seit Jahren eine Dunstglocke aus Schmutz, Ruß und Abgasen hinge. Kolkata, Delhi, Dhaka, Peking und andere Städte Asiens wiesen die weltweit höchste Luftverschmutzung auf. Ursache für diese „asiatische Schmutzglocke“ sei laut UN-Studie das Abbrennen von Waldgebieten, das Verbrennen landwirtschaftlicher Abfälle, Emissionen durch Autos, Industrie, E-Werke und Millionen von Haushalten.
Davon dass Umweltschutz besonders in Indien nicht gerade Heiligtum ist, kann jeder, der dieses Land besucht hat, ein Lied singen. Der UN-Bericht hätte eigentlich ein Bericht wie jeder andere sein können, gäbe es da nicht eine Wissenschaftlerin und einen Wissenschaftler aus Indien, die vehementen Protest einlegten. „Die braune Wolke Asiens – Fakt und Fantasie“. Da war er, der prompte Gegenbericht, der im September 2002 in der Zeitschrift „Current Science“ erschien. Spätestens hier war Schluss mit indischer Freundlichkeit.
Klingt alles ein wenig nach David gegen Goliath. Die Medienpräsenz beider Seiten ist damit jedoch gewiss. Ich interviewte eine der Autorinnen, Frau Prof. Sulochana Gadgil vom Centre for Athmosperic and Oceanic Sciences (CAOS) vom Indian Institute of Science (IISc), Bangalore.
Frau Prof. Gadgil, die UN veröffentlicht einen Bericht über Smog in Asien. Eigentlich nichts Außergewöhnliches. Warum Ihr und Prof. Srinivasans Protest?
Wir werden hier in gewisser Weise als Umweltfeinde dargestellt. Der UN-Bericht ist ein Wirrwar aus Beobachtungen und irgendwelchen Interpretationen sowie Aussagen, die schlichtweg Aufsehen erregen sollen. Die wissenschaftliche Basis bleibt dabei auf der Strecke. Diese Verbreitung von unserer Meinung nach falschen Thesen ist im heutigen Medienzeitalter natürlich recht einfach.
Womit beschäftigt sich demnach Ihr Gegenbericht?
Wir haben uns bei dem Begriff „Braune Dunstwolke“ mit folgenden Aspekten beschäftigt: handelt es sich dabei wirklich um eine Wolke? Ist sie tatsächlich braun – wenn ja, wieso? Ist dies ein speziell asiatisches Phänomen? Ferner beschreibt die UN lokale und globale Einflüsse. Hat die sogenannte Wolke also wirklich großen Einfluss auf Monsun und Landwirtschaft?
Der UN-Bericht basiert auf Studien des INDOEX-Programms (Indian Ocean Experiment), genauso wie der Begriff „Braune Dunstwolke“ von den Leitern dieses Projekts entstammt. Den Lesern die von Ihnen erbrachten gesamten wissenschaftlichen Forschungen zu präsentieren, wäre mühsam. Was sind aber Ihre zentralen Aussagen?
Nun gut, ich will es auf den Punkt bringen, Interessenten sind herzlich eingeladen, unseren Originaltext zu lesen. Zunächst mal handelt es sich hier um Dunst und nicht um eine große Wolke. Der Einfluss auf Regen und Landwirtschaft wird übertrieben dargestellt. Das Phänomen einer braunen Dunstglocke ist zudem wahrlich kein rein asiatisches Phänomen, sondern auch speziell eines, das Großstädte Nordamerikas und Europas betrifft! Fakt ist, dass die Schwefeldioxid-Emissionen in Indien ein Fünftel von dem in Nordamerika und Europa betragen! (Anm.: s. Grafik) Warum redet hier eigentlich keiner von der amerikanischen Schmutzdecke, die sich entlang des Atlantiks ausbreitet?
Die Dunstglocke tritt besonders von Januar bis März auf. Die INDOEX-Studien wurden genau in diesem Zeitraum getätigt – demnach darf man nicht auf das gesamte Jahr pauschalisieren.
Die Modellsimulation von Regenfall über Nordwest-Asien (inklusive Saudi-Arabien, Pakistan und Afghanistan) ist recht dürftig und in dieser Weise nicht glaubwürdig. Daneben behaupten wir, dass natürliche Aerosole einen größeren Einfluss auf den Monsun haben als vom Menschen verursachte.
Aber eine Luftverschmutzung in Indien ist doch wohl nicht von der Hand zu weisen.
Das wollen wir damit auch nicht behaupten. Natürlich ist die Luft in Indiens Großstädten nicht sauber. Das was uns stört, ist das übertrieben dargestellte Ausmaß. Klar müssen wir darum bemüht sein, schädliche Emissionen in unseren Städten zu reduzieren, um unsere Lebensqualität zu erhöhen. Doch ist Asien weiß Gott nicht Grund allen Übels. Für solche Thesen muss man schon gründlichere Forschung betreiben.
Sind Sie mit Ihrer Meinung Einzelgänger oder gibt es von indischer Seite auch Kooperation?
Das indische Umweltministerium bat uns, ihnen unseren Bericht vorzulegen, um ihn dann in den Weltgipfel in Johannesburg einzubringen.
Professorin Gadgil, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.