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Ramachandran: „Qualität statt Quantität“

(kjo, bc) Weltweit stagniert die Wirtschaft. Dieser Fakt ist allgemein bekannt und hat auch vor den Toren der weltgrößten IT-Messe CeBIT nicht halt gemacht. Während man jedoch in Deutschland, Europa und den USA klagt, kann sich die indische IT-Wirtschaft weiter über steigende Gewinne freuen. Im Zuge dessen führte theInder.net am Rande der CeBIT am 15.3.03 Interviews mit diversen indischen Firmen und Interessenvertretern, darunter S. V. Ramachandran (NASSCOM – National Association of Software & Service Companies) und Rajiv Nair (Nucleus Software Exports Ltd.).

Indiens Position hat Rajiv Nair zufolge besonders einen Grund: Die niedrigen Kosten. „Gegenüber ihren Kollegen in westlichen Ländern kosten indische Programmierer nicht einmal ein Drittel und bringen dabei gleiche bis bessere Qualität. Viele Firmen verlegten daher ihre Programmiertätigkeiten ins billigere Indien.“
Nair vertritt die Softwarevermarktungsfirma Nucleus, welche zum ersten Mal auf der Messe zu Gast ist und deren Ziel es ist, sich primär nach Wettbewerbern und Konkurrenten auf dem Programmiersektor umzusehen. Desweiteren sollen Kontakte zu potentiellen deutschen und europäischen Geschäftspartnern geknüpft werden.
Nair sagt: „Viele indische Firmen haben zu hohe Erwartungen an die CeBIT. Ihr Ruf als führende IT-Messe suggeriert den sofortigen Geschäftserfolg und den Austausch unzähliger erfolgversprechender Geschäftskontakte.“ Nucleus ist jedoch bisher zufrieden mit der Ausbeute und will auch im nächsten Jahr wieder mit einem Stand vertreten sein. Dann allerdings nach außen hin nicht mehr als indische, sondern als europäische Firma mit Zweigstelle in Indien. „So“, meint Nair, „kann man sich dem ‚Computerinder‘-Etikett entziehen, welches den indischen Firmen leicht aufpauschalisiert wird.“
Überhaupt ist der Hauptgrund für die Präsenz indischer IT-Firmen auf der CeBIT das simple Flaggezeigen. Laut S.V. Ramachandran, dem Regionaldirektor (Hyderabad) des indischen IT-Dachverbandes NASSCOM, müsse „hierzulande erstmal ein Bewusstsein über die Existenz und Beschaffenheit der indischen IT-Industrie erzeugt werden. Wir möchten den Menschen klarmachen, daß wir seriös sind. Deswegen sind wir bereits seit vielen Jahren stets auf der CeBIT präsent und werden selbstverständlich auch im nächsten Jahr wiederkommen.“
NASSCOM vertritt über 900 Mitgliedsunternehmen und ist damit einer der weltweit größten IT-Unternehmensverbände. „Das Ziel unserer Non-Profit-Organisation ist, für den indischen IT-Markt weltweit zu werben und Strategien für die Ausdehnung des indischen IT-Sektors zu entwickeln. Unser Verband steht seinen Mitgliedern zudem bei Steuerfragen und ähnlichen Problematiken beratend zur Seite“, so Ramachandran.
Die wirtschaftliche Rezession und die daraus resultierenden niedrigeren Besucherzahlen auf der IT-Messe wertet Ramachandran durchaus positiv. „Qualität statt Quantität lautet die Zauberformel.“ Denn die wenigen Besucher, die sich auf dem Stand der Inder umsehen, haben zumeist auch tatsächlich Interesse am Aufbau geschäftlicher Beziehungen. „Auch die sind seriös“, so der Regionaldirektor.
Ramachandrans Botschaft ist simpel: „Förderung der bilateralen Handelsbeziehungen zwischen Indien und Europa, das Schlagen von geschäftlichen Brücken und vor allem der Aufbau von Joint Ventures zwischen indischen und europäischen Unternehmen.“ Der eine solle vom Wissen und Entwicklungsstand des anderen profitieren.
Und der Expansionsgeist der indischen IT-Industrie ist durchaus ehrgeizig: Auf 50 Milliarden Euro soll der Ausfuhrumsatz der Branche bis zum Jahr 2008 steigen, womit er 36% des totalen indischen Exportvolumens ausfüllen würde.
Und schon eröffnen indische Informationstechnologieunternehmen Zweigstellen im Ausland, etwa in Osteuropa, Russland und China, welche noch billiger produzieren und programmieren als ihre indischen Mutterfirmen.
„Noch allerdings ist Indien zu sehr auf die Vereinigten Staaten als IT-Abnehmer fixiert“, sagt Ramachandran. Hier soll den indischen Vertretern nach die CeBIT helfen, den indischen Fokus stärker auf Europa zu richten.
Auch in Indien selbst sieht man einen wachsenden Markt für IT-Produkte. Besonders bei der Bildung der Massen sollen Rechner und IT in Zukunft stärkere Rollen übernehmen. Und das primär in den nationalen und regionalen Sprachen des Subkontinents.
Der Export von indischen Programmierdienstleistungen brummt, der von indischen Programmierern erwies sich hingegen als Flop.
„Das magische Wort heisst Outsourcing, also die Ausgliederung von Produktions- oder Dienstleistungen an Externe. Wir möchten ein solcher Partner sein und versuchen in Deutschland Firmen zu finden, die auf unsere Dienstleistungen zurückgreifen möchten“, erklärt uns N. S. Bhargava, Direktor der Firma Shell Transource.
Die fehlende Attraktivität der ‚Greencard‘ für indische IT-Spezialisten begründet Rajiv Nair damit, „dass die für einen Inder zu treffenden Entbehrungen zu groß sind. Die meisten sehen Deutschland lediglich als Sprungbrett ins Vereinigte Königreich oder in die USA. Deutschland selbst disqualifiziert sich durch kulturelle und sprachliche Barrieren.“
„IT-Spezialisten wollen nicht nach Deutschland. Es klingt einfach, aber deutsche Unternehmen müssen einfach mehr zahlen“, fügt Bhargava abschließend hinzu.
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