(bc) Jüngst wurde der erste deutsche Wissenschaftler indischer Abstammung mit dem renommierten K.R. Laumas Oration Award ausgezeichnet. Die Rede ist von Dr. Amal Mukhopadhyay, der sich in Hamburg mit der Altersforschung beschäftigt. Ich hatte die Gelegenheit, mit ihm persönlich über seine Auszeichnung, seine Forschung, Visionen und Ethik zu sprechen.
Herr Dr. Mukhopadhyay, Sie wurden vor kurzem durch das All India Institute of Medical Sciences, Neu Delhi mit dem K.R. Laumas Oration Award ausgezeichnet. Dazu möchte ich Ihnen herzlich gratulieren. Was ist das genau für eine Auszeichnung?
Vielen Dank! Dieser Preis wird in Erinnerung an Prof. K.R. Laumas, ein international bekannter Wissenschaftler und langjähriger Chef des Department of Reproductive Biology des All India Institute of Medical Sciences in Neu Delhi, vergeben. Dieses Department wurde vor 30 Jahren von Prof. Laumas mit einer großen Vision eingerichtet, als Familienplanung und Gemeinwohl der Familie von höchster Wichtigkeit für die Entwicklung Indiens waren. Laumas starb jung und doch hinterließ er bleibenden Spuren im Hinblick auf Indiens Streben nach Kontrolle des Bevölkerungszuwachses. Das All India Institute of Medical Sciences, das für seine innovative Forschung im Bereich der Medizin und im Gesundheitswesen recht bekannt ist, vergibt diese Auszeichnung jedes Jahr an einen Wissenschaftler indischer Abstammung.
Was war in Ihrem Falle der Grund für diese Auszeichnung?
Der Preis sollte einem Wissenschaftler, der einen bedeutenden Beitrag für die Forschung auf dem Feld der reproduktiven Biologie und Biomedizin geleistet hat, gelten. In meinem Fall war es die Arbeit der Endokrinologie des Alterns und grundsätzlich für meine Forschung auf den Gebieten der reproduktiven Endokrinologie und medizinischen Biotechnologie.
Damit sind Sie der erste indische Wissenschaftler aus Deutschland, der mit diesem Preis geehrt wird. Könnten dadurch für hiesige Wissenschaftler neue Türen geöffnet werden?
Ich bin mir sicher, dass es etliche andere Wissenschaftler gibt, die diese Ehrung mehr verdienen als ich. Aber Sie wissen ja, es gehört auch immer eine gehörige Portion Glück dazu.
Sie haben lange Jahre an der Universität Hamburg gelehrt und sind nun Geschäftsführer der Agelab Pharma GmbH in Hamburg. Beschreiben Sie uns doch kurz Ihren beruflichen Werdegang.
Sofort nachdem ich 1970 meinen Doktor in Biochemie an der Banaras Hindu University (BHU) in Varanasi gemacht hatte, wurde ich Dozent am Medizinischen Institut der BHU und verblieb dort bis 1982. Parallel dazu besuchte ich in den Jahren 1975-78 als Post-Doc die Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf. Das war im Zuge eines Programms des Deutschen Akademischen Austauschdienstes, wohl besser als DAAD bekannt. 1982 erhielt ich dann eine Einladung von Prof. Freimut Leidenberger aus Hamburg, ein sehr bekannter Gynäkologe, der darüber hinaus sehr viel für die Investition in die Biotechnologie in Norddeutschland getan hat. Übrigens sind viele seiner Unternehmen noch heute erfolgreich.
Ich nahm die Einladung an und errichtete gemeinsam mit ihm und anderen das Institut für Hormon- und Fortpflanzungsforschung an der Uni Hamburg und sah, wie es sich erfolgreich entwickelte. Zu meinen Tätigkeiten zählten Verwaltung, Lehre und Forschung. Beim letzteren beschäftigte ich mich hauptsächlich mit reproduktiven Altern und Grundlagenforschung auf molekularer Basis von Signaltransduktionsprozessen. In diesem Frühjahr habe ich die Grundlagenforschung sein lassen und mich der Firma AgeLab Pharma GmbH angeschlossen, die ich vor ein paar Jahren mitbegründet hatte.
Womit beschäftigt sich Ihr derzeitiges Forschungsgebiet?
Unser Hauptaugenmerk gilt derzeit altersbedingten Krankheiten. Die Weltbevölkerung altert – in einer noch nie dagewesenen Art und Weise. Dafür können wir uns wahrlich bei den Verbesserungen der modernen Medizin und Nahrungsmittelversorgung bedanken – die Lebensfähigkeit der Menschen hat sich deutlich erhöht. Diese Veränderung wird demographisch betrachtet einen großen Einfluss auf das Gesundheitswesen der Zukunft haben. Also forschen wir nach weiteren innovativen Diagnostika für altersbedingte Krankheiten, die uns schnelle Ergebnisse und Biotherapeutika liefern sollen, die die Lebensqualität für alte Menschen erhöhen.
Oftmals bringen die Menschen unsere Forschung mit der des ‚Anti-Aging‘ durcheinander. Ich stelle hiermit klar, dass wir nicht auf der Suche nach dem Elixier sind, das alte Menschen wieder jung macht, weil wir nicht glauben, dass dies möglich ist und außerdem nicht für seriös halten. Vielmehr arbeiten wir an Therapien, die die Lebensqualität alter Menschen verbessern sollen.
Sie sind auch Gastprofessor an der Universität Pune, stimmt das? Wie wird man zu solch einem Posten berufen? Durch Kontakte oder kontinuierliche wissenschaftliche Arbeit?
Ja, das stimmt. Ich besuche Indien jedes Jahr, meist, um an internationalen Konferenzen teilzunehmen und um an Universitäten Vorlesungen zu halten. Den Vortrag, den ich während der Preisverleihung hielt, wurde im indischen Fernsehen ‚Doordashan‘ übertragen. Das gibt mir die Chance, meine Forschungsarbeit an vielen indischen Universitäten bekannt zu machen.
Die Universität Pune ist meine Alma Mater – dort habe ich diplomiert. Als ich also das dortige Angebot für eine Gastprofessur erhielt, habe ich keine Sekunde gezögert. Der Geschäftsführer des Zoologischen Institutes, Prof. Deobagkar und der Vizekanzler der Uni, Prof. Kolaskar haben mich beeindruckt, weil sie visionäre Personen sind, die außerordentlich hart dafür arbeiten, dass diese Universität de facto zu den besten in ganz Asien zählt. Wer sich also für Bioinformatik interessiert, der sollte das ‚Department of Bioinformatics and Biotechnology‘ der Uni Pune aufsuchen.
Ich muss Ihnen übrigens noch eine interessante Idee des Zoologischen Institutes erzählen: sollte ein/e Universitätsdozent/in im Bereich Biologie einen Bioinformatik-Kurs in Pune machen wollen, so wird sie/er mit allem, was es braucht, ausgestattet.
Wie darf ich das verstehen?
Technische Ausstattung, Unterbringung in einem Gästehaus der Universität und natürlich Beratung.
Wo ist da der Haken?
Der Interessent sollte bereit sein, als Dozent am Zoologischen Institut zu arbeiten. (Lacht) Ein wissenschaftlicher ‚Tauschhandel‘. Es handelt sich hierbei um einen innovativen Versuch und ich hoffe, durch Ihre Webseite so gut wie möglich darauf aufmerksam zu machen.
Diejenigen, die Sie kennen, wissen, dass Sie sich sehr für den interkulturellen Austausch im Sinne der Wissenschaft zwischen Deutschland und Indien einsetzen. Was sind und waren diesbezüglich Ihre Projekte?
Da haben Sie recht. Mein sehnlichster Wunsch ist es, stabile Brücken zwischen der indischen und europäischen akademischen Welt zu bauen. Natürlich begrenzen sich meine Bemühungen auf mein Forschungsfeld, also Life Sciences und Biotechnologie. Das Kooperationspotential aber ist enorm. Zu diesem Zweck organisierte ich im Jahre 1999 gemeinsam mit meinem Kollegen Prof. Anand Kumar ein indisch-deutsches Seminar am All Indian Institute of Medical Sciences und war erneut Teil einer deutschen Delegation, die an einem indo-deutschen Biotech-Seminar am ‚Centre für DNA Fingerprinting and Diagnostics (CDFD)‘ in Hyderabad teilnahm. Organisiert wurde dies von dem Ihnen sicher bekannten Prof. Chhatwal von der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF), Braunschweig, unterstützt durch das deutsche Bildungs- und Forschungsministerium (BMBF).
Neben den ganzen Organisationen und Teilnahmen versuche ich auch Kontakte mit einer Vielzahl von indischen Universitäten zwecks Kooperationen aufrechtzuerhalten. Als einer der Gründungsmitglieder der Non-Governmental und Non-Profit Organisation ‚EuroIndia Centre of La Rochelle‘, Frankreich, versuche ich Indien und Europa im Bereich der Biotechnologie näher zusammenzubringen. Kooperationen der jeweiligen Regierungen miteinander – ohne Politik kommt nicht einmal die Wissenschaft aus – sind wichtig, der Kontakt von Mensch zu Mensch jedoch wichtiger. Der Vorstand des EuroIndia Centre mit Präsident Michel Sabatier, Vize Raymond Barr (ehemaliger französischer Premierminister) sowie Dr. Manmohan Singh (ehemaliger indischer Finanzminister) wollen alles daran setzen, um Inder und Europäer näher zusammenzurücken.
Sie sehen also, dass sowohl meine Vision als auch die des EuroIndia Centre perfekt zusammenpassen und ich mich glücklich schätze, diese Brücken zwischen Europa – speziell Deutschland – und Indien bauen zu können.
Die Stammzellforschung wird in Deutschland mehr kritisiert als gelobt. Wie ist das in Indien mit Ethik und Wissenschaft?
Ich glaube, dass Sie da ein ganz wichtiges Thema angesprochen haben. Ich persönlich finde, dass es einige Unterschiede in der wissenschaftlichen Ethik – und zwar in der Denkweise – zwischen Indern und Europäern gibt. Beispielsweise gibt es in Indien für die Nutzung von Stammzellen im Sinne der Forschung kaum Hemmfaktoren. In bezug auf Forschungstiere sind die Regulatorien in Indien dagegen sehr schwierig und benachteiligen die Biowissenschaften vielmehr. Verantwortliche Personen sollten sich überlegen, einige Gesetze dahingehend zu ändern, dass die Forschung in Indien nicht gehandicappt wird.
Natürlich soll es keine nutzlose Verschwendung von Tieren, wie etwa in Projekten mit wenig Innovation oder in der Kosmetikindustrie, geben, doch müssen gleichzeitig innovative Projekte früh gefördert werden. Wenn in Deutschland, mal als Beispiel, keine in vivo-Experimente mit Labortieren durchführt werden, sondern mit einzelnen Organen in vitro experimentiert wird, um Experimente auf Kulturplatten oder Testtuben durchzuführen, dann gibt es da keine Probleme eine Erlaubnis zu bekommen. In Indien ist das leider nicht der Fall.
Vielleicht kann Indien durch Ideenaustausch mit Deutschland, bessere und pragmatischere Gesetze entwickeln, die Labortiere schützen. An internationale Standards angepasste Gesetze sind heutzutage extrem wichtig, wenn europäische Biotech- und Pharmakonzerne daran denken, ihre Forschung in andere Länder auszubauen. Unter gleichen Wettbewerbsbedingungen kann Indien ein stückweit von diesem Geschäft profitieren. In bezug auf die Nutzung gentechnisch veränderter Nahrung, sind die deutsch-indischen ethischen Überlegungen ähnlich, wie man aus Debatten in beiden Ländern verfolgen kann. Im Vergleich zu diesen Nahrungsmitteln hat gentechnisch veränderte Baumwolle eine bessere Akzeptanz bei indischen Bauern gefunden.
Bessere Ernten und Resistenz gegen Parasiten?
Genau. Es gibt also Unterschiede und Gemeinsamkeiten. Nur ein aktiver und fortwährender Ideenaustausch und voneinander Lernens können eine einwandfreie Basis für eine bessere Zukunft für uns alle schaffen.
Wie würden Sie die Rolle indischer Wissenschaftler in Deutschland beschreiben?
Die meisten indischen Wissenschaftler in Deutschland sind hochqualifiziert. Sie wissen genau, was sie tun müssen, um deutsch-indische Kooperation zu fördern. Ich freue mich über jeden, mit dem ich zusammenarbeiten kann, der meine Leidenschaft teilt und Interesse an der Förderung indischer Wissenschaft in Deutschland und Europa hat. Wir freuen uns über neue Mitglieder für das EuroIndia Centre, das eine exzellente Plattform für indo-deutsche oder gar indo-europäische Kooperation bietet. Dieser Appell geht auch an unsere deutschen Freunde und solche, die an indischer Wissenschaft und Kultur interessiert sind sowie eine Affinität gegenüber diesem Land besitzen.
Was würden Sie jungen Wissenschaftlern – egal welcher Abstammung – abschließend mit auf den Weg geben?
Ich glaube nicht, dass es grundsätzlich meine Aufgabe ist, anderen Ratschläge zu erteilen. Jedoch gebe ich meinen Studenten und Studentinnen lediglich einen Rat mit auf den Weg: während Sie den Weg der Wissenschaft mit vollster Entschlossenheit beschreiten, vergessen Sie nie die ethischen Prinzipien und vergessen Sie nie, dass wir der Gesellschaft etwas schuldig sind. Sie macht uns erst die Arbeit möglich, die wir so lieben.
Herr Dr. Mukhopadhyay, ich danke Ihnen für dieses ausführliche und aufschlussreiche Gespräch.
Hat mich sehr gefreut, vielen Dank!