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Do, 21. November, 2024
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Bharathanatyam: Tanzen für die indischen Wurzeln

Sherly Rajan berichtet aus eigener Erfahrung über die indische Tanzrichtung Bharathanatyam. Sie tanzt bereits seit ihrem 6. Lebensjahr und weiß wieviel Körperbeherrschung dieser Tanz einem abverlangt. Obwohl sie in Deutschland lebt, besinnt sich Sherly gerade durch das Bharathanatyam ihrer indischen Wurzeln. Somit kann auch der indische Tanz dazu beitragen sich mit der eigenen Identitätsfrage zu beschäftigen.

„Dhi thi thei…tadin gina thom… thei ha thei hi!“ – „Was ist das denn? Da hat sich wohl jemand versprochen.“ Diese Gedanken würden einem Laien wahrscheinlich zuerst durch den Kopf gehen. Anfangs scheinen diese Laute ja auch nahezu lächerlich und unbedeutend zu sein, doch tatsächlich spielen diese, wenn auch kleinen Laute, eine ganz besondere Rolle beim indischen Tanz und bilden sogar dessen Fundament.
Der Tänzer bzw. die Tänzerin richtet sich nach diesen Lauten, da sie den Rhythmus angeben. So ist es in allen Tanzrichtungen wie auch im Bharathanatyam üblich. Dabei ist nicht nur der Rhythmus ein entscheidender Faktor, sondern zwei weitere Komponenten fließen in diesen Tanz mit ein.
Bereits der Name Bharathanatyam impliziert die drei wesentlichen Fundamente: Bha steht für Bhavam (=Ausdruck), Ra steht für Raagam (=Melodie), Tha steht für Thalam (=Rhythmus) und Natyam bedeutet soviel wie Tanz: Bha-ra-tha-natyam ist somit ein Tanz, der Bhavam, Raagam und Thalam kombiniert. Dies ist womöglich ein Grund, warum der indische Tanz sowohl Inder als auch Nicht-Inder beeindruckt.
Bei meinen Tanzauftritten konnte ich die Erfahrung sammeln, dass das Publikum besonders von den farbreichen Tanzkostümen kombiniert mit goldenem Schmuck fasziniert war, die zur Unterstützung des Bhavams dienen: Was des einen Freud‘, ist des anderen Leid! Denn mich stört das sehr zeitaufwendige Vorbereiten (Tanzkostüm, die langen Haare, Schminke, Schmuck u.s.w.) für einen manchmal nur 2-min. Tanz! Dennoch stelle ich im nachhinein immer wieder fest: Es hat sich gelohnt!!!
Tanzen lerne ich nun seit meinem 6. Lebensjahr. Ich glaube, dass ich durch meine Eltern an einer Tanzgruppe von ca. 10-15 indischen Kleinkindern teilgenommen habe. Damals- wie auch heute- haben indische Eltern die Intention verfolgt, dass ihre Kinder durch das indische Tanzen einen gewissen Bezug zur indischen Kultur entwickeln. Ferner lässt sich eine gewisse Tendenz feststellen: In der Kleinkindergruppe waren auch Tänzer vertreten, wobei z. Z. die Tänzerinnen überwiegen. Dies ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass der indische Tanz von vielen als weiblich eingeschätzt wird, obwohl Tänze wie Bharathanatyam auch Tänzern zugänglich ist und es zahlreiche Tänze für Paare, also Tänzer & Tänzerin gibt, die, meiner Meinung nach, ein ästhetisches Bild darstellen. Das heißt aber nicht, dass es keine „Bharathanatyam-Tänzer“ gibt. Im Gegenteil! Ich habe erst bei meinem vorigen Tanzauftritt ein Geschwisterpaar tanzen sehen. Tatsache ist, dass es dieses Bild nicht oft zu sehen gibt.
Meine jetzige Tanzgruppe besteht ausschließlich aus Mädchen, wobei die 10-13jährigen dominieren. Daher wird unsere Tanzgruppe auch geteilt, so dass die Älteren, zu denen auch ich zähle, klassische Tänze erlernen, da wir die Grundschritte bereits beherrschen. Bis jetzt habe ich den Tanz Bharathanatyam von vier verschiedenen Lehrerinnen gelernt. Obwohl alle vier Lehrerinnen dasselbe unterrichtet hatten, war der Unterricht relativ unterschiedlich, da sie unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt haben. Meine jetzige Lehrerin z. B. möchte, dass ihre Schülerinnen jeweils eine Prüfung absolvieren. Diese Prüfung umfasst VIER Klassen (4 Grades) und besteht aus Theorie und Praxis. Die Prüfung für die 2. Klasse (2nd Grade) habe ich bereits im letzten Jahr erfolgreich absolviert. Dieses Jahr bereiten wir uns auf die 3. Klasse (3rd Grade) vor.
Für mich ist diese Prüfung nicht von allzu großer Bedeutung, da ich das indische Tanzen als ein Hobby sehe. Es ist für mich sogar mehr als ein gewöhnliches Hobby geworden, da ich durch das indische Tanzen die indische Mentalität gewissermaßen bewahren kann. Ein Beispiel ist der Polytheismus, der durch das indische Tanzen vermittelt wird, da dieser auf dem Hinduismus basiert. Ich als Christin glaube zwar nicht direkt an die vielen Götter, doch paradoxerweise bitte auch ich beim Tanzen um den Segen des Gottes Shiva.
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass es für bikulturelle Kinder/Jugendliche besonders schwer ist, sich einer von beiden Kulturen vollkommen zugehörig zu fühlen. Daher streben sie auch meist danach einen Mittelweg zu finden.
Durch das Indische Tanzen habe ich dieses Problem für mich mehr oder weniger gelöst. Daher bin ich sehr froh, dass ich Freude am Bharathanatyam habe, denn dieser Tanz hilft mir meinen individuellen Mittelweg zwischen deutscher und indischer Kultur zu finden.
Gerade deshalb möchte ich das Tanzen als mein Hobby belassen und nicht zum Beruf machen, denn obwohl ich auch auf Festen o.ä. auftrete, tanze ich im Prinzip nur für mich, für meinen persönlichen Bezug zur indischen Kultur.
Ich denke, gerade das wollten meine Eltern damit bezwecken: Auch wenn ich in Deutschland lebe, sollte ich mir immer meiner „indischen Wurzeln“ bewusst sein und dieses Bewusstsein erlange ich durch das Tanzen.

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