(von Sebastian Arackal) Indien Reiseführer gibt es wie Sand am Meer, Nicki Grihault sticht mit ihrem englischsprachigen Band „India“ aus dieser Ratgeberflut heraus. Die englische Reisejournalistin widmet sich ausschließlich den kulturellen und gesellschaftlichen Eigenheiten des Subkontinents und seiner Bewohner. In kurzen Kapiteln gibt sie Einblicke in Religionen, Staatsform und Geschichte. Kapitel, die man in jedem andern Reiseratgeber auch finden kann. Die Stärke und gleichzeitige Schwäche des Buches zeigt sich in den Teilen, in denen die Autorin indische Sitten und Gebräuche ergründet. Grihault ist Reisejournalistin und hat mehrere Jahre in Indien gelebt, sie kennt das Land aus Perspektive einer Ausländerin sehr gut. Sie schreibt über alltägliche Szenen, wie indische Jungen, die Händchen halten oder das Fehlen der Privatsphäre. Ihre zahlreichen wertvollen Tipps tragen zum besseren Verständnis der indischen Kultur bei. Besonders interessant ist das ausführliche Kapitel über „Business Briefing“, das den Umgang mit indischen Geschäftsleuten lehrt.
Das Buch hat allerdings auch Schwachstellen, häufig neigt die Autorin dazu, Beobachtungen zu verallgemeinern. Zwei Beispiele: „Die Inder können nur schwer über sich selber lachen, da sie sich selber sehr ernst nehmen. (…) sie amüsieren sich nur über die Missgeschicke von Mitmenschen, wie das Ausrutschen auf einer Bananenschale. (..) Ausländer werden den indischen Humor als simpel empfinden.“ Zu indischen Männern scheint Grihault auch ein gespanntes Verhältnis zu haben: “ (…) die Mehrheit der erwachsenen Männer, ledig und verheiratet, sucht in vielen Gegenden Prostituierte auf.“ Hier bleibt die Frage, ob sinnvoll ist, Vorurteile als allgemein gültige Tatsachen zu präsentieren.
Fazit: Lohnt es sich, knapp 10 Euro für das 168-seitige Taschenbuch zu investieren? Ja, denn die schlecht recherchierten Tiefpunkte des Buches werden durch den insgesamt gelungene Rest ausgeglichen.