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Diskussionen bei „Import Export“: Das Indernet und die indische Community

(von Urmila Goel) Nachdem Madhusree Dutta aus Bombay während des Berliner Symposiums von Import Export anderthalb Stunden geduldig den Ausführungen zum Internetportal www.theinder.net und seiner Bedeutung als Raum der zweiten Generation gefolgt ist, hält es sie nicht länger. Die Leiterin von Majlis, einem Zentrum für mulitikulturelle Initiativen, und Kuratorin des Bombayer Symposiums von Import Export versteht nicht ganz worüber die deutschen „InderInnen“ gerade sprechen. Ihr fehlt die politische Dimension bei der Diskussion der „indischen“ Community in Deutschland. „What about class?“ ist eine ihrer Kernfragen. Sowohl die NutzerInnen von theinder.net wie auch die Community, von der der stellvertretende Botschafter Indiens Amit Dasgupta spricht, scheinen ihr eine privilegierte Gruppe zu sein. Es sind nicht die AsylbewerberInnen und Flüchtlinge, die diese Gruppe ausmachen. Es sind Menschen in privilegierten Positionen, die die Entscheidung zur Migration selber getroffen haben. Diese Einordnung der „InderInnen“ in Deutschland vermisst Dutta in der Diskussion, sie findet sie generell zu unkritisch, zu unpolitisch. 
Dutta stellt auch grundsätzlich in Frage, dass sich in Deutschland eine Community von „InderInnen“ bilden und diese gefördert werden müsse. Sicher könne eine Gemeinschaft Schutz und Sicherheit bieten. Gleichzeitig könne das Zurückziehen in eine ethnische Community aber bedeuten, dass man den Problemen aus dem Weg gehe, sich in einem Nest zurückziehe. Bijon Chatterji, Chefredakteur von theinder.net, sieht dies nicht als Problem. Er, der in Deutschland aufgewachsen ist, hatte ein Bedürfnis nach Community und wollte ihr einen Raum schaffen. Mit zwei Freunden zusammen gründete er das Internetportal als „Indian Online Community“. An diesem Ort der zweiten Generation sind Gemeinschaft und ethnische Zusammengehörigkeit die zentralen Konzepte. Die „indische“ Community ist für Chatterji die Gemeinschaft der „InderInnen“ in Deutschland, zusammen gehalten durch eine gemeinsame Kultur. Bei der zweiten Generation komme die Erfahrung doppelter Ausgrenzung in Deutschland und Indien hinzu. Auch Amit Dasgupta, geht davon aus, dass Menschen mit indischem Hintergrund eine Gemeinsamkeit haben, dass sie gemeinsame Räume brauchen. Während die beiden mit Urmila Goel vom Forschungsprojekt „Die virtuelle zweite Generation“ diskutieren, sind auch die NutzerInnen von theinder.net live dabei. Auf zwei großen Leinwänden können die TeilnehmerInnen von Import Export ihren Diskussionsbeiträgen folgen. Eine Userin fasst ihre Meinung zum Thema so zusammen: „Wir sind eine Community, weil wir uns hier zusammen getan haben, man hat dieselben Interessen, oder gerade gegensätzliche… es hält uns etwas zusammen, und das ist dieses Forum!“ 
Unklar bleibt aber was sich hinter dem Begriff Community verbirgt. Der Begriff wird mal für die Gemeinschaft aller „InderInnen“ in Deutschland, mal für die NutzerInnen des Internetportals benutzt. Mareile Paske, wissenschaftliche Hilfskraft im Forschungsprojekt, bringt in die Diskussion einige Elemente wissenschaftlicher Definitionen von Gemeinschaft mit ein. Sie hat in ihrer Forschung vor allem die Frage des emotionalen Zusammenhalts bei virtuellen Gemeinschaften untersucht. Auf theinder.net lässt sich dieser im Forum unter den VielnutzerInnen zum Teil wieder finden, diese sind vertraut miteinander, gehen aufeinander ein, unterstützen sich emotional. Für die Gesamtheit der NutzerInnen der Internetportals bezweifelt Paske allerdings die Anwendbarkeit des Begriffes Gemeinschaft. Die Verbindungen sind zu lose. Goel spricht daher auch eher von einem Netzwerk, das durch theinder.net geschaffen wurde, als von einer Community. Paskes Kollegin Alexandra Florea weist darauf hin, dass entscheidend bei Gemeinschaften immer die Abgrenzung von Außen und Innen, also die Grenzen sind. Diese hat sie in ihrer Forschung bei unterschiedlichen Internetportalen untersucht, und festgestellt, dass gerade im Virtuellen diese Grenzen fließend sind und sich ständig ändern. Dies macht es um so schwieriger den Begriff Community für eine bestimmte Gruppe zu benutzen. Wenngleich die Wissenschaftlerinnen sich so scheuen bei theinder.net von einer Community zu sprechen, so tun dies die RedakteurInnen und NutzerInnen ohne große Bedenken. Kathrin Rosi Würtz, ehemalige Redakteurin von theinder.net, spricht daher von einer gefühlten Community, die auf theinder.net entstanden ist bzw. ihren Raum gefunden hat. Hier kann das Bedürfnis an Gemeinschaft, das viele haben, befriedigt werden.
Wie Dutta bekommt auch die Berliner Kuratorin von Import Export Merle Kröger zunehmend Probleme mit der Diskussion. Der diskutierte Community-Begriff ist ihr zu essentialistisch, zu fest geschrieben. Sie stellt in Frage, dass man sich aufgrund seiner Herkunft überhaupt einer Community von „InderInnen“ zugehörig fühlen müsse, egal ob nach wissenschaftlichen Kriterien oder aber gefühlt. Kröger weist darauf hin, dass jegliche Community konstruiert ist und man daher diesen Prozess der Konstruktion hinterfragen müsse. Wenn man Gleichgesinnte suche, dann habe man die Wahl welche dies sein. Man könne sich mit anderen auf der Basis von ethnischer Herkunft zusammen tun, man könne sich aber zum Beispiel auch mit anderen VogelkundlerInnen zusammenschließen. Kröger glaubt im Gegensatz zu Dasgupta und Chatterji nicht an die jedem innewohnende, quasi per Geburt mitgegebene indische Kultur. Eine natürliche Identifizierung mit ethnischer Herkunft stellt sie grundsätzlich in Frage. Die Zuordnung zu Indien sieht sie viel eher als eine Folge von Ausgrenzungserfahrungen in Deutschland. Hier werden Menschen aufgrund von Hautfarbe, Namen, der von der „deutschen“ Norm abweichenden Erziehung durch die in Indien sozialisierten Eltern als „InderIn“ definiert und suchen sich deshalb auf dieser Basis Gleichgesinnte. Der Zusammenschluss auf ethnischer Basis ist für Kröger aber keine notwendige Schlussfolgerung aus den individuellen Erfahrungen. Es gebe auch andere Optionen. So könne man sich auch einer politischer Initiative anschließen, die gegen Diskriminierungen in Deutschland kämpfe. Wie Dutta sieht Kröger bei ethnischen Communities die Gefahr sich gemütlich in einer Nische einzurichten und dabei andere Realitäten zu ignorieren. Bei theinder.net fehlt Kröger bisher die reflexive Auseinandersetzung mit der getroffenen Entscheidung sich auf Basis von ethnischer Identität zusammen zu schließen. Sie hält diese Entscheidung nicht für natürlich, es hätte auch andere Möglichkeiten gegeben. Sobald die Entscheidung getroffen wird, ist sie aber politisch wirksam, auch oder gerade dann wenn sie nicht thematisiert wird. Es ist eine Entscheidung, die nationale Identität betont und damit letztendlich auch die Grundlage für ausgrenzenden Nationalismus sein kann. 
Chatterji bestreitet in der Diskussion, dass theinder.net politisch ist oder sein kann. Für ihn ist das Internetportal eine Raum für Kommunikation und Information, mehr nicht. Die Redaktion lege Wert darauf, dass die Informationen ausgeglichen bleiben. Auf die kritische Nachfrage, dass das Portal alleine schon durch seine Existenz politisch sei, kann er leider nicht mehr in der großen Runde antworten, da die Diskussionszeit zu Ende ist. Er will sie aber nicht im Raum stehen lassen und so diskutieren Kröger und Chatterji in kleiner Runde weiter. Sie verabreden diese Diskussion auch über das Symposium hinaus weiterzuführen. 
In ihrer Zusammenfassung spricht Paske wohl für viele TeilnehmerInnen, als sie sagt, dass sie mit einigen Annahmen und Antworten in die Diskussion hineingegangen ist und nun mit vielen neuen Anregungen und Fragen herausgehe. Auf diesen Prozess der Veränderung beim Eintreten und Verlassen eines Raumes, egal ob virtuell oder physikalisch, weist auch Florea in ihrem Schlusswort hin. Sie betont, dass sich sowohl der Raum wie man selbst verändere, während man in dem Raum sei. Alles sei im Fluss und vergänglich. Am Ende verlasse man den Raum wieder, und neues entstehe. Das gelte sowohl für das Internetportal wie auch für das Symposium.
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