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Frühstück mit Panjabi MC

Man hört und liest ja so einiges vom großen Meister der Bhangramusik. Wir haben jedenfalls einen ziemlich entspannt wirkenden, werdenden Vater und außerdem frisch verheirateten Panjabi MC in Stuttgart getroffen. Nachdem er am Abend des 10. Februar 2006 bei der „Bouncin Bollywood“ Party hinter den Turntables wieder mal alles gab, hatte Birgit Opitz das Glück ihn exklusiv am nächsten Morgen zum Frühstück zu treffen. Am Ende gab er uns gar ein noch exklusiveres Autogramm, das er den Lesern von theinder.net widmete…

Fast jeder kennt mittlerweile den Song „Mundian To Bach Ke“. Wie erklärst du dir diesen riesigen Erfolg?
Es kommt immer darauf an, dass man sich selbst treu bleibt und hart arbeitet für seine Ziele. Auf einmal wird alles professioneller und es kommt darauf an sich gut zu verkaufen und man versucht einfach mal was neues auszuprobieren. Ist man dann dabei etwas Neues auszuprobieren, wie z.B. sich gegen eine bestimmte Musikrichtung zu wenden, bedarf es vieler Überlegungen hinsichtlich der eigenen Ideen… und lass es mich noch einmal betonen: es geht nie ohne harte Arbeit. Das ist das „Geheimnis“ meines Erfolges.
Heutzutage findet man an jeder Ecke Dinge, die mit Indien zu tun haben, inklusive deiner Musik … in der Mode, Bollywood usw. Was glaubst du wie kommt es zu diesem Indien-Boom und wie denkst du darüber ?
Die Welt rückt näher zusammen und wird durch die Globalisierung letztendlich kleiner. Der Mittlere Osten und Indien sind für diesen Asien-Boom hauptsächlich verantwortlich. Die Menschen sind neugierig auf Indien. Sie wollen mehr hören und sehen, wie z. B. Bollywoodfilme und indische Musik. Klingt fast zu einfach, aber meiner Meinung nach ist das genau der Grund.
Du hast eine Menge dazu beigetragen, um Bhangra bekannter zu machen, nicht nur innerhalb der südasiatischen Community, sondern in ganz Europa. Würdest du dich selbst als Pionier des Bhangra bezeichnen?
Ja, aber ich würde eher sagen, ein Pionier der Bhangra-Beats verbunden mit westlichem Hiphop und Tanz-Beats. Ich lebe in England und das ist nicht nur geographisch, sondern auch kulturell der Mittelpunkt zwischen Amerika und Indien. Ich lebe mitten in diesem Schmelztiegel der Kulturen und konnte mich dieser Mischung nicht entziehen. Ich bin praktisch damit aufgewachsen!
Wie denkst du über die Einflüsse der Bollywoodmusik? Ein Phänomen, dass ja erstmals in England (UK) auftrat.
Die Menschen in Indien haben sich schon immer ihren traditionellen Dingen gewidmet und die Bollywood-Filmindustrie kopiert Hollywood sowieso. Sogar der Name „Bollywood“ ist abgeleitet von „Hollywood“. Sie haben das schon seit Anfang an so gemacht. Immer ein bißchen hier und da kopiert, sich einige Ideen für ihre Filmsongs „geborgt“ und so weiter. Aber ich komme aus dem Punjab. Diese Region ist nicht so sehr kommerzialisiert wie Bollywood. Eher wie Reggae, oder so. Außerdem ist die Sprache Punjabi ganz anders als Hindi, die in den meisten grossen Bollywoodfilmen verwendet wird. Die musikalischen traditionellen Einflüsse hier, laufen immer auf Bhangramusik und Bhangramixes hinaus. In England ist der Einfluss der Punjabi-Kultur immens und hat letztendlich auch Amerika und Europa beeinflusst, aber England zuerst und am meisten.
Warum bevorzugst du Bhangra Musik, einfach aufgrund deines persönlichen Hintergrunds?
Definitiv, Bhangramusik ist einfach die Musik des Punjab! Ich identifiziere mich mit dieser Musik, wie man Hindimusik mit Bollywood in Verbindung bringt oder man eine Boyband mit westlicher Musik gleichsetzt… Punjabimusik ist wie Reggae und Drum ’n Bass!
Du sagtest eben, du seiest der Pionier der Bhangramixes. Bezogen auf deinen Berühmt- und Beliebtheitsgrad plus Erfolg: siehst du dich selbst als eine Art „Gott“ des Bhangra oder MC des Bhangra?
Nein, nein, nein! Das würde ich nicht sagen, Gott… aber auf jeden Fall als Pionier, wie du erwähnt hast. Weißt du, es ist zehn oder zwölf Jahre her, als ich einen indischen Beat hörte, gemixt mit westlicher Musik und für mich klang das, als sei es „der Klang der Welt“, aber irgendwie noch leer… wie tackedatackedatackedatackedatackeda (macht den Beat nach und lacht). Also machte ich mich an den Song und begann seine Leere mit mit meinen Beats und Geräuschen zu füllen und mittlerweile tue ich das schon so lange und erreiche endlich so viele Menschen damit, nicht nur mit dieser Art Musik, und so machten mich die Menschen zum Pionier, denke ich.
Ok, kannst du etwas über deine nächsten Projekte und Pläne erzählen?
Klar, mein nächstes Projekt wird mein neues Album sein, dass bald veröffentlicht wird. Es sind fast alle Songs fertig, mehr oder weniger. Ich muss noch einige Remixes verfeinern. Es wird ein großes Album mit 15 Songs. Leider habe ich noch ein Gerichtsverfahren mit meinem ehemaligen Independent Label in England am Hals, wo ich die letzten 3 Jahre meinen Platten-Vertrag hatte. Sie waren mir gegenüber wirklich nicht fair… Weshalb wir im Moment die Vereinbarung haben, dass ich mein eigenes Zeug aufnehmen und veröffentlichen darf und somit dann da aus dem Vertrag rauskomme…

„Im Frühjahr werde ich Papa!“

Hast du nicht mal daran gedacht dich niederzulassen? Wäre weniger Stress, weniger reisen…
Ja, das ist wahr. Reisen kann schon sehr anstrengend sein! Ich muss definitiv zurück nach England und brauche jetzt eine kleine Pause. Ich werde ja im Frühjahr Papa… (lächelt)
Oh, herzlichen Glückwunsch! Kannst du dich noch an deinen ersten Gedanken, oder das Gefühl erinnern, als du von deinem Durchbruch in Europa gehört hast?
Das witzige daran ist, dass der Song „Mundian To Bach Ke“, welcher mir zum Durchbruch verhalf, schon sehr alt ist. Ich habe diesen Song bereits 1988 produziert. Als ich dann diesen Song erstmals veröffentlichte, war es etwas ganz besonderes, vielleicht so wie bei „Hum Tum“ für die Asiaten. Faszinierenderweise war er ein Jahr später immer noch total bekannt, es war einfach riesig und so etwas hatte ich bis dahin noch nie erlebt mit einem Song. Ich ging also zu meiner Plattenfirma, meinen Kontakten, ich hatte schon einige… und teilte ihnen meine Ideen mit, aber sie waren nicht überzeugt. Trotzdem war ich sicher, dass der Song das Zeug hatte, die Charts zu erobern, weil alle RDB DJ’s meinen Song auf ihren Parties spielten… aber zurück zu deiner Frage: Der Moment, als ich dachte, Wooow …das ist ja Wahnsinn, war als ein schwarzer DJ das erste Mal meinen Song auf einer RnB-Party auflegte! So etwas gab es vorher noch nie. Ich dachte „… Mensch, was ist denn hier los ?“ und die Leute tanzten wie verrückt zu „Mundian To Bach Ke“, da war mir klar, dass sich irgendwas ernstes ereignete. Vor allem, weil es kein HipHop, sondern ein Bhangra-Track ist. Du konntest auf allen Bhangra Parties auftauchen und sicher sein, dass der Song immer gespielt wurde, aber eben niemals zuvor auf einer Hiphop-Party. Später gingen dann einige RnB DJs, die den Song aufgelegt hatten, mit mir zu einem „weißen“ Platten-Label… Wahnsinn… der Rest ist bekannt.
Du bist ja ziemlich viel unterwegs… Wo, würdest du sagen war deine beste Performance und wann?
Also, ich hatte eine ganze Menge super Auftritte, aber wenn du so fragst, dann wahrscheinlich als ich Nummer zwei in den deutschen Charts und deswegen hier war. Das Publikum war einfach unglaublich, die hatten keine Ahnung, was sie erwartet, wußten nichts über Hiphop, oder so und dachten nur „wow was ist das..?“ Alle 5.000 Leute hielten ihre Fäuste in die Luft und jammten mit. Das war echt ne großartige Zeit und… Kanada, speziell Toronto, da gibt’s meine größte Fangemeinde. Wann immer ich dahin komme, die flippen jedesmal völlig aus. Man merkt echt, dass die mich lieben, jedes Mal Chaos! (lacht)
Mal eine andere Frage: du arbeitest viel mit den Bhangra Brothers aus Deutschland zusammen. Wie hast du sie kennengelernt?
Oh, ich habe Wiki durch meine deutsche Plattenfirma „Superstar“ kennengelernt. Wir haben dann zusammengearbeitet und einige Shows zusammen gemacht. Danach hat er seine Karriere in Gang gebracht und dann die Band. Er erzählte mir damals von den Bhangra Brothers und ich wurde neugierig, seitdem kenne ich die beiden.
Was glaubst du, wie sieht ihre Zukunft im Musikbusiness aus?
Ich denke es wird schwierig für sie sein, weil sie nicht aus dem Herzen der Bhangra-Bewegung kommen. Offen gesagt, wenn sie aus England kämen, würden sie wahrscheinlich schon 10 Plattenverträge haben, du weißt was ich meine… Aber sie sind aus Deutschland, das ist der Unterschied. Es wird wahrscheinlich echt schwieriger für sie, aber hey, sie machen ihre Sache wirklich, wirklich gut und ich werde auf jeden Fall immer ein Auge auf die beiden und ihre Zukunft haben!
Hast du dir schon ihr Album angehört? Welche Rolle spielst du hier eigentlich bei dem Ganzen?
Ja, ich habe natürlich das Album schon gehört, auch wenn es noch nicht veröffentlicht ist. Ich finde es ist ein gutes Album und mich würde echt die Meinung der Leute da draussen interessieren… Ich warte nur auf den richtigen Moment und dann werde ich mal für sie und mit ihnen ein paar Tracks und Remixes produzieren.
Wie wichtig findest du die Mischung von westlicher und indischer Kultur, speziell bezogen auf Musik?
Sehr wichtig, das sag ich ja… man muss sich nur die historischen Hintergründe der Musik anschauen, speziell warum sie so klingt wie sie klingt… dann versteht man, dass die westliche Welt es leider verpasst hat sich musikalisch weiterzuentwickeln, weil wenn du dir anschaust, wie Schlagzeug gespielt wird, deine Base, die Akkorde und der Gesang… das ist alles, was wir haben, und es ist echt Zeit, daraus mehr zu machen und sich weiteren Einflüssen zu öffnen. Bedenk mal, dass die östliche Welt etwa zwei Drittel  der Welt ausmacht und es doch einfach total interessant ist, eine neue Form von Musik zu haben, wenn du zwei verschiedene Arten von Musik gemischt hast. Einige Dinge, die Grenzen überquert haben, sollten wichtiger sein. Es ist fast dasselbe wie mit der Kleidung – sie ist so amerikanisch mittlerweile oder wie jetzt eben indischer Stil angesagt. Hier kann man genauso die Beeinflussung von Ost und West sehen.
Warst du vorher schon mal in Stuttgart?
Ja, einmal… ist einige Jahre her. Muss 2001 gewesen sein, oder so…
Und, wie gefällt es dir hier?
Oh, sehr gut! Es ist wie eine Großstadt, aber nicht so hektisch wie Berlin oder München.

Panjabi MC schreibt Autogramme.

Hast du schon von dem „Bollywood and Beyond“ Festival hier in Stuttgart gehört? Es findet dieses Jahr zum dritten Mal statt. Letztes Jahr hatten die Bhangra Brothers mehrere Auftritte da.
Ehrlich gesagt, erst als sie mir davon erzählt hatten… vielleicht komme ich ja runter und zeige mich dort…
Was denkst du über diese ganze Eifersucht zwischen den DJs und Partyveranstaltern?
Aus meiner Sicht scheint das ein großes Problem zu sein, auch in bezug auf ihre Nationalitäten und ihre Abstammung.
Ach hör mal, die messen sich alle mit mir! (breites Grinsen)
…aber, findest du denn das ist echt nötig?
Hmm, es ist gut, ja. Komm schon, das ist das was die Leute wollen – einen guten Wettkampf! (grinst wieder über das ganze Gesicht) Niemand, will jemandem zuhören, der nicht der Beste ist…
Noch ein paar Worte an unsere Leser?
Ich würde sagen: Hört weiterhin verschiedene Arten von Musik, haltet euren Geist offen und hört keine Boygroups! Das ist meine ehrliche Message an euch!
Okay, und noch ein paar Worte an alle Desi-DJs da draussen?
Also, was ihr habt, ist eigentlich nur ein Wrack… und eine Menge Bollywood-DJs. So langsam bekommen ihr jetzt ein bißchen mehr Arbeit, und ich finde ihr solltet Eucherinnern, wem ihr das Ganze zu verdanken habt… Mensch… mir habt ihr zu danken! (lacht frech) Ihr solltet die RnB-Clubs erobern und auch schauen, was ihr für die nicht-asiatischen Leute tun könnt… und bitte… lernt zu scratchen! (lacht wieder)
Meine allerletzte Frage: Stell dir vor, du könntest einen Moment in deinem Leben wiederholen, oder ändern, welcher würde es sein?
(lacht) Oh, wo soll ich da anfangen… es gibt so viele Dinge, die ich ändern könnte, aber um einen zu nennen, hmmm… vielleicht hätte ich aufgehört mit DJing, MCing oder zu produzieren, weil die erfolgreichsten Leute in der Musikindustrie nur eine Sache tun und die richtig. Entweder sie schreiben, rappen, produzieren oder konzentrieren sich auf das DJing. Ich hätte nicht soviel lernen, sondern mich einfach auf ein Ding konzentrieren sollen und darin besser und besser werden sollen. Was ich definitiv in Zukunft machen werde, ist also mich nur auf eine Sache zu konzentrieren, weil eben DJing, Produzieren und… hmmm, zuviel… und genau das kreiert den Stress!
Danke für das Gespräch und alles gute für deine Frau und dein Kind!
Vielen Dank!
Eine persönliche Widmung von Panjabi MC für die Leser von theinder.net:

 
Fotos: (c) Birgit Opitz / theinder.net
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