Besonders schlimm ist dies natürlich für die indische Jugend. Nach Angaben der Weltbank müssen 60 Millionen Kinder unter 14 Jahren in Indien arbeiten um ihren Lebensunterhalt aufbringen zu können.
Seit 1986 unterscheidet die indische Regierung dabei zwischen „gefährlichen“ und „nicht-gefährlichen“ Tätigkeiten (Child Labour Act). Offiziell war es Kindern unter 14 Jahren demnach erlaubt in Haushalten, Garküchen, Straßenläden oder im Verkauf gegen Bezahlung zu arbeiten.
Die Kinder arbeiten dabei nicht selten 14 Stunden am Tag für rund 55 Rupien, dies entspricht etwa 1 €. Davon behalten die meisten Arbeitgeber 10 Rupien pro Tag für Unterkunft und drei karge Mahlzeiten ein.
Dies heißt jedoch noch lange nicht, dass dies die Arbeitsbedingungen von allen Kinderarbeitern darstellt: In Wahrheit arbeiten Millionen von Kindern auch in den gefährlichen Sektoren, beispielsweise mit Chemikalien und Ölen in Autowerkstätten, verrichten Fließbandtätigkeiten, schleppen schwere Lasten, verrichten Landarbeit oder sind traditionelle Teppichknüpfer. Dabei erhalten sie – wenn überhaupt – einen Hungerlohn, schließlich gibt es genug Kinder in Indien, die auf eine Arbeit angewiesen sind. Sie stammen meist aus verarmten Großfamilien, sind von zu Hause weggelaufen oder verwaist und müssen sich nicht selten zudem noch um ihre jüngeren Geschwister kümmern. Aber selbst wenn eine intakte Familienstruktur besteht, ist es in vielen Familien einfach finanziell unmöglich auf ein solches zusätzliches Gehalt zu verzichten und dass obwohl Schulen in allen indischen Metropolen kostenlos sind. Das Fehlen jeglicher sozialen Absicherung macht es beinahe unmöglich für ungelernte Menschen in Indien existenzielle Bedürfnisse zu stillen.
Vor diesem Hintergrund wirkt es beinahe lächerlich, dass die indische Regierung am 10. Oktober 2006 ein neues Gesetz verabschiedet hat, dass jegliche Arbeit für Kinder unter 14 Jahren verbietet. Denn der Protest gegen dieses Gesetz stammt nicht etwa von den Arbeitgebern, die ohnehin anonym bleiben möchten, sondern von den betroffenen Eltern und Kindern, die nun befürchten auch die letzten bescheidenen Einnahmequellen zu verlieren. Erfahrungsgemäß jedoch bleiben solche Gesetze meist bloß ein Stück Papier. Die Defizite in der indischen Exekutive führen sogar soweit, dass die meisten Kinder nichts über dieses neue Gesetz oder ihre Rechte wissen.
Trotz all dieser finanziellen Missstände bleibt die derzeitige Situation in Indien untragbar. Dies wird insbesondere am Beispiel der 10 Jahre alten Silipa (siehe Filmlink unten) deutlich. Sie arbeitete als Haushaltshilfe in einer indischen Oberklassenfamilie und wurde bei jeder Gelegenheit von der Frau des Hauses verprügelt und nachts von ihrem Mann sexuell missbraucht. Schicksale wie diese prangern Menschenrechtsvertreter bereits seit Jahren an, doch bislang hat sich an den bestehenden Verhältnissen nichts geändert, so dass Wohlstand und Bildung in vielen Fällen noch immer eine Frage der Geburtsumstände bleibt.
Sicherlich ist das Gesetz gegen Kinderarbeit vom 10. Oktober 2006 ein Schritt in die richtige Richtung, dennoch mangelt es an der Umsetzung. Denn ein bloßes Gesetz kann das Dilemma der bitteren Armut in Indien nicht stoppen, dass die Kinder aus den Schulen direkt in die Arme von skrupellosen Menschen treibt.
Film:
http://www3.ndr.de/ndrtv_pages_video/0,,OID3194818_VID3198866,00.html
Links:
http://www3.ndr.de/ndrtv_pages_std/0,3147,OID3194818,00.html
http://news.bbc.co.uk/2/hi/south_asia/6203699.stm