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Buchrezension: "Bollywood" von Shashi Tharoor

Von Sebastian Arackal. Bollywood ist nicht nur eine gigantische Traumfabrik, die im Eiltempo immer neue Herz-Schmerz-Filmchen produziert, sondern bietet selbst jede Menge Stoff für faszinierende Geschichten. So hat jetzt auch einer der ungewöhnlichsten Männer der indischen Literatur, der gebürtige Malayali Shashi Tharoor (51), einen Roman mit dem Titel „Bollywood“ (erschienen im Insel Verlag) veröffentlicht.

Shashi Tharoor sticht als Autor insofern hervor, dass man ihn sonst vor allem als erfolgreichen UN-Diplomat kennt. Er hat in New York lange als Leiter der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit und Assistent von Kofi Annan gearbeitet. Nach Annans Rücktritt, ging Shashi Tharoor im vergangenen Jahr mit guten Chancen ins Rennen um den Posten des UNO-Generalsekretärs, verlor aber leider überraschend gegen den bis heute farblos gebliebenen Koreaner Ban Ki-moon.
Beim Schreiben seines Romans „Bollywood“ blendete Shashi Tharoor den bürokratischen UNO-Alltag komplett aus und tauchte in den schillernden Kosmos der indischen Filmindustrie ein. Mit viel Witz erzählt der Autor die Geschichte von Ashok Banjara, dem leicht unterbelichteten Sohn des Ministers für Textilproduktion. Der Junge hat sich in den Kopf gesetzt, die große Karriere im Kinogeschäft zu machen. Nach einigen Startschwierigkeiten, die auf eine latenten Mangel an Schauspiel- und Tanztalent zurückzuführen sind, gelingt ihm der Durchbruch an der Seite des alternden weiblichen Filmstars Abha, „Indiens berühmtesten Busen“. Entgegen aller Unkenrufen („Dieser goldige Junge, der aussieht wie ein Kfz-Mechaniker, wird es nicht sehr weit bringen.“) kann sich Ashok Banjara als neuer Actionheld des indischen Kinos etablieren. Als Shootingstar genießt er die Früchte seines Ruhmes in vollen Zügen. Dazu zählt natürlich einen wunderschönen weiblichen Bollywoodstar zu heiraten und sich nebenbei mit einer Reihe wilder Affären zu vergnügen. Lange kann dieser abenteuerliche Lebensstil nicht gut gehen, einer von Ashok Banjaras folgenden Kinofilmen floppt dann auch ganz fürchterlich. Und sein Schicksal nimmt eine dramatische Wende.
Shashi Tharoor entwirft einen facettenreichen Unterhaltungsroman über Liebe, Korruption und Intrigen in Bollywood. Immer wieder arbeitet er mit ironischem Unterton Filmskripte von Streifen in denen sein Held Ashok Banjara spielt in die Handlung seiner Geschichte ein. Songtexte dürfen da nicht fehlen. Hier eine Kostprobe: „Ich bin eine Frau, die viel Liebe braucht. Und manchmal etwas zu weit geht. Ich weiß ich bin nicht gut, aber es macht mich traurig zu denken, du liebst mich nicht mehr.“ Auch wenn das für den westlichen Geschmack vielleicht etwas zu kitschig ist, macht es Shashi Tharoors Bollywood-Buch doch authentischer. Man lernt beim Lesen viel über die abgedrehte Bollywoodwelt vor und hinter den Kulissen. Klar, es handelt es ich um eine fiktive Erzählung, in der aber auch literarisch verschlüsselt einige ungeschminkte Wahrheiten über das knallharte indische Filmgeschäft geschrieben stehen.
Eine Literaturkritikerin der FAZ vermutet sogar, dass Shashi Tharoors Romanheld Ashok Banjara nach Passagen aus Amitabh Bachchans Biografie konstruiert wurde. Parallelen sind beispielsweise die Initialien „A.B.“, die langen Beine bei Banjara wie Bachchan und in beiden Fällen eine Politikerkarriere, die wegen Korruptionsvorwürfen relativ schnell scheiterte. Ein Funken Wahrheit liegt ganz sicher in der Vermutung der Kritikerin. Es macht gerade den Reiz des Romans aus, dass Shashi Tharoor Fiktion und Realität spannend miteinander vermischt und dem Leser – natürlich auch abhängig von dessen Bollywood-Fachwissen – sehr viel Raum für Spekulationen gibt.

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