Als Einwohner eines beschaulichen Dörfchens im Odenwald muss es einem schon recht bizarr erscheinen, wenn man sonntags in der Frühe das Fenster öffnet und fremd anmutende Menschen zu noch fremder klingenden Rhythmen durch die angrenzenden Rapsfelder tanzen sieht. Ob die durchzechte Nacht wohl doch halluzinatorische Nachwirkungen gehabt haben könnte!? Ein Bericht von Dr. Jürgen Stein.
Doch es war ganz real, was sich da Ende April im Hessenland zutrug: Die indische Filmproduktionsfirma „Lakshmi Narasimha Production“ aus Hyderabads Jubilee Hills drehte für ihren Telugu-Film „Lakshyam“ einige Szenen in Österreich und Deutschland. Nach drei Drehtagen vor der Skyline von Frankfurt am Main war der nah gelegene Odenwald eine willkommene Zwischenstation auf dem Weg nach Österreich, wo in der Wachau und im Burgenland weitere Szenen gedreht wurden, bevor sich das 20-köpfige Team auf den Rückweg nach Indien begab. Der Film, der gerade mit einem Budget von über einer Million Euro in etwa 130 Drehtagen entsteht, zeigt den Actionhelden Gopichand in einer neuen Rolle als Universitätsstudenten, der den Mord an seinem Bruder aufklären will. An seiner Seite sorgt Anoushka für die romantische Spannung des Films. Im Odenwald wurden einige Sekunden einer Song-and-Dance-Szene gedreht, die – zumindest nach dem zehnten Hören – hitverdächtigen Charakter hatte. Dazu rückte sogar die örtliche Freiwillige Feuerwehr aus, um der Filmcrew ein Drehen der Szene aus der Vogelperspektive zu ermöglichen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wuchs die Zahl der Schaulustigen beträchtlich an und das Filmteam verschaffte sich durch seine große Offenheit und Geduld beim Beantworten der zahlreichen Fragen viele Sympathien.
Abschließend stellt sich natürlich die Frage, wie ein Filmteam aus Hyderabad den Odenwald für sich entdecken konnte. Verantwortlich dafür ist der Darmstädter Location-Scout Christoph Rau, der eigens eine Agentur, die „Filmlocation Germany“, gegründet hat, um vor allem indische Filmproduktionen nach Deutschland und insbesondere nach Südhessen zu holen. In diesem Fall arbeitete er gleichsam als „Subunternehmer“ für eine österreichische Full-Service-Agentur namens „makingmovieshappen“, indem er die Suche nach einem Hotel und Drehorten im Odenwald übernahm. Die Österreicher sind bereits sehr erfolgreich und erfahren in der Betreuung indischer Produktionen. So war Katharina Lichtenberg von „makingmovieshappen“ nach Deutschland gereist, um die Filmcrew von ihrer Landung auf dem Frankfurter Flughafen bis zum Abschluss der Dreharbeiten in Österreich zu begleiten. Die Agentur ist vor allem deshalb bei den Produzenten beliebt, weil sie diesen fast jeden Wunsch von den Augen abliest und auch ungewöhnliche Location-Wünsche, wie in diesem Fall ein Rapsfeld im Odenwald, zu erfüllen versucht. Allerdings wies Lichtenberg darauf hin, dass sie den Indern von bestimmten Drehorten, wie etwa München, abrate, da es dort sehr schwierig sei, Drehgenehmigungen zu erhalten.
Der Odenwald ist übrigens nicht zum ersten Mal Schauplatz für einen indischen Film. Auch im nahen Heppenheim versucht man eifrig, indische Produktionen in die Region zu bringen und hat dafür eigens ein deutsch-indisches Filmbüro eröffnet. Nachdem vor gut einem Jahr der – von der Kritik vernichtend rezensierte – Low-Budget-Streifen „Humraah – The Traitor“ dort gedreht wurde, zog man zu Beginn des Jahres einen wirklich großen Fisch an Land: Himesh Reshammiya entschied sich dafür, einige Szenen seiner 12-Millionen-Dollar-Produktion „Aap Kaa Suroor“ in Heppenheim zu drehen. Hier währte die Freude allerdings nicht lange: Aufgrund von Unstimmigkeiten zwischen der Filmcrew und den deutschen Betreuern brach man von indischer Seite die Dreharbeiten ab und setzte diese in Thailand fort. Aus informierten Kreisen war zu hören, dass neben finanziellen Streitigkeiten die Inder vor allem darüber erzürnt waren, dass man sie auf Heppenheim und Umgebung festlegen wollte und nicht dazu bereit war, Dreharbeiten in anderen Regionen Deutschlands mitzuorganisieren. Was ist daraus zu lernen? Die Globalisierung der indischen Filmszene verträgt sich schlecht mit deutscher Kleinstaaterei… Es bleibt zu hoffen, dass dieser kleine Rückschlag bald vergessen sein wird und Deutschland nach und nach zum „Dollywood“ der indischen Filmindustrie wird.
Foto: (c) Christoph Rau (Filmlocation Germany)