Tirthankara-Statue in Mumbai Foto: (c) Flicka |
Von Julia T. Scho. Ein Ausspruch der Jain „Parsparograho Jivanam“ bedeutet so viel wie: „Seelen helfen einander“. Hinter dieser Aussage verbirgt sich eine grundlegende Maxime der Jain, Ahimsa, das Prinzip der Gewaltlosigkeit.
Dieser Grundsatz bestimmt das gesamte Leben eines Jains. Er ist verpflichtet zur Barmherzigkeit gegenüber allem Lebendigen, also nicht nur Menschen, sondern auch Tieren und Pflanzen gegenüber. Denn im Jainismus ist alles beseelt und die Seelen sollen geschützt werden. Das bedeutet, dass Handlungen, Worte und sogar Gedanken die andere verletzten könnten, für Jains tabu sind. Diese ethische Tugend erlaubt keine Kriege, Unterdrückung, absichtliche Verletzungen von Lebewesen und nicht einmal den Einsatz von Insektiziden. Das Prinzip der Gewaltlosigkeit ist so wichtig für die Jains, denn jede schlechte Handlung bringt auch schlechtes Karma mit sich und verringert somit die Chancen auf ein Durchbrechen des Kreises der Wiedergeburten und damit ein Gelangen in das Nirvana.
Was bedeutet „Ahimsa“ für den Alltag eines Jains?
Da sie alles Leben achten, sind sie Vegetarier und einige auch Veganer. Lebensmittel wie Milch, Butter, Käse, Honig oder Zwiebeln und Knoblauch sind nicht erlaubt, da sie Tieren schaden. Im Janismus ist es den Anhängern auch verboten Alkohol und Tabak zu sich zu nehmen. Auch bei der Kleidung müssen sich Jains einschränken und auf Leder, Seide oder Pelze verzichten. Kurzum, alle Dinge des täglichen Lebens, bei denen Tiere zu Schaden kommen können, sind im Jainismus nicht erlaubt. Diese strikte Lebensweise hat auch Auswirkungen auf die Berufswahl der Glaubensanhänger. Da Berufe in denen Mensch oder Tier getötet werden können für einen Jain natürlich Tabu sind, arbeiten sie meist im Dienstleistungssektor, in der Verwaltung, im EDV-Bereich oder in kaufmännischen Berufen.
Viele Jains gehen nach Anbruch der Dunkelheit nicht mehr ins Freie, weil sie unbeabsichtigt auf ein Insekt treten könnten. Ganz strenge Jain filtern sogar ihr Trinkwasser, um Kleinstlebewesen nicht zu verschlucken. Bei all diesen Bemühungen um das Leben scheint es daher auch nicht erstaunlich, wenn es in Delhi ein Vogelkrankenhaus gibt, natürlich von Jains ins Leben gerufen.
Was zeichnet den Jainismus außer seiner strikten Gewaltlosigkeit noch aus?
Wie entstand er und was sind seine Inhalte? Wo ist er verbreitet? Welche Feste und Praktiken kennt diese Religion und welche Verbindungen und Unterschiede gibt es zum Buddhismus und Hinduismus?
Der Jainismus ist eine Religion, die vor allem in Indien beheimatet ist und ihre Ursprünge im fünften Jahrhundert vor Christus hat. Heute gibt es in Indien rund fünf Millionen Anhänger, vor allem in dem indischen Staat Gujarat, und im Nordwesten des Landes. Aber auch in den USA, Europa und Afrika hat die Religion ihre Mitglieder. Er ist keine Gründerreligion, da der Jainismus sich nicht auf einen einzigen Propheten stützt, sondern hat einen menschlichen Ursprung. Es gibt keinen Schöpfergott, dafür aber die immerwährende Ordnung der Welt, die allerdings auch dem Wandel unterworfen ist. Universum und die Seele werden als ewig angesehen und haben somit kein Anfang und kein Ende.
Die Wegbereiter
Im Jainismus gibt es keine Propheten oder Götter wie bei anderen Religionen, sondern einzelne Jinas werden verehrt, die allwissend waren und den Kreislauf der Wiedergeburt durchbrochen haben. Jeder Mensch hat grundsätzlich das Potential, ein Jina zu werden. Der Jainismus kennt 24 Tirthankaras, auch Wegbereiter genannt. Dies sind Jinas, welche die religiöse Ordnung mit der Zeit weiter getragen und reformiert haben. Diese Tirthankaras haben selber den Geburtenkreislauf durchbrochen und das Nirvana erreicht. Damit stehen sie auf der höchsten Stufe der menschlichen Seele und sind für die Anhänger des Jainismus das höchste spirituelle Ziel. Leider ist die Quellenlage über die meisten Tirthankaras dürftig und so sehen viele Mahavira, den 24. Tirthankara als den „Gründer“ des Jainismus an. Dieser lebte um 599 vor Christus. Andere wiederum sehen in ihm lediglich den Reformer der Religion.
Die Wurzeln des Jainismus und seine Grundprinzipien
Jainismus und Buddhismus haben ihre Wurzeln im Brahmanismus, der Vorgängerreligion des Hinduismus. Sowohl Hinduismus, als auch Buddhismus und Jainismus verfolgen die Karma-Lehre, glauben also an die Wiedergeburt und die Erlösung aus diesem Kreislauf mit dem Eintreten ins Nirvana. Der Buddhismus und der Jainismus sind überdies auch atheistische Religionen und entstanden letztlich als Protestbewegung gegen die Priesterklasse des Hinduismus. Unterschiede bei allen drei Religionen zeigen sich allerdings bei der Wiedergeburt. Während es im Buddhismus keine den Tod überdauernde Seele gibt, ist sie im Hinduismus ewig, genauso wie im Jainismus. Die Karma Lehre des Jainismus ist allerdings wesentlich komplexer. Die Seele ist hier anhaftbar und kann so genannte Karma-Partikel anhäufen. Die Befreiung vom eigenen Karma und letzen Endes der Befreiung von der Wiedergeburt geschieht durch Bemühungen des Menschen in Form von Askese und einer sittlichen Lebensweise.
Der Jainismus kennt neben den schon eingangs beschriebenen Prinzip des Ahimsa noch weitere ethische Grundprinzipen: Satya – Wahrhaftigkeit, Asteya – Ehrlichkeit, Brahmacharya – Keuschheit und Aparigraha – nicht weltlichem Besitz verhaftet sein. All diese ethischen Prinzipien gehören zu einem der „drei Edelsteine“ (Triratna) des Jain-Weges.
Die weiteren Edelsteine oder Juwelen sind: Samyak-Darshan – rechte Erkenntnis und rechter Glaube, Samyak-Jnana – rechtes Wissen und Samyak-Charitra – rechte Lebensweise. Diese drei Juwelen sollen dem Menschen den Weg zur Erlösung vom Geburtenzyklus weisen. Wobei die Befolgung dieser ganzen Grundprinzipien je nach Gläubigkeit variiert.
In schriftlicher Form ist die Jain Philosophie im Tattvartha Sutra fixiert. Weitere Texte finden sich im Jain-Kanon, der 60 Texte beeinhaltet und in weiteren Schriften. Heute kennt der Jainismus zwei Strömungen: Shvetambara, die Weißgekleideten und die Digambaras, die gar keine Kleidung tragen. Diese Regeln bestehen für die Mönche der jeweiligen Richtungen.
Feste und Praktiken des Jainismus
Neben dem täglichen Beten, allerdings meist nur praktiziert von frommen Jains, gibt es im Jainismus eine Vielzahl von Ritualen und Festen. Die wichtigsten seien hier kurz erwähnt:
Paryushan Parva ist das wichtigste Fest der Jains. Es findet in der Monsunzeit statt. Bei diesem Fest das acht bis zehn Tage dauert, wenden sich die Gläubigen wieder verstärkt ihrer Religion zu. Dabei sollen viele Rituale sie wieder näher an ihre Seele bringen.
Ein weiteres wichtiges Fest der Jains ist Mahamastakabisheka. Dieses findet nur alle 12 Jahre statt. Im Laufe dieser Feier wird die Statue des Gommateshwara einem rituellen und heiligen Bad unterzogen. An Mahavir Jayanti wird der Geburtstag des 24. Tirthanakara, Mahavira gefeiert.
Dies sollte nun ein kurzer Abriss über das Wesen des Jainismus sein, indem Praktiken, Grundsätze und Lebensweisen gezeigt werden. Da diese Religion allerdings sehr komplex ist, kann dieser Abriss keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben.