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Fr., 27. Dezember, 2024
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Vom Versuch in Neu Delhi ein Zugticket zu erstehen

(mg) Neu Delhi. 10 Uhr morgens, Karol Bagh, Neu Delhi: ich wache in meinem, für mein Budget viel zu teurem, Hotel auf. Verschlafen gucke ich aus dem Fenster, sehe die aufgerissene Straße, viel Smog und eine Baustelle und ich weiß, ich muss langsam raus aus Delhi. Nach einer Dusche und einem Müsliriegel als Frühstück laufe ich energiegeladen die Treppen hinunter, da grinst mich schon der Boss des Hotels an, wahrscheinlich weil er weiß, dass ich viel zu viel bezahle und mir aus meiner europäischen Bequemlichkeit und Verzweiflung heraus dieses Zimmer habe aufschwatzen lassen und das auch noch in einem gefälschten Büro von „Incredible India“. Aber was tut man nicht alles, wenn man müde, hungrig durchgeschwitzt und verzweifelt ist?

Als echter Rucksacktourist verzichte ich natürlich aufs Taxi und möchte mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren. Kaum setze ich einen Fuß auf die Straße, schon kommen fünf Rikschafahrer auf mich zu, die mich liebend gern zu einem Touristenhotspot transportieren möchten, natürlich super günstig und mit einigen Stopps in Restaurants und Schmuckläden. Nicht mit mir, ich fahre Metro! Und ich bekomme eine Rikschafahrt für 100 Rupees zur nächsten Metrostation angeboten, die angeblich sehr weit weg ist. Auch nicht mit mir, ich weiß bereits, dass die Metrostation nur etwa 300 m entfernt liegt und ich keinesfalls 100 Rupeesn, nicht einmal 50 Rupees dafür ausgeben werde. Es kostet mich weiter zehn Minuten die Jungs abzuwimmeln und ich bin jetzt schon genervt, es ist gerade mal 11 Uhr.
Nach einer superbequemen Fahrt mit der modernen Metro, die wahrscheinlich günstiger und weniger nervenaufreibend als die Rikschafahrt gewesen ist, komme ich an der New Delhi Railway Station an. Ich sehe nur noch Menschen, Rikschas und Mopeds. Der Bahnhof ist in einem Riesenumbau und sieht aus, wie eine einzige Baustelle, orientierungslos laufe ich auf dem Vorplatz herum und überlege, welchen Weg ich nehmen soll. Mein Reiseführer, den ich fest umklammere, enttarnt mich eindeutig als Delhi-Neuling und so bin ich ein gefundenes Fressen für Leute, die mit Touristen ihr Geld verdienen. Ich nehme natürlich die falsche Richtung, nämlich die, die zu den Plattformen führt. Plötzlich packt mich ein Mann am Arm, zeigt mir seinen Ausweis von Indian Railways und ermahnt mich nicht weiter zu gehen, da man ein Ticket braucht um diesen Bereich zu betreten.
Ich verneine. Er führt mich auf den Bahnhofsvorplatz und überlässt mich einem seiner „Mitarbeiter“. Ich bin skeptisch. Aber auch er hat einen Ausweis von Indian Railways und so glaube ich ihm. Er ist sehr freundlich erzählt mir in sehr gutem Englisch, dass im Moment hier alles umgebaut wird und die Schalter, an denen Tickets verkauft werden, ausgelagert wurden. Auch das glaube ich ihm und sitze fünf Minuten später in einem klimatisierten Büro einer Reiseagentur, das ist definitiv nicht der Bahnhofsschalter. Ich bin erschüttert über die falschen Mitarbeiter der Indian Railways. Ich habe erstmal genug von diesem Bahnhof und entscheide mich das „Incredible India“ Büro aufzusuchen, die können mir bestimmt sagen, wo genau ich den Schalter zum Ticketverkauf finden kann!
Ich steige in eine Rikscha und erkläre dem Fahrer, wo ich hin möchte. „The Office is closed. I know another good place for information.“ Nein nicht mit mir, da falle ich nicht drauf rein! Der Mann sieht mir an, dass ich es ernst meine und plötzlich ist angeblich sein Tank leer und er bittet mich auszusteigen. Der Grund liegt auf der Hand. Meine Wut wächst immer weiter, ich beschließe zu laufen. Nur noch ein paar Schritte, dann bin ich da. Ein Mann läuft zum Touristenbüro, schließt das Tor und stellt sich davor. Ruckzuck fängt er mich ab und sagt, ich müsse den Hintereingang benutzen, die Türen gehen nicht. Ich weiß, dass auch er mich veräppeln will, denn ich kann Touristen und Mitarbeiter in dem Büro erkennen. Ich schiebe ihn zur Seite und stehe endlich an einer verlässlichen Anlaufstelle. Ein netter Mann namens Narayan nimmt mich in Empfang und erklärt mir genau, wie ich an den Schalter am Bahnhofe gelange. Dann bekomme ich noch ein paar Broschüren und hilfreiche Infos und verlasse glücklich das Gebäude.
Wieder am Bahnhof gehe ich zielstrebig den Weg in die Bahnhofshalle und will die Treppen hinauf. Schon wieder ein „Mitarbeiter“ von Indian Railways, diesmal in Uniform. Er drängt mich zurück und verbietet mir die Treppen hinaufzugehen. Ich versuche mich durchzukämpfen, aber er lässt mich nicht! Erneut koche ich vor Wut und verfluche alle Betrüger auf diesem Bahnhof. Ich entdecke einen jungen Mann und bitte ihn um Hilfe. Er erkennt meine Notlage und bringt mich zum Schalter – endlich. Ich bin ihm unendlich dankbar und froh, dass es auch solche Menschen gibt. 15 Uhr und ich halte glücklich und zufrieden, aber entnervt mein Ticket nach Agra in den Händen. Auf dem Bahnhofsvorplatz sehe ich schon die nächsten Opfer aus Europa. Ich erkläre ihnen den Weg zum richtigen Schalter und grinse den Mann an, der mit seinem gefälschten Ausweis neben mir steht an.
Über die Autorin: Marléne Görtler bereiste im Jahre 2010 Indien für theinder.net mit einem Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) und berichtet von ihren Erlebnissen auf dem Subkontinent.
Marléne Görtler
Marléne Görtler
Marléne Görtler bereiste Indien 2010 für theinder.net mit einem Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) und berichtete von ihren Erlebnissen auf dem Subkontinent.

3 Kommentare

  1. schöne geschichte, die anscheinend ja wirklich so abgelaufen ist. dem rikshafahrer als europäer ein paar euro mehr zu geben, finde ich in ordnung. die jungs kämpfen ums überleben und sind arm.

  2. oops da scheint wohl jemand sich ziemlich europäisch verhalten zu haben,nicht jeder Inder will die "Goras" verarschen,aber als Weisser ist man nun das Opfer wie man hier als Ausländer auch "meistens" das Opfer ist…At least u got ur ticket…

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