(mn) … war wohl das inoffizielle Motto der Eröffnung zum 9. Indischen Filmfestival Stuttgart. Und das in vielerlei Hinsicht. theinder.net war bei der Eröffnungsveranstaltung dabei – und hat dabei den Glanz und Glamour hautnah miterlebt. Alle Jahre wieder – ein Stück Bollywood im Schwabenländle.
Das größte europäische Festival indischer Filme ist wieder zurück ins Herz der Stadt Stuttgart gezogen. In den Vorjahren fand es im SI-Zentrum statt. Jetzt, nach drei Jahren Abstinenz, wurden die Gäste wieder vor dem Metropol im Stadtinneren in festlicher Stimmung und mit angenehmen, sommerlichen Temperaturen auf dem roten Teppich empfangen. Ein Heimspiel also – ohne jedoch auf Glanz und Glamour hochkarätiger Gäste aus Indien zu verzichten. Alle Augen richteten sich auf die bereits vom Filmstudio angekündigte Suhasini Maniratnam als auch auf die indische Botschafterin Sujatha Singh, Schauspielerin Tannishtha Chatterjee, den Regisseur Mangesh Hadawale und Schauspieler Nawazuddin Siddiqui. Dieses Jahr auch wieder mit von der Partie – Oberbürgermeister Dr. Wolfgang Schuster, der zum Ehrenmitglied des Filmbüros Baden-Württemberg ernannt wurde.
Zum anderen traf auch der Eröffnungsfilm „Dekh Indian Circus“ mitten in die Herzen der Gäste. Nach der Begrüßung des Festivalleiters Oliver Mahn, einer unterhaltsamen Ansprache durch Hauptsponsor Andreas Lapp und einer kurzen Rede von Sujatha Singh wurden die Zuschauer in die sandige Dorflandschaft Rajasthans entführt. Hier nahmen sie am Alltagsleben einer 4-köpfigen Familie teil, ihrer äußeren Armut und ihrem inneren Reichtum – den Hoffnungen, Wünschen, der Liebe, aber auch den Entbehrungen, Enttäuschungen und Albträumen.
Mitten im Zirkus des Lebens wünschen sich die beiden Kinder Ghumroo (Virendra Singh Rathod) und Panni (Suhani Oza) nichts sehnlicher, als in einen Zirkus zu gehen. Dies kreiert ein kleines Dilemma für die Eltern – dem stummen Vater Jethu (wunderbar dargestellt von Nawazuddin Siddiqui) und der Mutter Kajaro (ebenso exzellent gespielt von Tannishtha Chatterjee), die sich ihrerseits nichts sehnlicher wünschen, als ihren Kindern eine bessere Zukunft zu ermöglichen, indem sie das hart erarbeitete, spärliche Geld für die Schulausbildung sparen. Der Herzenswunsch der Kinder jedoch erweicht das Herz von Kajaro und Jethu und so wird beschlossen, dass die Familie in den Zirkus geht. Nach einigen Hindernissen und Widrigkeiten schaffen sie es tatsächlich, doch wird es ganz anders, als sie es sich vorgestellt hatten …
Die Zerrissenheit, die überall in dieser Welt zu finden ist – ob in der einzelnen Person, der Familie, dem Dorf, der Nation oder auf der ganzen Erde – wird wunderbar illustriert durch eine überbordende Symbolik und Bildsprache im Film. Sei es die vielen verschiedenen, kleinen und großen Wünsche der Charaktere, die vielen Parteien, die mit falschen Versprechungen um die Gunst der Wähler buhlen, die vielen Flaggen, das viele, falsch verteilte Geld, die kleinen Dinge, um die gestritten wird – ein Hut, ein Lippenstift, Kronkorken, ein Welpe, ein Zirkusticket, … – oder das Zerreißen eines Zirkusflyers, der der kleinen Panni so am Herzen liegt … Was zum Schluss eint, ist die Tiranga – die indische Flagge, die sehr viel mehr bedeutet als bloßer Nationalpatriotismus oder unerfüllte Hoffnung. Der Regisseur Mangesh Hadawale hat hier das Potential auf Frieden und einen die Menschen vereinenden Geist hineingesteckt, was jedoch nicht durch große Reden, dicke Autos oder dem Ausfüllen von Stimmzetteln entfaltet wird. Ja, nicht einmal durch starke Helden und kitschige Hollywood-, bzw. Bollywood-Ästhetik. Das Potential steckt da, wo man es nicht erwartet: in den kleinen Dingen und wirkt fast unbemerkt (passenderweise ist der Vater – gerade das Familienmitglied, das traditionellerweise das Sagen hat – stumm und kann sich nur mit Gestiken und Mimiken ausdrücken.) Es ist in einem Stück Stoff, in einer Träne, in einem Lächeln, in ehrlichen Worten. Im Mikrokosmos des persönlichen Schicksals jedes Menschen.
Dieser vielschichtige, symbolreiche und berührende Film hat bei manchen Zuschauern die ein oder andere Träne entlockt. Ob aus Traurigkeit oder Freude? Das kann nur jeder für sich beantworten. Schließlich werden auch im Film die Tränen der Mutter von Ghumroo missverstanden …
Etliche Fragen wurden nach der Vorstellungen den Hauptdarstellern und dem Regisseur auf der Bühne gestellt.
Gefühlvoll ging es auch in der Aftershow-Party weiter. Der Star des Vorjahres – der Grieche Sakis, der sich mit Bollywoodhits mühelos in die Herzen der Zuhörer singt – begeisterte auch dieses Jahr wieder sein Publikum.
Alles in Allem ein gelungener Auftakt, der Vorfreude auf die kommenden Tage macht, die – wie gewohnt – mit einer reichen Auswahl an Filmen, Dokus, Tanzkursen und Tea Talks jeden Indien- und Filmbegeisterten beglücken werden.