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Wenn die Farbe fehlt, bleibt nur Schwarz-Weiß

Rasika Dugal spielt in „Kshay“
die Rolle der Chhaya.
Foto: (c) Empatheia Films
(mn) Und wenn das Geld fehlt, bleibt nur die eigene Kreativität, jede Menge Ausdauer und Leidenschaft. Dass man ersteres nicht unbedingt braucht, um einen Film von Weltklasse, höchstem künstlerischen Wert und fast durchgehend reifer, cineastischer Erscheinung zu machen, beweist uns Karan Gour, Regisseur, Drehbuchautor, Editor und Co-Produzent des Psychothrillers „Kshay“ (in etwa: zersetzen, rosten). Das ist der Segen des digitalen Zeitalters: Selbst mit geringem Budget bleibt einem der künstlerische Ausdruck auf hohem Niveau nicht verwehrt.
 
Kshay-Regisseur Karan Gour.
Foto: (c) Empatheia Films
Nun, da geht es Chhaya (der Hauptfigur im Film, dargestellt von Rasika Dugal, die hier ein fulminantes Schauspieldebut gibt) ein wenig anders. Ein kleines Budget nützt ihr nicht viel, als sie eines Tages eine überlebensgroße, unfertige Lakshmi-Skulptur in einem kleinen Laden eines Bildhauers entdeckt, sich auf den ersten Blick in sie verliebt und sie am liebsten sofort mitnehmen möchte. 15.000 Rupees trennen sie von ihrem Wunsch. Arvind, ihr Ehemann (Alekh Sangal), verspricht ihr trotz schlecht bezahltem Job die Statue zu kaufen, sobald er seine Auszahlung für die Fertigstellung eines Gebäudes erhält. Von nun an sieht Chhaya Lakshmi überall: als Aufkleber an den Schränkchen der Marktverkäufer, auf Einkaufstaschen, an der Kette ihrer Nachbarin, ja sie fängt sogar an, Lakshmi an die Küchenwand zu zeichnen. Den Hintergrund von Chhayas zunehmender Lakshmi-Besessenheit erfährt man, als die Nachbarin ihr von einer Frau erzählt, die ein Kind bekam, nachdem sie zur Göttin Lakshmi betete. Auch Chhaya hatte eine Fehlgeburt gehabt.
Doch plötzlich stockt alles. Die überdimensionale Lakshmi-Zeichnung an der Küchenwand wird nicht fertig – Chhaya hatte nicht vorgezeichnet und ist nun schon an der Decke angelangt, bevor sie den Kopf zeichnen kann. Parallel dazu kündigt Arvind seinen Job und erhält sein Geld nicht. Er nimmt einen neuen Job in der Textilindustrie an und verreist. Auf sich selbst gestellt und mit ihrer Enttäuschung allein gelassen, findet ihre Besessenheit einen reichen Nährboden, um sich wie ein Virus in ihr und sogar noch darüber hinaus zu verbreiten…
In diesem Film bleibt alles in der Zahl Zwei stecken, im Unfertigen. Chhaya und Arvind haben einander, aber keinen Reichtum. Auch der Kinderwunsch bleibt unerfüllt. Die Zeichnung wird nicht fertig gestellt, das Gebäude nicht zu Ende gebaut. Selbst die Lakshmi-Statue ist unvollendet. Und nicht zuletzt unterstreicht die Schwarz-Weiß-Optik des Films noch zusätzlich die Dualität. Mehr als Schwarz-Weiß hat in Chhayas Leben auch keinen Platz. Mehr hat auch manchmal in unserem Leben keinen Platz. So kann man diesen symbolreichen Kunstfilm durchaus auch als Gesellschaftskritik verstehen.
Yogesh Karikurve nahm stellvertretend
den GSOI-Award entgegen.
Foto: (c) Frank von zur Gathen
Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb „Kshay“ in seinem Entstehungsland Indien keine besondere Resonanz erhält, während er auf der internationalen Bühne durchweg gute Kritiken und Preise einheimst, wie auf dem Indian Film Festival of Los Angeles, dem South Asian International Film Festival in New York oder erst kürzlich beim Indischen Filmfestival in Stuttgart. Nun, er ist sicher nichts, was man an „Independent“ aus Indien kennt. Umso besser, wird sich jeder denken, der ihn sich zu Gemüte führt und erkennt, dass hier eine neue Tür für indische Low Budget Aspirationen geöffnet wird. Wir dürfen gespannt sein auf Karan Gours zukünftige Projekte. Ebenso auf Rasika Dugal, die es versteht, ihrem Filmcharakter Tiefe zu verleihen und den Zuschauer gerade weit genug in eine von Manie und Aberglauben zerfressene Seele Einblick zu gewähren. Mehr als nur überzeugend!
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