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Diptesh Banerjee hat sich über Sebastian Edathy Gedanken gemacht, der womöglich Opfer einer rassistischen Kampagne geworden sein könnte. Banerjee spricht im folgenden Kommentar über eine „völkische Grundhaltung“ der CDU/CSU. Der Inhalt dieses Artikels spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wieder.
Hans-Peter Friedrich und Islamfeindlichkeit als politische Waffe
Im Zuge der Wirtschaftskrise sind vergangene Wesenszüge nationalsozialistischer Ideale, welche in der postmodernen Neuzeit bisher am rechten Rand sozialer Abgrundtiefen ein unbedeutendes Dasein fristeten, nun vollends in die gesellschaftliche Mitte gerückt. So finden demagogische Reden plakativer Rhetorik der AfD und anderer rechtspopulistischer Parteien bundesweit einen immer größeren Zuspruch. Wie einst die Nazis mit Hetzparolen gegen Juden ihre Machtansprüche manifestierte, wurden im aktuellen Zeitgeist neuofaschistischer Beweggründe neben Jürgen Rüttgers „Kinder statt Inder“-Kapagne von Vertretern großer Volksparteien verstärkt Islamfeindlichkeit als politische Waffe instrumentalisiert. Die vom damaligen Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich 2012 aus der Taufe gehobene umstrittene Plakataktion „Vermißt“, für welche er laut SPIEGEL aus den eigenen Reihen der CDU kritisiert worden war, lichtete beispielsweise Frauen mit Kopftüchern und junge Migranten ab, die radikalisierende religiöse Grundhaltungen annahmen und abtauchten. Dadurch wurde das öffentliche Meinungsbild gegenüber Menschen mit Migrationshintergründen gezielt negativ geprägt, bis CDU-Politiker Ruprecht Polenz den Abbruch der Kampagne einforderte.
So bestimmt die „Deutsch“ Deutsche Mehrheitsgesellschaft sowohl über Medien als auch von der politischen Bühne herab dominierend das Bild von Menschen mit Migrationshintergründen, während Deutsche mit ausländischen Herkunftswurzeln im Bundestag rar bleiben. Mit den jüngsten Enthüllungen der Morde gegen türkischstämmige Mitbürger liegt nun die Schlußfolgerung nicht fern, dass der Widerstand gegen die neudeutsche Minderheit stark zugenommen hat.
Strafrechtexpertin Monika Frommel: „Verfassungs -und rechtswidriger Umgang mit Sebastian Edathy“
So auch gegen den SPD Politiker Sebastian Edathy, welcher mit Joseph Winkler einen der zwei einzigen Bundestagsabgeordneten mit indischen Wurzeln verkörpert und laut seinen Facebook Beiträgen schon desöfteren das Ziel rassistischer Droh-Mails geworden ist. Bis zur jüngsten Vergangenheit bekleidete Edathy das Amt des Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses jener Tötungsdelikte, bei welcher zehn Menschen türkischer Herkunft ihr Leben lassen mussten und erwarb hohes Ansehen. Mitunter sprach er über die Fehler des Geheimdienstes, regte zu neuen Überwachungsstrategien rechter Gruppierungen an und ließ laut dem Hörfunksender „Deutschlandradio“ im Rahmen der Debatte um die Möglichkeit des Verbotes einer extremistischen Partei verlauten, den „Kampf gegen Rechtsextremismus“ nicht auf ein solches Verbot zu reduzieren. „Er ist bestimmten Leuten auf die Füße getreten“, bemerkte ein Internet-User auf Edathys Fanseite im sozialen Netzwerk Facebook im Rahmen einer Diskussion über den aktuellen Vorwurf der Kinderpornographie gegen den Politiker.
Den ersten Presseberichten zufolge sollte hierbei ausgerechnet der ehemalige Innenminister und kürzlich zurückgetretene Agrarminister Hans-Peter Friedrich dem Aufklärer fremdenfeindlich ambitionierter Morde gewarnt haben, dass im Zusammenhang der Operation „Spade“ in Kanada gegen einen internationalen Kinderporno-Ring auch Hinweise auf den Indo-Deutschen fiel. Doch eine solche Warnung dürfte kaum zu Friedrichs rechter Grundhaltung passen. Dieser beteuert nun, keine genauen Kenntnisse über die Ermittlungen gegen Edathy besessen zu haben. Im Zusammenhang mit der Beschaffung eingehender Informationen über Edathys Fall soll Friedrich das Gespräch mit dem Koalitionspartner aufgesucht und lediglich nur Bescheid gewußt haben, dass die Staatsanwaltanschaft gegen Edathy vorgehe. Unklar bleibt, ob der CSU-Politiker auch wirklich unwissend und unschuldig ist. Zumindest findet durch eine wahre oder auch vorgespielte Unwissenheit ein späterer Verdachtsmoment, dass Friedrich den Indodeutschen Bundestagsabgeordneten bewußt belastet haben könnte, keinerlei fruchtbaren Nährboden in einer öden Landschaft fragwürdiger Denk -und Handlungsweisen. Hat also Hans-Peter Friedrich den indischstämmigen Abgeordneten mit boshafter Absicht belastet?
Die Strafrechtexpertin Monika Frommel sprach im Rahmen eines Interviews mit dem Radiosender „Deutschlandfunk“ von einem „verfassungs -und rechtswidrigem“ Umgang mit Sebastian Edathy. Stecken möglicherweise die gesamte Führung der CDU/CSU und der SPD, aus welcher die umstrittene politische Gestalt des Thilo Sarazins hervorging, mit der Staatsanwaltschaft, die eine unrechtmäßige Durchsuchung der Arbeits- und Wohnräume Edathys ohne strafrechtlichen Hintergrund durchführte, unter einer Decke? In diesem Zusammenhang bleibt der Hinweis des Kopp Verlages, dass der Immunitätsausschuss nicht eingeschaltet wurde, um Edathy vor der Öffentlichkeit zu schützen, nicht uninteressant. So konnten umstrittene Informationen gegen Edathy nämlich erst verbreitet werden. Handelt es sich bei der Aktion um einen gezielten Angriff auf Edathy? Die zerstörte Festplatte in der Wohnung des Abgeordneten führt zu weiteren Rätseln. Aus welchen Gründen entsorgte Edathy nicht den gesamten Rechner? Zumindest funktioniert die beschädigte Speichereinheit in der breiten Öffentlichkeit auf hervorrangende Weise als dramatisches Symbol für Edathys Versuch einer möglichen Vertuschungsaktion. Der Beweis bleibt offen, während der Rechtsruck in Deutschland deutlich spürbar wird und keine lauten Exoten duldet, welche mit Nachdruck neofaschistische Grundzüge der Politik angreifen und mit großem Applaus bedacht werden.
Handelsblatt: „Es ist eine Schweinerei, was sie mit Dir machen“
Der Wunsch nach einem Rücktritt Edathys wäre keine neue Intention deutschnationaler Seelenmotive. Nachdem im Zusammenhang mit der Ausgestaltung des Deutschen Staatsbürgerschaftsrechts mehrere Unionspolitiker für die Wiedereinführung des Abstammungsprinzips (lateinisch ius sanguinis) ausgesprochen hatten, erklärte der Inder im August 2008 im Rahmen eines Interviews mit der Zeitung „Die Welt“, dass die CDU von „Biologismus und völkischem Idealismus“ geprägt sei, woraufhin die CDU Politikerin Kristina Schröder der Rücktritt Edathys als Vorsitzender des Innenausschusses forderte. Zugleich erhielt SPD-Fraktionschef Peter Struck ein Protestschreiben der CDU. Der fleißige indischstämmige Politker, welchem durch sein fortwährendes Engagement große öffentliche Aufmerksamkeit und Achtung zuteil wurde, ist nun politisch und privat schwer belastet. Edathy, welcher laut SPIEGEL „nach der Bundestagswahl nur noch einfacher Abgeordneter war“, obwohl er als Vorsitzender für den Untersuchungsausschuß der Morde gegen türkischstämmige Mitbürger internationale Anerkennung genoß, legte nun sein Bundestagsmandat nieder und hält sich derzeit im Ausland auf.
„Es ist eine Schweinerei, was sie mit Dir machen“ betitelte das Handelsblatt eine Schlagzeile, welche die unterstützende Stimme der – nach wie vor- großen Anhängerschaft des SPD-Spitzenpolitikers wiedergibt. Ein Politiker, der gegenwärtig in einer offensichtlich gesundheitlichen schlechten Verfassung unter dem Druck der Öffentlichkeit leidet, den Ruf eines seriösen Politikers zu verlieren. Während auf der Facebook Fanseite Edathys Anhängerschaft den MdB Genesungswünsche und Kraft wünschen, wird in der Presseöffentlichkeit sein gesundheitlicher Zustand als vermeintliche Ausrede für seinen Rücktritt behandelt. Somit nimmt die Möglichkeit, dass eine ausgeklügelte Kampagne gegen den Poltiker vorliegt, fassbare Formen an. Ferner dürfte sich der Vorwurf der Kinderpornographie gegen einen indischstämmigen Politiker in Verbindung mit der Berichterstattung über die Vergewaltigungsfälle in Indien besonders auf die Tourismusbranche auf dem Subkontinent eindeutig unvorteilhaft auswirken, während laut einer im Fachmagazin „Lancet“ veröffentlichten Studie „jede 14. Frau weltweit Opfer von sexueller Gewalt wird“ und die niedrigste Rate aus Indien und Bangladesh mit 3,3 % gemeldet wurde.
Politikwissenschaftler Samuel P. Huntington beschreibt in seinem Werk „Kampf der Kulturen“, dass die Welt der „bipolaren Konflikte“ des „kalten Krieges“ durch eine globalisierte kapitalistische Welt der „multipolaren Konflikte“ abgelöst wurde, der Zusammenschluß westlicher Staaten keine besondere machtpolitische Position mehr einnehme und als eine von vielen Völkergemeinschaften sich nun gegen neue aufstrebende Großmächte wie Indien behaupten müsse. So wird die politisch rechte Orientierung der Deutschen Gesellschaft zu einer erklärbaren Wirklichkeit.