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Indien: Größter Urnengang der Welt

(bc) Die Parlamentswahlen in Indien entpuppten sich als größter Urnengang der Welt. Etwa 815 Millionen indische Bürger waren wahlberechtigt und wählten vom 7. April bis 12. Mai 2014 ihr neues Parlament. Am Ende machte die BJP mit ihrem Anführer Narendra Modi (64) mehr als deutlich das Rennen.

Nach dem relativen Mehrheitswahlrecht wurden 543 Abgeordnete in Einzelwahlreisen gewählt. Nachdem der bisherige Regierungschef Manmohan Singh (81) erklärte, dass er nicht mehr für eine weitere Amtszeit kandidieren werde, führte der fast halb so alte Rahul Gandhi (43), Sohn des ehemaligen Premierministers Rajiv Gandhi, den Wahlkampf der Kongresspartei.
Narendra Modi wurde von der nationalistischen Bharata Janata Party (BJP) aufgestellt. Die BJP ist Teil der Fraktion „National Democratic Alliance“ (NDA), die im Parlament der „United Progressive Alliance“ (UPA), der unter anderem die Kongresspartei angehört, gegenüber steht. Schnell wurde daher klar, dass der Posten des Premierministers letztlich entweder an Rahul Gandhi oder Narendra Modi vergeben würde.
Während Gandhi aufgrund seines jungen Alters noch als Hoffnungsträger gefeiert wurde, wirkte er in öffentlichen Auftritten, insbesondere im Fernsehinterview „Frankly Speaking“ mit Arnab Goswami eher blass, uneindeutig und reagierte auf kritische Fragen ausweichend und dünnhäutig. Auch Modi bekleckerte sich aufgrund seiner Vergangenheit als Regierungschef in Gujarat im Zuge religiöser Auseinandersetzungen im Jahre 2002 nicht mit Ruhm; darüber hinaus wurde ihm 2005 von den USA ein Einreiseverbot erteilt. Besonders die muslimische Bevölkerung Indiens hatte Sorge, dass sie unter Modis Führung womöglich Nachteile hätte. Befürworter Modis attestierten ihm jedoch wirtschaftliche Kompetenz.

Foto: (c) N. de Mimsy-Porpington, Naveenpf
Die Stimmenauszählung am 16. Mai 2014 zeigte dennoch einen eindeutigen Sieg für die BJP, die 31,0 % der Stimmenanteile für sich verbuchte und damit 12,2 % im Gegensatz zur letzten Wahl 2009 zulegte. Die Kongresspartei erlebte die größte Wahlniederlage ihrer Geschichte und verlor 9,3 % und landete insgesamt bei 19,3 % der Gesamtstimmen. Medien berichteten von einer hohen Wahlbeteiligung der Bevölkerung, die bei 66,4% lag. Diejenigen Bürger, die gewählt hatten, erhielten eine Markierung ihres Zeigefingers mit Tinte (Foto) und zeigten sich stolz auf Fotos von Social Media Netzwerken. Ein Indiz zunehmends junger Wähler dafür aktiv etwas bewirken und verändern zu wollen.
Die neue Regierung unter ihrem Premier Narendra Modi wird sich zahlreichen Herausforderungen stellen müssen. Das weltweit bewunderte indische Wirtschaftswachstum von 8 % ist im letzten Jahr auf weniger als 5 % gesunken. Die Lebensmittelpreise sind im Allgemeinen gestiegen, und dies gilt nicht nur für Zwiebeln, über die allein es unzählige Medienberichte gibt.
Es gilt nach wie vor die Infrastruktur im Land zu verbessern und die Effizienz der Bürokratie zu steigern. Die damalige Regierung von Manmohan Singh musste sich viel Kritik in Zusammenhang mit Korruptionsskandalen gefallen lassen, z.B. bei der Vergabe von Mobilfunklizenzen im Jahr 2010. Korruption bleibt der wohl größte Hemmschuh für die Fortschrittlichkeit in Indien und ist nach wie vor omnipräsent.
Wenn Modi auch zugetraut wird, die Wirtschaft im Lande wieder anzukurbeln, dürfte Religion das kontroverseste Thema werden. Die hindunationalistische BJP, die im Rahmen der NDA-Allianz auch mit der radikalen Shiv Sena zusammenarbeitet, vermied im Wahlkampf bewusst Hindutva-Themen, z.B. im Zusammenhang mit Ayodhya, zumal Modi im Verdacht stand an anti-muslimischen Pogromen in Gujarat im Jahr 2002 beteiligt gewesen zu sein. Es wird schon von daher unmöglich für die neue Regierung mit einer weißen Weste anzutreten und dem Druck der einflussreichen Shiv Sena standzuhalten.
Modi wird sich auch am Thema Schutz der Frauen in Indien messen lassen. Hier ist die Frage wie indische Behörden, insbesondere die Polizei mit der Prävention von Gewalt und der Bearbeitung von Vergewaltigungsfällen umgehen wird. Insbesondere bei Indiens weiblicher Bevölkerung herrscht nach wie vor Angst sich allein auf der Straße bewegen zu können ohne möglicherweise Opfer einer Gewalttat zu werden.
Die Neubildung des Bundestaates Telangana wird von Modi begrüßt, wenn auch die BJP im regionalen Parlament keine Rolle spielt. Dennoch wird die neue Regierung vermehrt mit Separationsforderungen anderer Volks- und Sprachgruppen in Indien zu tun haben.
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