(bc) Diptesh Banerjee (40) wuchs als Sohn indischer Einwanderer, die aus Kolkata nach Deutschland kamen, in den Betonsilos von Ratingen-West auf. Dort kam er bereits früh mit deutschem Hiphop in Berührung und ist ihm bis heute treu geblieben. Diptesh nennt sich selbst „Rapper mit Herz“ und trägt dies in seinen Texten weiter. In der deutsch-indischen Community genießt er bereits einen großen Bekanntheitsgrad, auch wenn er dort für seine Texte und Extrovertiertheit gleichermaßen gelobt wie kritisiert wird.
Einem breiten Publikum wurde Diptesh vor nicht langer Zeit bekannt durch seinen Auftritt bei „Deutschland sucht den Superstar“. Die Jury um Dieter Bohlen schien sichtlich beeindruckt von den Fähigkeiten des Rappers, für den Einzug in die Finalrunde reichte es dennoch nicht. Fortan nutzt Diptesh daher die gewonnene Medienpräsenz und macht damit Werbung in eigener Sache. Erstmals lernte ich Diptesh im Jahre 1999 kennen. Der Kontakt blieb seitdem bestehen, ich bin neugierig, was sich seit DSDS verändert hat.
Diptesh, nach langer Zeit seit unserem letzten Gespräch wollen wir nachhaken, was sich bei Dir tut. Wie kommt es, dass Du seit mehr als 15 Jahren noch immer mit Deinen Rap-Texten in der Community präsent bist?
Hi Bijon, meine große Präsenz liegt daran, dass ich die Community einfach inspiriere. Ich setze Umstände eben nicht als gegeben voraus, sondern forme sie aktiv. Das macht Eindruck. Ich drücke mich aus und mein Ausdruck drückt sich ins kollektive Gedächtnis ein. Zapp! Ich drücke der Gesellschaft meinen Stempel auf. Ganz einfach. So bin ich eine Impression und graviere meinen Namen überall ein. Alles im Sinne des Hip Hops. Ganz so wie es Afrika Bambaata wollte. Mit Herz, Liebe und Leidenschaft. Fern von Drogen, Gewalt und den ganzen negativen Gangster-Schwachsinn! Ich graviere meinen Namen in die Herzen aller Menschen. Das Wort Graffiti entstammt dem griechischen Wort graphein und bedeutet „schreiben“. Jetzt pass auf: Genau so wie ein Writer mit seinem Edding überall seinen Namen hinterläßt, verbreite ich meinen Namen als Rapper. Mein Weg ist der Pfad des Künstlers. Der Künstler, der die Welt als poetischer Ingenieur nach seinen Vorstellungen gestaltet. Poesie enstammt dem griechischen Wort „poiesis“ und bedeutet „erschaffen“. Ingenieur geht aus dem Begriff Genius hervor. Das Genie erschafft die Welt. Wir Künstler sind Schöpfer. Ich bin also das schöpferische Genie und forme die Welt. Musik ist hierbei Fluch und Segen zugleich. Hast Du einmal Deinen Geist geöffnet und das Wissen, das Du in Büchern findest, künstlerisch weitergesponnen, wirst Du im Netz Deiner eigenen Ingenieurkunst gefangen sein. Der Weg des Künstlers, der in die eigene Seele hineinführt, bleibt immer eine Einbahnstraße. Daher warne ich alle, die diesen Weg zu gehen trachten: Wollt ihr das wirklich? (lacht)
Deine philosophische Ader scheint mir besonders ausgeprägt. Doch lass uns mal über „Deutschland sucht den Superstar“ sprechen. Vor einiger Zeit hattest Du bei DSDS einen TV-Auftritt. Ich war überrascht, da ich Dich nicht in der Welt des Mainstreams erwartet hätte. Hast Du Dich in den vielen Jahren verändert oder war der Auftritt gut für die PR, um einen Karriereschub zu machen?
Eine wirklich gute und auch berechtigte Frage. Ich habe mich ja schließlich immer als „Real MC“ begriffen.
Deswegen meine Frage.
Nun, meine Biographie zeigt aber auch, dass ich mich durchwegs im Hörfunk und Fernsehen in Szene setzte und bei Deutschlands größtem Musikwettbewerb Fame ’96 unter 6.000 Bewerbern die Top 12 erreichte.
Das ist zwanzig Jahre her…
Ich bin es schon immer gewesen: Ein Kommerz-Rapper (lacht). Schon immer strebte ich den kommerziellen Erfolg an, aber ohne mich zu verändern. Ich bin ein Show-Mensch. Das ist einfach mein Naturell. Yo! Ich passe nicht in die engstirnige Vorstellungswelt der Underground Szenarie.
Gerade dem Underground hätte ich Freigeist zugeschrieben…
Okay, ich möchte die Szene nicht verurteilen, da sie wirklich viele großartige Künstler hervorbringen und es auch viele aktive Künstler in der Hip Hop Szene gibt, die mich supportet haben und noch immer supporten. Aber ich passe da einfach nicht rein. In der Musik existieren für mich keine Grenzen. Innerhalb der Gesellschaft gibt es sie, überall sind Hinweise wie z.B. „Betreten verboten“ angebracht, aber in der Musiklandschaft will ich frei sein. Mich frei und grenzenlos entfalten. Wie eine Lotusblume. Ohm! Ich erschaffe mein eigenes Universum. Ich bin ein Entertainer. Nenn‘ mich den Mick Jagger des Raps. Wenn Du auf der Bühne stehst, ist Charisma und Show einfach voraussetzend. Das erwartet die Crowd. Und all das ist DSDS. Ohne Grenzen. No Limits. Es handelt sich um das Format einer realen Show. Somit voll auf mich zugeschnitten. DSDS sucht Persönlichkeiten, keinen Einheitsbrei. Ich bin ein Rapper, der gerne für Selfies posiert, funky Rhymes komponiert, positive Botschaften vermittelt und sich bunt und auffällig kleidet. Ich bin ein verdammter Paradiesvogel. So ist es nun mal. Verbiete mir die Musik und ich fange mit den Ästen zu trommeln an. Das bin einfach ich.
Wir haben unterschiedliche Ansichten über DSDS, dennoch möchte ich mehr über Deinen Auftritt erfahren. Fakt ist, dass es erstmals jemand aus der deutsch-indischen Community geschafft hat, bei einer prominenten Castingshow auf dem Bildschirm zu sehen zu sein. Jeder, den den Auftritt gesehen hat, wird kaum bezweifeln, dass Du nicht alles gegeben hättest. Dennoch wirkte er für mich übermotiviert, Du wolltest Dein gesamtes Spektrum in kurzer Zeit zeigen. Dieter Bohlen sagte „Komm erstmal runter, werd ruhiger, dann wirst Du Erfolg haben“. Bleiben wir beim Rap: Ich bezweifle, dass alle Jurymitglieder fachlich kompetent genug waren, um Deutschrap qualitativ zu beurteilen. Weder HP Baxxter noch Dieter Bohlen sind gute Sänger, Rapper schon gar nicht. Das ändert nichts daran, dass sie mit Ihren Konzepten erfolgreich sind. Wurdest Du daher fair beurteilt?
Was Dieter Bohlen angeht, bin ich ihm sehr dankbar und nehme seine Ratschläge ernst. Er achtet auf jede Kleinigkeit und ich konnte mit meiner Teilnahme bei DSDS eine Menge lernen. Ansonsten bin ich dem Sender RTL sehr zum Dank verpflichtet, da ja bekanntlich nicht alle Künstler gezeigt werden und somit konnte ich auf einen Schlag in Deutschland, Österreich und der Schweiz meinen Fankreis erheblich erweitern. Wenn Du vor Dieter Bohlen und der Jury rappst, hast Du das Gefühl, als würdest Du vor den Göttern performen. Ich war symbolisch also dort oben im musikalischen Himmel und die Erfahrung war wirklich sehr wertvoll. Vorher konnte ich die Crowd und Berge in Bewegung versetzen. Heute kann ich die Wolken am Himmel bewegen, mit meinem verträumten Regentanz leere Wüstenlandschaften verlorener Seelen wieder erblühen und die Sonne in die Herzen meiner Fans scheinen lassen. All das und noch viel mehr. Jeder von uns vermag solche Wunder zu vollbringen.
Ich fand, dass „Ice Ice Baby“ nicht zu Deinem Stil gepasst hatte, der zweite Track jedoch spiegelt genau Deine Stärken wider: Deutschrap mit sehr Ausdruckskraft und klarer Sprache, Poesie, Tiefgang, untermalt mit fetten Beats.
Das stimmt. „Ice Ice Baby“ war eine Nummer, die ich immer wieder gerne coverte, obwohl MC Hammer optisch besser zu mir passen dürfte als Vanilla Ice (lacht). Dieser Witz sorgte übrigens im DSDS Vorcasting für gute Lacher. Doch im Prinzip bin ich ein tiefenpoetischer Lyriker. Derzeit bewegen mich die Höhen und Tiefen der romantischen Liebe, die momentane Zweitracht in der Gesellschaft und meine Inszenierung vor der Kamera, welche ich auch kritisch reflektiere. Den Beat zu meiner zweiten Performance hatte ich übrigens nicht gut ausgewählt, wie ich persönlich finde.
Den Mut, bei DSDS vor einem Millionenpublikum zu performen, muss man ohne Frage aufbringen, dafür Respekt. Deine Einlage auf Bengali dürfte gut in der Community angekommen sein? Für mich erneut ein Überraschungsmoment…
Danke. Es ist für mich eine große Ehre, von Euch derartige Komplimente zu bekommen. Jedoch habe ich von der Community bisher noch kein Feedback zu meiner Bengali-Einlage erhalten. Wohl aber hat die indische Diaspora mir mit zahlreichen Nachrichten viele lobende Worte zukommen lassen. Mein Sprechakt auf Bengali erregte aber jenseits der indischen Diaspora für großes Aufsehen. So wurde ich nach meinem Herkunftshintergrund gefragt und von den Mädels mit Sharukh Khan verglichen…
Konntest Du in Deinen Social Media Kanälen direkt etwas beobachten?
Ja, als ich im Fernsehen zu sehen war, platzte mein Facebook Account aus allen Nähten. Zahlreiche Menschen, die ich gar nicht kannte, stellten Chatanfragen und schrieben mir, dass sie mich gerade im TV sehen, als würden sie mich seit Ewigkeiten kennen. Und noch immer stehe ich voll im Fokus der Zeit. Unterwegs werde ich immer wieder erkannt und nach Autogrammen und Selfies gefragt. Auch wird oft getuschelt und dann ruft jemand meinen Namen und freut sich, wenn ich den Gruß erwidere. Eine vollkommen neue Erfahrung für mich. Ich war auch schon vorher eine Person mit einem größeren Bekanntheitsgrad, aber in so einem Maße habe ich öffentliches Interesse bisher wirklich noch nie erlebt! Ganz gleich, in welcher City ich mich befinde, erkennen mich die Menschen. Die Show dauert auch jenseits der Bühne weiter fort. Lustigerweise werde ich immer dann nach Selfies gefragt, wenn ich meine Haare mal nicht richtig frisiert habe oder ich erschöpft bin vom Tag. Generell gehe ich aber stets gut herausgeputzt aus dem Haus, da ich jedem Fan einen unvergeßlichen Begegnungsmoment bieten möchte. Ich bin zu einer Figur der Öffentlichkeit geworden. Ich bin der Rapper mit Herz.
Werden wir Dich nochmals bei einer Castingshow sehen, eventuell erneut bei DSDS? Von solchen Showformaten gibt es ja mittlerweile genügend, könnte das zu noch größerer Popularität verhelfen?
Ja, ich habe den neuen Zeitgeist begriffen und werde mit Sicherheit nun desöfteren zu sehen sein. Musik ohne die Aufmerksamkeit der Medienwelt verschwindet in der Informationsflut des Internets. Damals habe ich mich mit meiner Ex-Band „Radical X-Press“ mit Eigenwerbung ganz ohne Internet nach oben gespielt. Heute ist so etwas undenkbar. Über dieses Thema habe ich mich auch letztens mit dem Matthias Gellissen unterhalten, welcher damals mit mir Radical X-Press aus der Taufe hob. Heute produziert er ziemlich sehenswerte Dokus für öffentlich rechtliche Sender mit namhaften Größen wie Anke Engelke und Norbert Blüm und erstellt die Produktion der „Quarks & Co“ Sendung.
Diptesh während seines DSDS-Auftritts. |
Ich finde es spannend, dass sich Deine Frisur, der Kleidungsstil und Dein Künstlername (aktuell: „TE$H“) von Zeit zu Zeit ändern. Muss man sich als Künstler stets neu erfinden? Es bewirkt zweifelsohne, dass Du fortwährend im Gespräch bleibst. Schmunzelnd beobachte ich jedoch auch wiederkehrende Diptesh-Elemente, die mich an Deine frühen Zeiten erinnern wie „Wenn ich sag Dip, sagt Ihr Tesh“ oder das schnelle „Wenn der Wind über die Felder fegt…“.
(Lacht) Danke. Das stimmt absolut. Ich verändere mich sehr häufig und werde von bestimmten Leuten für meine Art kritisert. Doch wie kann man jemanden für eine essentielle menschliche Eigenart kritisieren? Eine Eigenart, die den Menschen in der Mannigfaltigkeit seiner Ausdrucksformen ausmacht? Genau das trage ich auf die Bühne. Jenseits jeglichen Einheitsbreis. Und wie reagieren die sogenannten „realen Künstler“? Sie sagen mir nach, dass ich keine klare Linie hätte. Im Business brauche man einen klaren Fokus. Blablabla. Das höre ich gerade von den Leuten, die meine kommerziellen Interessen kritisch sehen und mir raten, mich vollends der Underground Szene zuzuwenden. Eine Underground Szene, die in der heutigen Zeit mehrheitlich wohl kaum noch weiß, wer Afrika Bambaata war, welche bedeutsame Rolle DJ Cool Herc in der Entstehungsgeschichte von Hip Hop spielte und dass Hip Hop als die Weiterentwicklung des Funks eng mit der großartigen musikalischen Kost von James Brown unmittelbar in Verbindung steht. Mir ist es vollkommen gleichgültig, was mir gewisse Leute versuchen, einzureden. Ich gehe den Weg des Künstlers. Wie ich schon sagte: Pfade, die in meine Seelenwelt führen. Hinein in mein eigenes Sein. Da der Mensch kein Roboter ist und nicht strikt einer festen musikalischen Linie folgen kann, kann der Weg des Künstlers nur mit kreativer Vielfalt beschritten werden. Was die immer wiederkehrenden Elemente angehen, habe ich den Silben „Dip“ und „Tesh“ meines Namens nach üblicher Hip Hop Manier in die Masse hineingetragen, während das Wechselspiel mit dem Publikum hängenbleibt. Das hat gut funktioniert. Demnächst werde ich dies jedoch lieber nicht mehr vor der Jury probieren (lacht).
Das zeugt von Selbstreflexion (beide lachen). Mal was anderes: Nostalgie. Warum gibt es die richtig alten Partyzeiten mit „Indian Night“, „Soul of India“ und „Whatyaar“ nicht mehr, hat sich die Szene verändert? Haben sich die Macher und Besucher verändert, weil sie älter geworden sind?
Ich weiß, dass der Jiwan Singh alias DJ G-One noch viele Großveranstaltungen organsiert und mitunter auf Holi Festivals auflegt. Kino Events werden auch immer wieder ins Leben gerufen. Da geht schon einiges, aber generell ist der damalige Hype in der Desi Szene vorüber. Das fortschreitende Alter läßt wohl generell Menschen seßhafter werden (lacht). Ich blicke mit Nostalgie auf die wirklich schönen Zeiten zurück, als sich kreative Köpfe zusammenfanden und z.B. mit theinder.net Grundsteine für die Desi Community legten. Der Rest ist Geschichte. Heute gibt es diese Desi Szene nicht mehr. Das ist sehr schade.
Dafür gibt es neue Strömungen, die sich womöglich aus der alten Szene entwickelt haben… Zum Abschluss unseres Gespräches würde ich gern Deine aktuellen Musikprojekte erfahren, wie läuft Deine Zusammenarbeit mit Nasswetter?
Ich bin vor einiger Zeit von Rekardo Heilig, welcher die legendäre Fun Factory gemanagt und produziert hat, entdeckt worden. Er hat mich nun unter seine Fittiche genommen. Derzeit promotet er das Comeback der Fun Factory und hat nun ein Doppelalbum der berühmten Gruppe mit alten und neuen Hits auf den Markt geworfen. Die Hitsingle ist mit „Turn it Up“ betitelt und wird vom Sender Pro 7 gehypt. Rekardo Heilig glaubt an mein Talent, fördert mich und ist mein Manager und Mentor. Letztens hat er mir einen ziemlich genialen Beat zukommen lassen, auf welchem ich aussagekräftige Rap Lyrics schrieb. Es wird wieder einiges von mir herauskommen. Diesmal auf einem verdammt hohen kommerziellen Level. Ihr dürft gespannt sein. Mit Rekardo Heilig schaffe ich es bis an die Spitze der Charts. Er ist ein absoluter Allrounder und arbeitet mitunter auch mit Luis Rodriguez, der an den Produktionen für Modern Talking und in den Dieter Bohlen-Produktionen der 90er Jahre beteiligt war, an seinem eigenen Album. Michael Nasswetter drückt mir kräftig die Daumen. Thematisch fokussiere ich – wie schon zuvor erwähnt – in erster Linie Mädels und die alltäglichen Geschichten der romantischen Liebe und lasse mit Botschaften der Liebe und des Friedens als MC den 90er Spirit des Hip Hops mitschwingen. Eine neue Zeit ist angebrochen.
Danke für das Gespräch.
Fotos: (c) Diptesh Banerjee