Hässlich, hübsch, plump, cool, hingerotzt, liebevoll, unbedarft, professionell, klischeehaft, zeitgemäß – die unzähligen Grafiken und Designs, mit denen sich theinder.net die letzten 20 Jahre geschmückt hat, decken so ziemlich alles ab – und spiegeln so vielleicht auch den Versuch einer Generation wider, schwebend zwischen den Kulturen einen klaren Ausdruck für die eigene Identität zu finden.
Design ist im Grunde die Antwort auf die Frage „Was ist das?“. Wenn wir also einen Buchtitel, eine Webseite, ein Plakat oder einen Flyer betrachten, verrät uns dieser einerseits etwas über das Thema seines Inhaltes, andererseits aber auch etwas über die Vorstellungen und die Haltung, die der Absender zu diesem Thema hat.
Im Fall von theinder.net ist das Thema ganz klar „Indien“. Aber was genau ist dieses „Indien“? Woran erkennt man es? Mit welchem Aspekt von Indien soll sich der Betrachter identifizieren? Was zeigt der Absender, um zu sagen „Hallo, hier geht’s um Indien!“?
Die Anfänge
Die Vorstellungen von dem Thema, das man darstellen will sind das eine. Das andere sind die technischen Möglichkeiten und die handwerklichen Fähigkeiten, mit denen man es darstellen kann. Im Jahr 2000, als theinder.net ins Leben gerufen wurde, war das Internet wirklich noch „Neuland“. Jeder, der es betrat, war eine Art Entdecker und Pionier. Und genauso unbeholfen, ungestüm und enthusiastisch verhielt er sich auch: Es wurde wild drauf los designt, allerlei lustige Gadgets, die man sich aus dem Netz zusammenklauen konnte wurden eingebunden (Counter, Wetter-Anzeiger ferner Metropolen, Börsenkurs-Anzeiger usw.), unbeholfene Resultate neu entdeckter technischer Gestaltungsmöglichkeiten wurden freimütig rausgehauen. Das Internet – ein riesiger Spielplatz.
Theinder.net hat, was das Thema selbst angeht, das „Indischsein“ ganz klar immer wieder durch die Nationalfarben Safran, Blau, Weiß und Grün kommuniziert. Im ersten Logo von theinder.net befand sich zusätzlich ein stilisierter Globus, der die internationale Präsenz im WWW und den zusammenführenden Charakrer des Projektes unterstrich. Außer der Farbgebung zitierte das Logo allerdings weder indische Elemente, noch stellte es Bezüge zur visuellen Tradition Indiens her.
Augenscheinlich oft aber taucht das Sujet „Bollywood“ auf – meist in Gestalt von attraktiven Bollywood-Schauspielerinnen.
Auch der allererste Flyer, der im August 2000 auf dem „Independence Day Special“ Event in Köln als Schwarz-Weiß Vervielfältigung verteilt wurde zeigte neben dem Logo als Schlüsselbild eine Bollywood-Actrice.
Tatsächlich wurde Anfang der 2000er Bollywood zunehmend das Vehikel und der Hauptbotschafter für indische oder sogar gesamt-südasiatische, sogenannte desi (von „Des“, was „Land“, in diesem Fall „Heimatland“ bedeutet), Kultur in der westlichen Welt – und zum identitätsstiftenden Element für die zweite Generation südasiatischer Einwanderer. Dieser Trend schwappte aus Großbritannien und den USA bis zum Jahr 2004 allmählich rüber nach Deutschland. Bollywood-Remixe, Bollywood Tänze und Bollywood Filme erfreuten sich bei der indischstämmigen Jugend zunehmender Beliebtheit.
Interessant ist – 4 Jahre vor Facebook –, dass sich theinder.net von Anfang an als Online-Community verstanden hat. Auch der zweite Flyer von theinder.net sollte auf diesen Charakter aufmerksam machen. Er zeigte mehrere Pickle-Gläser, welche die einzelnen Zutaten für das Community-Erlebnis darstellten – ein Hinweis auf das gut gewürzte indische Essen.
Zwei frühe grafisch hervorgehobene Spezial-Features der Plattform waren die Asian Underground Rubrik, in der es um die zur Jahrtausendwende starke Asian Underground Musik Szene im Vereinigten Königreich ging, sowie die Rubrik „Bharat ki Khoj“ (Entdeckung Indiens), ein landeskundlicher Steckbrief mit Daten und Fakten zur Republik Indien.
Das wiederkehrende charakteristisch indische Element war hier in beiden Fällen neben den Nationalfarben unter anderem die Devanagari Schrift (die verbreitetste Schrift Indiens, in der neben der klassischen Sprache Sanskrit auch die Amtssprache Hindi, sowie Marathi, Nepali und einige andere Sprachen geschrieben werden).
Mit der wachsenden Community und einer größer werdenden Leserschaft erweiterte theinder.net auch das Service-Angebot, was sich anhand mannigfaltiger bunter Grafiken auf der Seite bemerkbar machte. Zunächst waren die Haupt-Medien der Community der regelmäßig stattfindende Chat sowie das Forum. Mit der Zeit kamen ein Veranstaltungskalender, der regelmäßige Newsletter, ein SMS-Service, Flugreisen-Angebote usw. dazu.
Das Neudesign
Im Jahr 2002 verpasste sich theinder.net einen kompletten Neuanstrich: Neues Webdesign, neues Logo, neuer Flyer. Das neue Logo war eine stilisierte Weiterentwicklung des ersten Logos und hatte wie dieses außer der Farbgebung keine spezifisch indischen Merkmale. Es griff allerdings den prägnanten grafischen Charakter des inoffiziellen Asian Underground Logos auf. Diese vom Backcover der legendären Compilation „Anokha – Soundz of the Asian Underground“ bekannte farbliche Abwandlung einer Royal Air Force-Kokarde, einem wiederum aus der Mod-Szene bekanntem Symbol, hatte seinerzeit britische Jugendkultur in einen südasiatischen Kontext gebracht.
Ein neuer Flyer stellte das Thema Indien in Form einer Collage dar, die hauptsächlich Motive aus dem kulturellen, genauer gesagt religiösen Spektrum abbildete. Man könnte auch sagen: Er bediente sich – nicht ohne ein Schmunzeln – bekannter Klischees, wie einem Sadhu (hinduistischer Asket), Tempelanlagen und der berühmten heiligen Kuh. Dadurch gab sich theinder.net auch für Menschen ohne indischen Hintergrund auf den ersten Blick als „indisch“ zu erkennen. Dies ging einher mit einer generellen Öffnung der Plattform über die Community hier geborener junger Menschen indischer Abstammung hinaus. Theinder.net wurde nun zum Indien-Portal für Deutschland und wandte sich an Indien-interessierten jedweder Couleur – vom Traveller bis zum Journalisten oder Unternehmer.
Neben dem virtuellen Charakter als Community Plattform trat theinder.net jetzt immer mehr auch offline in Erscheinung, als Medien-Partner verschiedener Indien-bezogener Events und als Mitveranstalter von Community-Partys, wie der „Indian Arena“…
…als Mitveranstalter der ersten Miss India Wahl für Teilnehmerinnen aus Deutschland…
..oder der „Mahanagar Lounge“ im Jahr 2005, einer Spendenveranstaltung zugunsten von Flutopfern des Tsunamis 2004 in Kerala.
Theinder.net 2.0
Das Jahr 2011: Facebook hatte – nach dem kurzen Aufflackern von StudiVZ – bereits seit einigen Jahren Einzug in das Leben der Menschen im deutschsprachigen Raum gehalten. Nicht anders war es bei den Indern der 2. Generation: Die Funktion von theinder.net als Social-Plattform wurde auf die Facebook-Seite von theinder.net verlagert. Der Community Charakter wurde auf der Webseite fortan hauptsächlich über Nachrichten- und Informations-Inhalte bedient.
Die Webseite wurde technisch modernisiert und in Form eines Blogs komplett neu strukturiert. Im Zuge dessen wurde auch das Webdesign ausgelagert. Die Redakteure von theinder.net widmeten sich fortan voll und ganz dem Content des Portals sowie den Social-Media Kanäle Facebook und Youtube.
Die Zukunft
Jetzt, 20 Jahre nach der Gründung des Portals, geht theinder.net aus Anlass des Jubiläums mit einem komplett neuen, klaren, zeitgemäßen, aber auch unterhaltsamen Auftritt an den Start.
Das neue Logo übernimmt Elemente seiner Vorgänger, ist jedoch klar auf das Wesentliche reduziert. Gleichzeitig erweitert es den ikonischen Charakter um ein prägnantes Zitat aus der visuellen Tradition Indiens: dem Tilaka oder Bindi. Das neue Logo ist dynamisch und lässt sich spielerisch in verschiedenste Kontexte einbinden.
Diese neue visuelle Identität geht über die Web-Plattform hinaus und prägt auch den Auftritt der sozialen Kanäle Facebook, Youtube und ab jetzt auch Instagram.
theinder.net begreift sich heute als Plattform für kuratierten Inhalt mit Indien-Bezug. Es ist nicht bloß ein Platz inmitten der Kulturen Indiens und Europas, sondern ebenso Teil der Internet-Kultur. Die Verbindung dieser Welten wird sich in Zukunft auch in der neuen visuellen Sprache von theinder.net forttragen.