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Do, 26. Dezember, 2024
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Ashley Williams: „Indian Night – das Kommerzielle war uns nicht wichtig“

Foto: (c) Sandhikta

Wenn wir heute über indische Parties sprechen, darf die „Indian Night“ nicht fehlen. Sie war 1996 womöglich die erste ihrer Art in Deutschland. Organisiert wurde sie stets von der Jugendgruppe Sandhikta aus dem Frankfurter Raum. Die „Indian Night“, die 2002 zum letzten Mal stattfand, war sowohl für die wenigen Partyveranstalter, die es um die Jahrtausendwende gab als auch für die vielen, die ab etwa 2003 auftauchten, stets der Maßstab. Nach nun fast 25 Jahren seit der ersten eher aus Protest geborenen Veranstaltung, hatten wir die Möglichkeit mit einem der Mitbegründer von Sandhikta und der „Indian Night“, Ashley Williams, in die Zeit zurückzureisen und zu erfahren, wie eine heute legendäre Veranstaltungsreihe entstand.

Ashley, Du gehörst zu den Mitbegründern der indischen Jugendgruppe Sandhikta, Ihr seid auch ein eingetragener Verein. Wann habt Ihr Euch gegründet und was waren Eure Idee oder Eure Ideale?

Erst einmal vielen Dank für eine Zeitreise zurück in die Mitte der 90ziger, Bijon. Es sind ca. 25 Jahre her und ja, wenn man das so bezeichnen möchte, gehöre ich zu den Mitbegründern, aber initiiert hatte das jemand anders, der Person gebührt hier die Ehre. Ich hatte damals von meiner jüngeren Schwester von einem Treffen von Inder der 2. Generation erfahren und mir war in dem Moment sofort klar, ich muss dahin. Das erste Treffen war eine wundervolle Erfahrung für alle Teilnehmer, so dass alle sofort mehr wollten. Die Idee hat dann, soweit mir bekannt, leider zur Bildung eines Vereins nicht geschafft trotz dem unternommenen Versuch. Übergeordnete Ideale hatten wir keine. Wir wollten ja nicht die Welt verändern. Eher glaube ich, ging es um Zugehörigkeitsgefühl, kulturelle Identität, Wertschätzung und Austausch von Erfahrungen. Die Widersprüche zwischen den abstrakten Ansprüchen der Herkunftskultur und der gelebten Wirklichkeit lagen allen auf der Seele. Wie oft musste man zum Beispiel hören, dass wir nicht so sind wie die Deutschen. Wer waren wir dann? Inder? Die wenigsten verfügten über Alltagserfahrung aus Indien. Also, um was ging es dann? Sandhikta hatte nicht den Anspruch eine Antwort zu geben, aber bot die Möglichkeit des Austausches.

Wer ist Sandhikta, wieviele Mitglieder hattet oder habt Ihr?

Sandhikta war zu Beginn ein Seminar des Indischen Kulturinstituts e.V. Frankfurt für junge Inder, war aber tatsächlich ein Ausdruck eines inneren Gefühls. Die Gruppe setzte sich aus allen möglichen Teilen des indischen Subkontinents zusammen, dabei bildeten die Malayalis den größten Block. Dieser Mix war auch der entscheidende Unterschied zu den bereits bestandenen anderen indischen Gruppen, die doch eher regional motiviert waren. Wie bereits gesagt, wir waren kein eingeständiger Verein und haben nicht buchgeführt über Teilnehmer. Daher kann ich die Frage nicht beantworten. Beim manchen Treffen waren auch mal schnell 30 Köpfe gezählt und jeder war ja willkommen ad-hoc mitzumachen. Entscheidungen wurden absolut demokratisch durch die jeweils Anwesenden gefällt. Ob und wer das Erbe fortführt, weiß ich nicht, ich befürchte keiner. Aber freuen tät es mich schon. Im Prinzip könnte jeder die Idee aufgreifen und fortführen.

Ihr hattet 1996 in einem kleineren Kreis die erste „Indian Night“ in Frankfurt/Main veranstaltet. Damit wart Ihr die ersten, die so etwas in Deutschland gemacht haben. Habt Ihr Euch von UK und USA inspirieren lassen? Was für Musik habt Ihr gespielt, wer hat aufgelegt?

Die erste Indian Night war eine Reaktion darauf, dass wir als Gruppe Schwierigkeiten hatten gemeinsam in ein Club reinzukommen. Dann hatten wir das Problem mit den jüngeren und weiblichen Mitgliedern, deren Eltern über die spätabendlichen Unternehmungen nicht begeistert waren. Also drängte sich die Idee der ersten Party grade zu auf. Ob es die erste indische Party in Deutschland überhaupt war, weiß ich eigentlich gar nicht. Höchstwahrscheinlich hatten Entwicklungen in UK und USA Einfluss auf das, was wir gemacht haben, aber das wurde ich nicht zu hoch einschätzen. Das Internet steckte noch in den Anfängen und die sogenannten sozialen Medien hatte es in den 90er in der heutigen Form und Bedeutung nicht gegeben. Zu damaliger Zeit gab es diesen Trend in allen Einwanderer-Communities. Man erinnere sich z.B. an die Türken, Griechen, Russen oder Kroaten Discos. Wir aber wollten uns nicht isolieren, sondern auch bewusst mit unseren nicht-indischen Freunden gemeinsam feiern und die andere Seite von zu teilen. Sie dürften ja bei den Treffen nicht dabei sein. Den deutschen Freunde war daher nicht bewusst, dass da noch eine andere Seite gab. Auf den Indian Nights wurde schon immer in erster Line R&B und Bollywood-Mix aufgelegt. Zu Beginn von unseren Resident-DJs, später auch von anderen.

Und weil alle sich gleichermaßen eingebracht hatten und organisiert wie eine private Feier, war die Identifikation mit der Sache dann entsprechend groß und darin begründet sich auch die positive Erinnerung an diese erste Party.

Die folgenden Jahre ging es immer weiter, die Party sprach sich weiter herum und immer mehr Jugendliche nahmen an Euren Parties teil. Wir von theinder.net berichteten ab 2000 regelmäßig über Eure Parties und erstmals gab es auch Fotogalerien für Leser/innen in ganz Deutschland. Kannst Du Dich noch erinnern, als Du zum ersten mal von theinder.net erfahren hast, was hast Du damals gedacht?

Das war eine coole Sache. Eurer Internetauftritt war wesentlich professioneller und vielfältiger. Endlich gab es eine Seite, die Bedürfnis adäquat zu befriedigen vermochte. Als ich zum ersten Mal davon hörte, bin ich natürlich direkt auf die Seite gegangen und war vom Konzept schnell überzeugt. Die Seite war natürlich für uns ein Multiplikator. Für Inder, die abseits der großen Metropolen wohnen, sind Plattformen wie theinder.net die einzigen Informationsquellen zu die Indian Community. Daher macht theinder.net einen wichtigen Job.

Ich hatte das Gefühl, dass theinder.net Euren Bekanntheitsgrad überregional noch etwas gepusht hat, hattet Ihr auch das Gefühl? Medienberichterstattung ist für viele ja ambivalent, wie hast Du das gesehen?

Stimmt, Berichterstattung ist Fluch und Segen zu gleich. Wir wollten ja auch andere erreichen. In den Anfängen haben wir die Flyer persönlich verteilt an Freunde. Damit wussten wir, wer ungefähr kommen wird. Das Publikum kam hauptsächlich aus dem Rhein-Main-Gebiet. Mit der wesentlich größeren Reichweite hat theinder.net tatsächlich die Bekanntheit von Sandhikta vergrößert und zum überregionalen Erfolg der Indian Nights beigetragen. Das führte aber auch dazu, dass wir mit ganz anderen Besucherzahlen und wachsenden Ansprüchen zur recht kommen mussten. Die Arbeit und die zu bewältigenden Probleme nahmen auch zu. Türsteher wurden auf einmal nötig und auch andere wollten gerne auf der Indian Night Bühne performen. Für uns wurde die Herausforderung mit jedem Mal größer. Auf der einen Seite noch Spaß bei der Sache zu haben und einen noch drauf zu setzen, hat dann auch nicht mehr für jeden zusammen gepasst. Die Spannungen in der Gruppe nahmen mit den zunehmenden Erfolg auch zu. Im Gegensatz zu den Späteren hatte die allererste erste Party was privates und intimes und die, die dabei waren, erinnern sich gerne daran. Insgesamt war das auch von uns eine gewollte und positive Entwicklung . theinder.net und wir haben von einander schließlich profitiert.

Das ist richtig. Wir fanden es jedenfalls sehr nett, dass Ihr auf Eurer Webseite unser Logo aufgenommen und zu den Fotogalerien verlinkt habt… Überhaupt fand ich den Umgang mit Euch sehr respektvoll. Es gab da sicher andere Veranstalter, die sich wesentlich schlechter benommen haben…

Warum hätten wir es nicht tun sollen? Kennenlernen und Vernetzen war ja das, was wir alle wollten. Ein freundlicher und respektvoller Umgang war Teil unseren Selbstverständnisses. Ich habe die Gruppe auch nie anders erlebt. Was die anderen Veranstalter angeht, habt ihr mehr Erfahrung, aber das Lob freut einen doch, auch wenn es die Vergangenheit betrifft.

2002 war Schluss mit der Indian Night, Ihr hattet auf indiannight.de ein Statement veröffentlicht, in dem Ihr steigendes Gewaltpotenzial dafür verantwortlich machtet. War das der einzige Grund? Gibt es Überlegungen, die Indian Night wiederaufleben zu lassen oder ist der Drops gelutscht?

Auch wenn manchmal das Wort Reunion die Runde macht, denke ich, der Drops ist gelutscht. Wir sind nicht mehr dieselben von damals. Für alles im Leben gibt es die richtige Zeit. Zudem sind wir nicht mehr auf der Suche, sondern irgendwie und irgendwo angekommen haben. Die meisten haben einen Lebenspartner im Gegensatz der damaligen Annahme der Eltern außerhalb der Gruppe gefunden. Ich habe 3 Jungs. Habe also ganz andere Prioritäten. Die Gründe für das Ende sind nicht ganz so ein-dimensional. Natürlich spielte das Gewaltpotential auf den Parties eine Rolle, aber eher vordergründig. Wir hatten es einfach nicht geschafft eine andere Mission oder Idee neben der Indian Night zu etablieren. Damit war Sandhiktas Schicksal eng mit der Indian Night verknüpft. Mit zunehmender Dauer taten sich Risse in der Gruppe auf, die eine Struktur wie ein Verein normalerweise aufzufangen weiß, aber eben nicht eine lose Ansammlung von Leuten. Hier rächte es sich, dass wir es nicht geschafft hatten die Idee in ein Verein oder andere Struktur zu überführen. Die nur gemeinsame Herkunft ist dann doch zu wenig Substanz für andauernde Motivation. Kein Sandhikta, keine Indian Night.

Lass uns über die 2. Generation der Inder in Deutschland sprechen. Wie habt Ihr die „Szene“ ab ca. 2000 von Frankfurt aus beobachtet, wie hat sie sich entwickelt, was ist heute davon übrig geblieben?

Die Szene war sehr dynamisch um die Jahrtausendwende. Ich habe mich aber 2002 aus der besagten Szene zurückgezogen. Für mich war das der richtige Zeitpunkt. Vor nicht allzu langer Zeit war ich auf einer Veranstaltung und habe vergeblich nach bekannten Gesichtern gesucht. Und auf eine merkwürdige Art fühlte ich mich fremd dort. Hätte das jemand 1996 auf der Indian Night zu mir gesagt, hätte ich ihm das nicht geglaubt. Über die aktuelle Szene in Deutschland kann ich leider nichts sagen. In Clubs gehe ich sehr selten und dann eher mit meinen nicht-indischen Freunden.

Viele Partyveranstalter hatten damals Euer Konzept übernommen und wollten es kommerzialisieren. Bei Euch hatte man den Eindruck nicht, die Location KOZ an der Uni vermittelte den Eindruck einer „indischen Studentenparty“, bei der Gewinn nicht im Vordergrund stand. War das auch Eure Idee?

Ja, das stimmt und viele waren auch Studenten. Dennoch das Kommerzielle war uns nicht wichtig. Mir ist auch kein kommerzielles erfolgreiches Konzept bekannt, was der Indian Night nahe kam. Meines Erachtens wurde immer unterschätzt, dass, wenn man jedes Engagement bezahlt gehabt hätte, ein Gewinn nicht zu erzielen war. Indian Night fußte auf die freiwillige Arbeit vieler und funktionierte nur, weil wir keinen Gewinn anstrebten. Nebenbei, der studentische Charakter stand für moderate Eintritts- und Getränkepreise. Man stelle sich außerdem mal vor, dass auch wir als Organisatoren zumindest bei den ersten Parties Eintritt bezahlten, damit die Kasse am Ende stimmte. Ein Gewinngedanke hätte die Idee nur korrumpiert. Diskussionen hatten wir hier auch innerhalb der Gruppe diesbezüglich. Zum Glück setzte sich immer die Überzeugung, doch den etwas idealistisches und studentischen Charakter beizubehalten. Man muss außerdem wissen, dass aufgrund des hohen Aufwandes unmöglich war, mehr als eine Veranstaltung pro Jahr zu organisieren. Eventuelle Mehreinnahmen flossen in die Gruppenkasse und wurden gewissenhaft verwaltet und ausgegeben.

Es gab Veranstalter, die Euch „toppen“ wollten, die Indian Night wurde stets als der Maßstab gesehen. Habt Ihr das als Anerkennung gesehen? Auf unseren Diskussionsforen ging es manchmal sehr kontrovers zu, wer die bessere Party machte…

Natürlich ist das eine Form der Anerkennung, wenn andere die eigene Sache zum Maßstab erklären. Gesunder Wettstreit ist immer gut. Eine gelungene Veranstaltung anderer zu besuchen ist doch auch sehr reizvoll. Keine Arbeit und nur Spaß am Abend. Wer sagt dazu nein? Ja, ich habe das am Ende so etwas mitbekommen, aber man sollte den Streit in den Foren zwar zur Kenntnis nehmen aber nicht zu viel Wert beimessen.

Es gibt noch viele, die sich gerne an Sandhikta erinneren, was würdet Ihr diesen Menschen und Leser/innen von theinder.net gerne mitteilen?

Sandhikta ist eine wunderschöne Idee und wir erinnern uns auch sehr gerne daran. Es sind auch sehr viele Emotionen mit Sandhikta und Indian Night verbunden. Wir hatten eine tolle Zeit miteinander. Für alle draußen, die das gerne auch machen möchten, es braucht nicht mehr als Freude an der Sache und sich trauen. Mehr haben wir auch nicht gebraucht.

Vielen Dank für Deine Antworten und das Beste für Deine weitere Zukunft.

Weiterführende Links inkl. Fotogalerien:

Bijon Chatterji
Bijon Chatterji
Bijon Chatterji (*1978) ist Mitbegründer und Chefredakteur von theinder.net. Er studierte Biologie in Braunschweig, promovierte, forschte und lehrte in Hannover. Heute ist er als Global Lead für ein Biotechnologieunternehmen tätig und verantwortet dort u.a. den Bereich Indien. Von 2012-16 war Bijon Mitglied der Auswahlkommission für das "Deutsch-Indische Klassenzimmer" (Robert Bosch Stiftung / Goethe-Institut). Seit 2018 ist er Mitorganisator des "Hanseatic India Colloquium" und nahm 2023 auf Einladung der Bundesintegrationsbeauftragten erstmals an Dialoggesprächen im Bundeskanzleramt teil.

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