Auch Roman Chowdhury ist ein German Southasian der 2. Generation, er selbst verwendet gern den Begriff „2nd Generasian“. Vor allem aber ist er Vollblutmusiker, von dem die BBC einst sagte er sei die deutsche Antwort auf Nitin Sawhney. Als Gitarrist bereichert er das Ensemble „Gefilte Fisch“ sowie früher die legendären „Weather Girls“. Roman hat buchstäblich einiges zu sagen, ist er doch schließlich Mitbegründer der Münchener Partyreihen „Munich Masala“ und „Aatma Lounge“, die das Bedürfnis des Publikums nach Bollywood und Asian Underground Musik mehr als befriedigen konnten. Er übertreibt nicht, wenn er sagt, dass seine Parties zu den angesagtesten der Stadt zählten und er kann zurückgeben, wenn er sich für karitative Zwecke einsetzt. Doch dies ist nur ein Bruchteil dessen, was er uns nun zu erzählen hat.
Roman, 20 Jahre theinder.net bedeutet auch, dass wir etwa genauso lange Dich und Eure Partyreihe „Munich Masala“ kennen. Die gab es ja bereits vor der Jahrtausendwende. Erinnerst Du Dich noch, als Du erstmals von theinder.net erfahren hast, welchen Eindruck vermittelte es Dir?
20 Jahre, wow! Da hieß es doch immer „hoffentlich werden wir mal so alt wie wir aussehen!“. Ich kann nun bestätigen, der Wunsch ging halbwegs in Erfüllung (lacht). Nun ja, theinder.net? Ja, an die Anfänge Eurer Plattform kann ich mich gut erinnern. Das Internet gab es ja durchaus schon eine Zeit lang, aber es erlangte damals stetig mehr Bedeutung. Allerdings war es leider noch furchtbar langsam, — zumindest die Geschwindigkeit meines Zugangs ließ damals noch sehr zu wünschen übrig und brachte mich des Öfteren zur Verzweiflung.
Es stimmt, Bijon, „Munich Masala“ gab es schon ein Weilchen vorher, als der Startschuss für Euch erfolgte. Die Werbung verlief vornehmlich über Plakate, Flyer und Emails, aber natürlich hatten wir auch bald eine eigene Homepage, um uns zu präsentieren und die Reichweite zu erhöhen. Das Internet hat uns alle näher gebracht und auch sicher einige Leute der 2. Generation aus ihrer Isolation befreit. Der Hunger nach gegenseitigem Austausch war enorm. Da war der Launch Eurer Seite doch nur eine logische Konsequenz und der Erfolg gab Euch ja schließlich recht.
Bis dahin war die 2. Generation jedoch eher regional organisiert.
Ja, ich denke, eine Vielzahl der Südasiaten der 2. Generation hatten sich bis dahin vornehmlich in den verlängerten Netzwerken ihrer Eltern bewegt, wenn es darum ging, sich mit anderen ähnlichen Backgrounds kurzzuschließen. Manche Communities waren und sind sehr groß und gut organisiert, andere wiederum vergleichsweise klein. Meistens blieb man unter sich. Wer Glück hatte, wuchs mit Gleichaltrigen ähnlicher Wellenlänge auf oder begegnete ihnen auf diversen Kulturevents. Es gab natürlich auch in größeren Städten Kulturvereine, die DIG, das Indien Institut usw. und, nicht zu vergessen, die alljährlichen Treffen in Bad Boll, an denen auch wir zweimal teilgenommen haben und auf die ich heute mit sehr gemischten Gefühlen zurückblicke. Man traf dort Leute aus ganz Deutschland und das war wirklich schön. Aber man unterwarf sich mit der Teilnahme in Ablauf und Regie gleichzeitig wieder der Generation der Eltern und v.a. dem Konzept und der Federführung einer deutschen Pädagogin ohne Migrationshintergrund und kam sich bisweilen wie jemand vor, den es anhand gruppendynamischer Spiele in irgendeiner Weise zu erziehen galt.
Wie war das bei Dir selbst?
Mein Dad war ein wunderbarer, liebenswerter Mensch und ich bewundere vieles, was er in seinem Leben erreicht hat. Ein begnadeter Netzwerker war er allerdings leider nie. Für die Außenkontakte war, wie in vielen Ehen, eher die Frau zuständig. Er zeigte eigentlich erst im Alter mehr Interesse an südasiatischen/bengalischen Kulturveranstaltungen. Zudem kam er bereits 1958 nach Deutschland, weshalb die meisten hiesigen Südasiaten und demzufolge auch deren Kinder erheblich jünger waren. So habe ich dann eher durch eigene Anstrengungen andere Leute mit ähnlicher Familiengeschichte kennen gelernt. Dabei spielten das Netz, die Parties und eben auch z.B. Eure Seite eine bedeutende Rolle. Es war großartig zu wissen, wer sich da draußen so alles herumtrieb und es war leicht in Kontakt zu treten. Mit einem Mal hatten wir „Tools“ an der Hand, uns eigenständig und überregional zu verbinden und Infos zu teilen, ohne die „Regieanweisungen“ der Generation unserer Eltern.
Wie kam es zur Gründung der Partyreihe?
Wenn ich mich recht entsinne, kam die Idee 1997/1998 auf. So genau weiß ich das nicht mehr. Wir waren anfänglich zu dritt: Meine damalige Freundin Astride, mein Freund Anil und meine Wenigkeit. Später kamen noch weitere Leute hinzu, — Bidi, Kavi, Sanjay und einige andere, ohne deren Mithilfe die Party nicht so erfolgreich gewesen wäre und wir v.a. auch nicht 10 Jahre durchgehalten hätten. Schließlich hatten wir im Schnitt alle 4-6 Wochen einen Termin, — mit der Aatma Lounge und den Auswärtsgigs dann später sogar in noch kürzeren Abständen.
Damit wart Ihr nach meinem Verständnis die erste echte Partyreihe, die in kurzen Abständen stattfand. Habt Ihr andere Parties besucht?
Wir waren damals u.a. einmal mit ein paar Freunden nach Frankfurt zu einer der legendären „Indian Nights“ angereist. So etwas gab es ja sonst nirgendwo in Deutschland. Die Zusammenkunft so vieler Leute der 2. Generation war einfach umwerfend! So weit ich weiß, gab es diese Party jedoch nur einmal im Jahr. Auch waren wir damals auf einer Party in Bradford/England gewesen, deren Besuch uns total elektrisierte.
Ihr konzipiertet also Eure eigene Veranstaltungsreihe in München…
Richtig. Neben der Idee einen Treffpunkt zu schaffen, hatten wir aber durchaus weitere Gründe: So postierten wir uns einmal vor den Eingang des „Babylon“, eine der größten Mainstream-Diskotheken der Stadt damals, und wollten wissen, wen man einließ und wen nicht.
Hm, lass mich raten…
(lacht) Das Ergebnis war eindeutig. Nicht jedem wurde Zutritt gewährt. Fast immer waren es männliche Besucher mit sichtbarem Migrationshintergrund, die abgewiesen wurden. Damen ohne „bio-deutsches“ Aussehen wurden von den kahl rasierten Hünen mit grüner Fliegerjacke und Springerstiefeln eingelassen. Sie sollten wohl die Unterversorgung mit weiblichen Partygästen ausgleichen und befriedigten vielleicht auch einen gewissen Hang zum Exotismus. Einer unserer Security Leute vertraute mir später einmal an, dass „Munich Masala“ die erste Clubnacht war, in die er überhaupt eingelassen wurde. Der „Mainstreet Club“, das „Loft“ und später das „Muffat“ in München, waren für ihn die ersten Clubs, die er von innen sehen konnte. Er war damals bereits 39 Jahre alt. Wenn ich daran zurückdenke, bekomme ich noch heute feuchte Augen…
Fast unglaublich… Ihr müsst sicher sauer gewesen sein?
Irgendwann legte später auch einmal Panjabi MC in einem Münchner Club auf. Das wollte natürlich keiner von uns verpassen und so waren wir mit einer größeren Gruppe der „2nd Generasians“ angerückt (das war eine Gruppe von Leuten, die sich manchmal in Kneipen traf). Allerdings wollten die Türsteher uns nicht alle einlassen (wieder hauptsächlich nur die Ladies). Neben dem Zorn, den die Situation in mir hervorrief, entbehrte sie auch nicht einer gewissen Komik. Der „Special Guest“ des Abends war ein DJ der 2. Generation aus England und die einzigen „Asians“ vor der Tür sollten in nicht allzu großer Zahl Einlass finden! Glücklicherweise waren doch schon einige von uns ins Innere gelangt und gingen schnurstracks zu PMC, um ihn um Hilfe zu bitten. Der fackelte nicht lange und ließ den Veranstalter umgehend wissen, dass er nicht vorhätte, auch nur einen einzigen Ton Musik aufzulegen, falls nicht die gesamte Gruppe eingelassen würde. Das fühlte sich dann wiederum ganz gut an.
Das ist eine sehr coole Geschichte. Ich nehme an, dass Euch das Erlebnis mit Panjabi MC positiv beeinflusst hat?
Ja, wir haben auf unseren Parties stets jedem Zutritt gewährt. Die einzige Bedingung war der Respekt vor anderen Partygästen, gleich welchen Geschlechts, welcher Ethnie, welcher Community zugehörig. Das haben wir immer beherzigt, obwohl Teile unseres Publikums auch erst ein wenig „erzogen“ werden mussten. Anfangs tanzten Punjabis nur zu Bhangra und wollten auch nur Bhangra hören, Tamilen hörten auf zu tanzen, sobald ein singhalesisches Lied erklang usw… Bollywood Hits aber vereinten dann alle wieder. Aber die Leute waren auch klasse. Denn das änderte sich bald und irgendwann tanzten alle zu jeder Musik wissend, dass immer wieder ein Song dem eigenen Background entgegen kam und auch dann das gesamte Publikum mit Begeisterung dabei war. Am DJ-Pult zu stehen und diese heterogene Menge aus verschiedenen Ethnien und v.a. auch Communities zu beobachten, die sich auf dem Subkontinent z.T. blutig bekriegen, nun ausgelassen miteinander feiernd und sich teilweise sogar überschwänglich in den Armen liegend, hat mich immer wieder gerührt und gehört für mich zu den absoluten Sternstunden aus dieser Zeit. „Munich Masala“ war ein Projekt. Es kamen Südasiaten aller Communities, Perser, Tibeter, Araber, Afrikaner, Deutsche mit und ohne Migrationshintergrund u.v.a…
Dann habt Ihr doch genau das erreicht, was Ihr Euch vorgenommen hattet.
Zudem, wer uns wissen ließ, dass die persönlichen Finanzen angespannt waren, durfte eigentlich immer auch so eintreten. Die Sache war nur die, dass gerade diejenigen, von denen wir wussten, dass sie in Unterkünften wohnten und mit den damals üblichen, unsäglichen Essenspaketen auskommen mussten, schon mit dem 10-Euro-Schein in der Hand strahlend im Eingang standen. Die Party war über längere Zeit eine der erfolgreichsten Clubnächte in der Stadt.
Ich erinnere mich, dass Ihr musikalisch nicht im Mainstream geschwommen seid, was war die Musik, die bei Euch gespielt wurde?
Wie gesagt, bei „Munich Masala“ wurde vornehmlich Musik aus der Heimat der Gäste gespielt. Das waren meistens in irgendeiner Form Remixes und natürlich damals aktuelle Bollywood Hits oder Klassiker. Unser Glück war wohl auch, dass Indien zu jener Zeit in Deutschland einen wahnsinnigen Hype erlebte. Man sprach von „Green Cards“ für Inder aus der IT-Branche, es liefen regelmäßig Bollywood-Filme im Fernsehen, Panjabi MCs „Mundian To Bachke“ war an jeder Straßenecke zu hören und überhaupt wurden die Produktionen immer besser und zahlreicher. Auf unserer ersten Party besaß ich gerade einmal ausreichend Musik, um überhaupt einen Abend bestreiten zu können. Wünsche der Besucher konnten nicht berücksichtigt werden. Später wuchs unser Archiv immens an und man durfte auch eigene CDs mitbringen oder Wünsche äußern. Die Musik, die wir damals auflegten, gefiel mir vorwiegend aufgrund der Atmosphäre, die sie schuf, indem sie Menschen verschiedenster Backgrounds für ein paar glückliche Stunden verband. Ich denke, ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass die Party für viele Besucher über längere Zeit das Highlight des Monats gewesen ist.
Wir haben Eure Parties damals selbst besucht und eine Fotogalerie, die die Stimmung einfängt, hatten wir damals ebenfalls veröffentlicht (Link s.u.). Ihr habt mit der „Aatma Lounge“ ein weiteres Projekt gestartet.
Wie Du weißt, bin ich Musiker von Beruf und strecke stets meine Fühler nach für mich neuen Einflüssen aus. So hatte sich damals natürlich sehr bald ein Segment meiner Plattensammlung gebildet, das sich auf unserer Party nicht wirklich zum Einsatz bringen ließ. Die Hip Hop-, Drum n‘ Bass- und Break Beat-Sachen aus London und Nordamerika lechzten geradezu nach einem weiteren Event. So war die „Aatma Lounge“ geboren und es war uns möglich, die Party im „Club 2“ steigen zu lassen. Das war damals einer der begehrtesten Clubs in München. Die Leute rannten uns förmlich die Bude ein und die Abende dort gehörten für eine ganze Weile zu den coolsten und angesagtesten Parties in der Stadt. Während zu „Munich Masala“ v.a. auch viele Leute der 1. Generation aufkreuzten, hatte die „Aatma Lounge“ einen anderen Publikumsquerschnitt. Es kamen vermehrt deutsche Studenten und Leute der 2. Generation südasiatischer und anderer Herkunft. Sie vereinte nicht nur das Interesse an den gespielten Musikstilen. Man identifizierte sich auch mit dem soziopolitischen Engagement, das Musiker wie Nitin Sawhney oder Bands wie Asian Dub Foundation, FunDaMental oder Faithless aufwiesen.
Ich bin sicher, dass Ihr das Treiben der 2. Generation in Deutschland mitverfolgt habt. Was hat sich seit den Neunzigern und ab 2000 bis heute getan?
Klar, wir haben das Treiben der 2. Generation mitverfolgt. Dank Internet und auch dank theinder.net waren wir imstande, uns auf dem Laufenden zu halten. Es gab natürlich auch vorher schon Regionen in Deutschland, in denen Communities gut organisiert waren. Aber dies geschah, wie gesagt, vornehmlich über die „Connections“ der Eltern. Jetzt hielten wir die Fäden selbst in der Hand, konnten uns überregional verbinden und erfuhren mehr (oder überhaupt) voneinander.
Ich kann ja nur für mich und über meine persönlichen Beobachtungen sprechen. Die Parties waren für viele ein ersehnter Ort der Begegnung. Einige Leute haben dort großartige Freundschaften geschlossen oder einfach nur Anschluss gefunden, gar mancher sogar den späteren Ehepartner kennen gelernt. Auch ich habe über unsere Veranstaltungen wunderbare Menschen kennen gelernt. Manche wurden zu meinen besten Freunden und sind es bis heute geblieben. Ich bin überzeugt, dass die Parties überall im Lande vielen ein großartiges Gefühl vermittelt hatten. Für ein paar Stunden im Monat war man kein Fremder mehr, nicht in der Minderheit wie meist sonst draußen auf der Straße. Man war sogar cool und das war gewiss für den einen oder anderen eine neue Erfahrung, die das Selbstwertgefühl ungemein steigerte. Was ich auch immer wunderbar fand war, dass v.a. viele Besucher der 2. Generation von ihren deutschen Freunden begleitet wurden, die Interesse an einer ihnen vielleicht nicht so bekannten Seite ihrer asiatischen Freunde zeigten.
Ein echtes „East meets West“. Ihr habt lange durchgehalten…
Ja, die Parties hielten sich lange. Aber es lag auch in der Natur der Sache, dass v.a. das Internet zunehmend andere Möglichkeiten bot, miteinander in Kontakt zu bleiben. Die Organisation der Veranstaltungen nahm auch viel Zeit in Anspruch und so sehr die Desi-Partywelt manchem vielleicht ein wenig mehr Halt bot, war sie doch auch irgendwie ein Biotop. Es kam unweigerlich der Punkt, an dem man wieder vermehrt den Fokus auf das Leben in der Mehrheitsgesellschaft richtete. Mir ging das jedenfalls so und ich weiß das auch von anderen. Wir beendeten „Munich Masala“ schon vor einer ganzen Weile. Das Leben geht weiter und fordert Aufmerksamkeit in anderen Bereichen. Die Parties haben tierischen Spaß gemacht und gut getan. Sie haben uns in einem bestimmten Abschnitt unseres Lebens begleitet bis sie wieder an Bedeutung verloren und andere Aspekte des Lebens in den Vordergrund traten. Für jüngere Generationen besteht diese Notwendigkeit offenbar nicht mehr, sonst hätte vielleicht jemand die Veranstaltungen in irgendeiner Form weitergeführt oder eine neue Reihe ins Leben gerufen.
Das hört sich jetzt vielleicht etwas wehmütig an, ist aber nicht so gemeint. Die Parties kamen zur rechten Zeit auf, als sich viele danach sehnten und hielten sich eben bis sich andere Möglichkeiten des Verbundenseins auftaten; ein normaler Vorgang, wie ich finde, denn alles geschieht zu seiner Zeit.
Welchen Beitrag konntet Ihr leisten?
Ich habe beobachtet, dass nicht nur unsere sondern auch Eure Aktivitäten und die vieler anderer Veranstalter im Lande damals manchen beim „Self-Empowerment“ begleitet haben. Das betrifft nicht nur die Selbstwahrnehmung durch den Austausch mit anderen Leuten ähnlichen Backgrounds, sondern auch die Wahrnehmung von außen durch die Mehrheitsgesellschaft, indem sich Sichtbarkeit jenseits einschlägiger Klischees ergab. Der Erfolg unserer Veranstaltungen brachte es mit sich, dass wir häufiger zu Interviews für Zeitungen und v.a. auch das Radio geladen wurden. Darüber ergaben sich für uns weitere Möglichkeiten, auf anderer Ebene das Bild in der Öffentlichkeit mitzugestalten.
Gab es Verbindungen zu anderen deutsch-indischen/Asian Partyveranstaltern oder hat Euch das nicht so sehr tangiert?
Ja, wir waren natürlich mit anderen Veranstaltern in Verbindung. Man gab sich gegenseitig Tipps, besuchte auch die Parties der anderen, auf denen man dann endlich einmal selbst besser feiern konnte und nicht mit der Durchführung beschäftigt war. Über einen längeren Zeitraum hinweg waren wir auch Resident-Djs in Stuttgart und Hamburg und waren einige Male in Prag, Salzburg, Wien und anderen Orten.
Themen wie Integration und Migration sind nach wie vor aktuell. Ihr hattet bewusst auch die nicht in Deutschland geborenen angesprochen „The Munich Masala Team hopes you will feel a bit more home in the city.“ – Ihr habt mit Eurer Partyreihe sowie auch künsterisch (ArtSensasian) es geschafft, viele Kulturen zusammenzubringen, warum tut sich Deutschland insgesamt noch schwer damit, oder sehe ich das falsch? Warum hat der Druck von rechts in diesen Zeiten soviel Einfluss?
Migration und Integration und alle damit verbundenen Themen sind nach wie vor aktuell und werden es noch lange bleiben, mindestens bis wir vielleicht einmal einen schwulen, muslimischen Bundeskanzler mit dunkler Hautfarbe begrüßen dürfen und Menschen, die vom Bild der Mehrheitsgesellschaft in irgendeiner Form abweichen, nicht mehr um Leib und Leben bangen müssen, sobald sie den Fuß vor die Türe setzen.
Ich bin kein Soziologe, aber ich beobachte, dass sich immer mehr Menschen von der Politik vernachlässigt und allein gelassen fühlen, sich von ihr in ihrer klassischen Form abwenden. Die Politiker hören den Menschen nicht mehr zu und sind hauptsächlich damit beschäftigt, von ihren Parteien bei der nächsten Wahl wieder aufgestellt zu werden. Viele Menschen haben Zukunftsangst, sorgen sich um ihre Rente, ihr weniges Erspartes, finden keine bezahlbare Wohnung, keinen KITA Platz für ihr Kind etc… Dann geschieht immer wieder dasselbe. Es kommen ein paar Schlaumeier daher, die vorgeben genau zu wissen, wie angeblich alles ganz schnell besser wird. Sie gaukeln den Menschen vor, über mindestens eine wichtige Information mehr zu verfügen als alle anderen, die „Wahrheit“ zu kennen und zu wissen, wer an allem Schuld sei; aufgrund welcher Expertise, bleibt in der Regel unbeantwortet.
„Fake News“ sind schnell gemacht…
Es ist so, das Internet spielt dabei wieder eine entscheidende Rolle. Über Plattformen wie Youtube, Instagram oder Facebook verbreiten sich Halb- und Unwahrheiten in rasantem Tempo. Das bereitet mir sehr großes Unbehagen und ist eine der größten Gefahren unserer Zeit. Leute stellen die wüstesten Behauptungen auf, ohne nachprüfbare Beweise anzuführen und erwirken dabei die Zustimmung eines großen Publikums. Kaum jemand macht sich die Mühe, den Background des Urhebers, seine Intention und den Wahrheitsgehalt seiner Aussagen zu überprüfen. Es wird einfach bedenkenlos auf „Like“ geklickt und weitergeleitet. Das ist natürlich nicht allein ein deutsches Phänomen. Man kann es leider in vielen Ländern beobachten. Verschwörungstheorien haben Hochkonjunktur.
Was treibt Dich heute an und wo bewegst Du Dich selbst musikalisch?
Die Beschäftigung mit der Musik der 2. Generation in London hat bei mir vor längerem zur Veröffentlichung eines Albums geführt, auf dem ich persönliche Erfahrungen und Betrachtungen verarbeitet habe. Darüber hinaus spiele ich seit über 20 Jahren in einem Ensemble namens „Gefilte Fish“, das sich der Musik der europäischen Juden verschrieben hat. Wir waren im Laufe der Zeit in vielen großartigen Konzertsälen zu Gast. Mein Musikerleben hat mich über die Jahre an viele wunderbare Orte im In -und Ausland geführt und ich habe mit phantastischen Kollegen zusammenarbeiten dürfen. Zu den Highlights gehören sicher meine Konzerte mit den „Weather Girls“, deren Hit „It’s Raining Men“ vielleicht auch noch einem jüngeren Publikum ein Begriff sein dürfte.
Das gehört hoffe ich zum Allgemeinwissen!
Seit einiger Zeit trete ich auch hin und wieder mit meiner Frau Rachael Maya und dem Schauspieler und Grimme-Preisträger Martin Feifel auf. Wir haben eine multimediale Lesung des kleinen Prinzen von Antoine de Saint-Exupéry erarbeitet, zu der ich die Musik geschrieben habe. Es sind weitere Lesungen in Arbeit. Allerdings dürfen wir ja „dank“ Corona seit längerem nicht auftreten.
Rachael und ich haben darüber hinaus in den vergangenen Monaten eine Plattform namens „LIVE HOME STAGE“ geschaffen. Über sie veranstalten wir in unregelmäßigen Intervallen kulturelle Live-Online Events. Die präsentierten Künstler erklären sich bereit, einen Teil der Einnahmen einem guten Zweck zuzuführen. Wie vielleicht viele wissen, hat der Lockdown in Indien eine Hungersnot epischen Ausmaßes ausgelöst. Wir arbeiten mit zwei kleinen NGOs zusammen und haben seit Anfang Juni 2020 an knapp 2000 Familien mit ca. 5000 Menschen Lebensmittel und Hygieneartikel ausgegeben. Der Zyklon „Amphan“ hat v.a. im Süden Bengalens zusätzlich verheerende Verwüstungen angerichtet. Einigen Familien haben wir daher feste Abdeckplanen besorgt, andere haben wir einfach mit Geld unterstützt, um dringend benötigte Medikamente beschaffen zu können.
Ich möchte das als Abschluss des Interviews gern so stehen lassen. Vielen Dank für Deine Zeit.
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