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Lok Sabha Wahlen 2024: BJP verliert alleinige Mehrheit – Kongresspartei und Verbündete feiern überraschenden Erfolg

Premier Narendra Modi bedankt sich bei den Wählern nach Bekanntgabe der Wahlergenbnisse am 4.6.24 .(„Abhinandan Samaroh on third consecutive victory of NDA in General Elections 2024 at 3B, BJP HQ (Extn.) Deendayal Upadhyay Marg, New Delhi“, Quelle: Bharatiya Janata Party, bjp.org)

Nahezu eine Milliarde Menschen waren zwischen dem 19. April und dem 1. Juni aufgerufen, etappenweise ein neues indisches Parlament (Lok Sabha) zu wählen. Die am 4. Juni verkündeten Ergebnisse bringen eine Überraschung mit sich und beweisen die Lebendigkeit der indischen Demokratie. Trotz erheblicher Repressionen und Gängelungen seitens der regierenden Bharatiya Janata Party (BJP, „Indische Volkspartei“) und der überwältigenden Medienpräsenz von Premierminister Narendra Modi konnten die Kongresspartei (INC, Indian National Congress) und ihr INDIA Bündnis (Indian National Developmental Inclusive Alliance) einen bedeutenden Erfolg verbuchen.

Dominanz der BJP während des Wahlkampfes

Während des Wahlkampfes beherrschte die BJP den öffentlichen Diskurs mit umfangreichen PR-Kampagnen und Modis allgegenwärtiger Medienpräsenz (Wahlkampf spaltet die Gesellschaft). Gefeiert wurden die angeblichen Erfolge der Regierung, wie die Einweihung des Ram Janmabhumi Tempels auf den Ruinen einer ehemaligen Moschee im Pilgerort Ayodhya (Der stille Coup zum Soundtrack Gandhis – Die Agenda der BJP), wirtschaftlicher Fortschritt und Indiens zunehmende Bedeutung auf der Weltbühne. Da der steigende Wohlstand des Landes aber nicht allen Bevölkerungsschichten zugute kommt, fiel es der Opposition offenbar überraschend leicht, ihre Wähler zu mobilisieren – trotz repressiver Maßnahmen gegen prominente Oppositionspolitiker, wie den Oppositionsführer Rahul Gandhi oder den Vorsitzenden der AAP Partei Arwind Kejriwal, durch die BJP (Kejriwal auf Kaution frei).

Ein überraschendes Wahlergebnis

Die BJP erlitt erhebliche Verluste. Nicht nur, dass sie im traditionell BJP-kritischen Süden des Landes keinen Fuß fassen konnte, überraschend verlor sie auch noch die hindunationalistischen Hochburgen Maharashtra und Uttar Pradesh. Sie gab insgesamt 63 Sitze ab und büßte ihre absolute Mehrheit im Parlament, der Lok Sabha, ein. Bei den Wahlen 2019 hatte die Partei 303 Sitze gewonnen. Jetzt hält sie 240 Sitze und ist auf ihre Verbündeten angewiesen, um regieren zu können. Die von der BJP geführte National Democratic Alliance (NDA) erhält insgesamt rund 293 Sitze, was ausreicht, um eine Mehrheit für eine dritte Amtszeit von Narendra Modi zu sichern. Der letzte Premier, der drei Amtszeiten in Folge antrat war Mahatma Gandhis Wegbegleiter im Unabhängigkeitskampf und Indiens erster Premierminister Jawaharlal Nehru von der Kongresspartei im Jahr 1962.

Die Kongresspartei und ihr Bündnis, die Indian National Developmental Inclusive Alliance (INDIA), gewannen 232 Sitze. Andere Parteien sicherten sich gemeinsam 18 Sitze – ein bemerkenswerter Wiederaufstieg der Kongresspartei, die in den letzten Jahren erheblich an Einfluss verloren hatte.

Umfragen und Medien liegen weit daneben

Sowohl vor als auch nach den Wahlen sagten Umfragen und die meisten Medien einen klaren Sieg für die BJP und ihre NDA-Koalition voraus. Diese Prognosen basierten auf Modis starker Medienpräsenz sowie den wirtschaftlichen und infrastrukturellen Fortschritten unter seiner Regierung. Offenbar ließen die Ergebnisse der Umfragen das Potenzial der Opposition außer Acht, die wohl insbesondere unter ärmeren Bevölkerungsschichten und religiösen Minderheiten, einschließlich der fast 200 Millionen indischen Muslime, punkten konnte.

Überraschender Machtwechsel oder Oppositionsarbeit?

Am 5. Juni würden die Parteien der INDIA-Koalition unter Führung der Kongresspartei beraten, ob sie versuchen sollen, eine Regierungsmehrheit zu bilden oder ihre Arbeit in der Opposition fortsetzen, so Oppositionsführer Rahul Gandhi und Kongress-Präsident Mallikarjun Kharge in einer Pressekonferenz am 4. Juni. Entscheidende Faktoren für eine mögliche Regierungsbildung könnten die Janata Dal (United) und die Telugu Desam Party unter ihren Vorsitzenden Nitish Kumar und Chandrababu Naidu sein. Beide Parteien stehen derzeit im Lager der NDA, haben aber auch schon mal mit der Kongresspartei zusammengearbeitet. Wahrscheinlich ist allerdings eine Fortsetzung der BJP geführten NDA-Regierung.

Wahlbeteiligung und Demografie

Mehr als 640 Millionen Menschen nahmen an der Wahl teil – die größte je durchgeführte demokratische Wahl in der Menschheitsgeschichte. Die Wahlbeteiligung lag mit 66% etwa einen Prozentpunkt niedriger als 2019. Fast die Hälfte der Wähler waren weiblich – nie zuvor hatten sich prozentual so viele Frauen an den Wahlen beteiligt.

Aufgrund des Mehrheitswahlrechts in Indien spiegeln die gewonnenen Parlamentssitze nicht immer den prozentualen Anteil der Wählerstimmen wider. So konnte die Kongresspartei trotz eines Zuwachses von nur 1,7 Prozentpunkten mit 21% der Stimmen ihre Sitze auf 99 nahezu verdoppeln, während die BJP mit knapp einem Prozentpunkt Verlust und 36,5% der Stimmen ein Fünftel ihrer Sitze verlor.

Ausblick

Das Ergebnis der Lok Sabha Wahlen 2024 markiert eine unerwartete Wende in der indischen Politik. Die Kongresspartei und ihre Verbündeten erzielten trotz erheblicher Herausforderungen und widriger Bedingungen bedeutende Erfolge. Der historische Durchmarsch der hindunationalistischen BJP und ihrer Kaderorganisation, der Sangh-Parivar, in ein neues Zeitalter Indiens, das die nachkoloniale Prägung durch die Kongresspartei hinter sich lässt, scheint vorerst aufgeschoben. Indiens Demokratie ist standhaft und schafft dort eine Balance, wo es notwendig ist.

Quellen: NDTV, The Hindu, Times of India, BBC, The Print, Election Comission of India

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