Berichte in deutschen Medien über die wachsende Bedeutung der Beziehungen zwischen Indien und Deutschland nehmen zu. So veröffentlichte auch der Münchener Merkur am 28.6.24 eine Bewertung des Hochschuldozenten Ingmar Niemann über die bilateralen Beziehungen und den globalen Kontext. Obwohl Indien Mitglied der G20 ist, tendiert es in vielen internationalen Fragen eher zu den BRICS-Staaten als zu den G7. Seit 2023 hat Deutschland seine Importe von raffiniertem Öl aus Indien stark erhöht, das ursprünglich aus Russland stammt. Bundeskanzler Olaf Scholz reiste Anfang 2023 nach Indien, um die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zu vertiefen, da Deutschland bisher den Fokus auf China und Russland gelegt hatte.
Niemann unterstreicht Indiens strategische Autonomie und seine wichtige Rolle in der multipolaren Weltordnung. Die wachsende Wirtschaft Indiens, insbesondere in der Software- und Pharmaindustrie, macht es zu einem bedeutenden Partner. Indien bleibt ein demokratischer Staat, der eine regelbasierte internationale Ordnung unterstützt. Historisch gesehen hat sich Indien im Kalten Krieg der Sowjetunion angenähert, um sich gegen imperialistische Nachbarn zu schützen. Diese Verbindung zu Russland zeigt sich auch in Indiens Mitgliedschaft bei den BRICS-Staaten.
Innenpolitisch sieht Niemann Herausforderungen durch den Hindu-Nationalismus unter Premierminister Narendra Modi, der Spannungen zwischen der hinduistischen Mehrheit und muslimischen Minderheiten verschärft. Trotz wirtschaftlichem Erfolg kämpft Indien mit hoher Verschuldung, langsamer Privatisierung staatlicher Unternehmen und unzureichender Infrastruktur. Niemann betont abschließend, dass Indiens geostrategische Lage und Bestrebungen zur unabhängigen Supermacht das Land zu einem „Joker“ in der internationalen Politik machen, obwohl es für viele immer noch ein unbekanntes Land bleibe.
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