(pp) Am 18. März 1922 wurde Mahatma Gandhi zu einer sechsjährigen Haftstrafe verurteilt. Dies geschah genau sechs Jahre nach Beginn seines politischen Engagements in Indien, das 1916 mit einer umstrittenen Rede bei der Einweihung der Banaras Hindu University (heute Varanasi) begann. Während der Jahre 1919 bis 1921 führte Gandhi eine Reihe von landesweiten Kampagnen durch, die das Gesicht der indischen Politik grundlegend veränderten.
Gandhi kämpfte gegen die britische Kolonialherrschaft, insbesondere gegen das repressiv wirkende Rowlatt-Gesetz von 1919, das unbegrenzte Inhaftierung ohne Gerichtsverfahren ermöglichte. Seine erste große Protestaktion, die „Rowlatt Satyagraha“, war ein bedeutender Schritt in Richtung eines landesweiten Widerstands. Das Massaker von Jallianwala Bagh in Amritsar, das kurz darauf stattfand, verstärkte Gandhis Überzeugung, dass Gerechtigkeit unter der britischen Herrschaft unmöglich sei.
Im Jahr 1920 begann Gandhi die Non-Kooperationsbewegung, bei der er die Inder dazu aufrief, jegliche Unterstützung für die britische Regierung einzustellen, einschließlich der Verweigerung von Diensten als Polizei oder Soldaten. Diese Bewegung wurde jedoch durch einen Vorfall in Chauri Chaura, bei dem 22 Polizisten getötet wurden, unterbrochen. Gandhi entschloss sich daraufhin, die Kampagne vorübergehend zu stoppen, was zu erheblichem Widerstand innerhalb seiner Partei führte.
Am 10. März 1922 wurde Gandhi verhaftet und wegen Aufwiegelung angeklagt. Die Anklage beruhte auf seinen Schriften in der Zeitschrift „Young India“. Der Prozess begann am 18. März und wurde von Richter Robert Broomfield geleitet. Dieser spielte eine zentrale Rolle, da die Verhandlung in einem speziellen Raum des Circuit House stattfand, um mögliche Unruhen zu vermeiden, und Broomfield während des Prozesses eine entspannte Haltung zeigte.
Die Verhandlung war sehr kurz: Sie dauerte nur etwa eineinhalb Stunden. Broomfield hörte die Anklage und die Erklärung Gandhis an, der sich schuldig bekannte und eine bedeutende Rede hielt. In dieser Rede erklärte Gandhi seine Entwicklung vom loyalen Untertanen zum entschiedenen Gegner der britischen Herrschaft und kritisierte die koloniale Unterdrückung scharf. Broomfield erkannte Gandhis hohe Ideale an, aber betonte, dass das Gesetz keine Rücksicht auf die Person nehme. Er verurteilte Gandhi zu sechs Jahren Haft, mit der Möglichkeit einer vorzeitigen Entlassung durch die Regierung, was später auch aufgrund einer Notoperation Gandhis eintrat.
Gandhi blieb während des gesamten Verfahrens ruhig und gelassen. Der Prozess wurde als „Great Trial“ bekannt und galt als ein symbolischer Moment im Kampf gegen die britische Herrschaft. Trotz des Verurteilungsurteils wurde Gandhi schnell wieder freigelassen und setzte seine Arbeit für soziale und politische Veränderungen fort.
Der „Great Trial“ zeigte, wie das britische Rechtssystem versuchte, Gandhis wachsenden Einfluss zu bremsen, während Gandhi durch seine Reden und seine Haltung die tiefen Missstände des Kolonialregimes anprangerte. Die Ereignisse des Prozesses und die danach folgenden Jahre beeinflussten maßgeblich die weitere politische Landschaft Indiens und bereiteten den Weg für die zukünftige Unabhängigkeitsbewegung.