Das Kastensystem in Indien hat über Jahrhunderte hinweg das gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Leben des Landes geprägt und seine Spuren sind bis in die Gegenwart deutlich sichtbar. Es gibt verschiedene Theorien über die Entstehung dieses Systems, doch seine hierarchische Struktur hat das Leben auf dem indischen Subkontinent maßgeblich beeinflusst.
Ein besonders auffälliges Beispiel für den modernen Umgang mit Kaste ist das Rashtriya Dalit Prerna Sthal, ein Nationales Dalit Inspirationsmonument in Noida bei Delhi. Dieses Monument wurde von der Dalit-Politikerin Mayawati initiiert und trotz vieler Widerstände umgesetzt. Es steht symbolisch für den Kampf um die Rechte und die politische Bedeutung der Dalits, die als „Unberührbare“ am untersten Ende der Kastenskala stehen.
Der Begriff „Kaste“ stammt aus dem Portugiesischen und wurde von Kolonialherren verwendet, um die komplexe soziale Struktur Indiens zu beschreiben. In Indien selbst existieren die Begriffe „jati“ (lokale, alltägliche Gruppen) und „varna“ (mythologisch begründete, große Kategorien). Die strenge Heiratspolitik und die erblich bedingte Arbeitsteilung waren historisch gesehen maßgeblich für die Starrheit des Kastensystems verantwortlich.
Etwa 16,6 Prozent der indischen Bevölkerung gehören den sogenannten „Scheduled Castes“ an, die meist unter prekären Bedingungen leben. Trotz gesetzlicher Verbesserungen ist Diskriminierung nach wie vor weit verbreitet. Dennoch gibt es Beispiele von Dalit-Persönlichkeiten, die es in hohe politische Ämter geschafft haben, wie etwa Meira Kumar, die erste Dalit-Sprecherin des indischen Parlaments.
Die Unabhängigkeitsbewegung und die darauffolgende Einführung der Reservierungspolitik haben die Debatte um Kaste und Repräsentation intensiviert. Ambedkar, selbst Dalit, kämpfte für getrennte Wählerschaften und spezielle Mandate für Dalits, während Gandhi das Kastensystem reformieren wollte. Nach der Unabhängigkeit wurden Maßnahmen zur positiven Diskriminierung in die Verfassung aufgenommen, die bis heute bestehen und regelmäßig erweitert werden.
Politisch spielt das Kastensystem eine zentrale Rolle, insbesondere durch kastenspezifische Parteien wie die Bahujan Samaj Party (BSP), die Dalit-Interessen vertritt. Gegründet von Kanshi Ram und später geführt von Mayawati, schaffte es die BSP, bedeutende politische Erfolge zu erzielen und Dalit-Interessen auf die nationale Bühne zu bringen. Mayawati gelang es, durch strategische Allianzen und die Mobilisierung einer gebildeten Dalit-Mittelklasse, eine bedeutende politische Kraft zu werden.
Die Dynamik des Kastensystems zeigt sich auch in seiner Anpassungsfähigkeit. Während eine wachsende Mittelschicht und Urbanisierung zu mehr sozialer Mobilität führen, bleiben die Kastengrenzen in vielen Bereichen bestehen. Der wirtschaftliche und soziale Wandel führt einerseits zu einer verstärkten Differenzierung innerhalb der Kasten, andererseits wird die Bedeutung der Kastenidentität oft stärker betont.
Insgesamt bleibt die Kastenfrage ein komplexes und oft widersprüchliches Thema in Indien. Die Verfassung verbietet zwar jegliche Diskriminierung aufgrund von Kaste, doch die Realität zeigt, dass Kastenbewusstsein und Politik eng miteinander verknüpft sind. Diese Spannung zwischen dem Ideal einer gleichberechtigten Nation und der Realität einer Gesellschaft verschiedener Kasten prägt die indische Demokratie bis heute.
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