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Do, 19. September, 2024
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Lehrplan unter Beschuss: Wenn Mythologie zur Wissenschaft wird

In Indien sorgt die zunehmende Verbreitung von pseudowissenschaftlichen Inhalten in den Schulen für erhebliche Kritik, insbesondere im Zusammenhang mit den neuen Unterrichtsmaterialien zur Chandrayaan-3-Mission, der erfolgreichen indischen Mondmission aus dem Sommer 2023, berichtet die Tageszeitung Der Standard in einer früheren Ausgabe. Diese Materialien, die bereits sechs Wochen nach Abschluss der Mission vom Bildungsministerium herausgegeben wurden, enthalten zahlreiche technische Fehler und irreführende Informationen, die in erster Linie auf religiösen Texten basieren. Wissenschaftler des Landes sind alarmiert, da diese Lehrmaterialien eine Verzerrung wissenschaftlicher Fakten darstellen und die wissenschaftliche Bildung erheblich untergraben könnten.

Ein besonders kritisierter Punkt in den Materialien ist die Behauptung, dass Indien bereits vor Jahrhunderten über fortschrittliche Weltraumtechnologien verfügte. Diese Ansicht wird durch Verweise auf alte Sanskrit-Epen gestützt, in denen von fliegenden Streitwägen und Palästen die Rede ist. Diese Darstellung, die von Hindu-Nationalisten propagiert wird, suggeriert, dass diese Texte Beweise für das alte Wissen über fliegende Fahrzeuge liefern, was Wissenschaftler als reine Pseudowissenschaft abtun. Kritiker sehen darin den Versuch, die historische und wissenschaftliche Bedeutung Indiens auf eine verzerrte Weise zu glorifizieren.

Neben diesen pseudowissenschaftlichen Inhalten sind die neuen Unterrichtsmaterialien auch stark politisiert. Der indische Premierminister Narendra Modi wird in fast jedem Modul hervorgehoben, begleitet von Fotos und Aussagen, die seine entscheidende Rolle beim Erfolg der Chandrayaan-3-Mission betonen. Diese politische Vereinnahmung des Bildungswesens stößt bei vielen Wissenschaftlern auf Ablehnung, da sie befürchten, dass dies zu einer weiteren Instrumentalisierung der Bildung führen könnte.

Zudem sind in den Materialien erhebliche wissenschaftliche Fehler enthalten. Ein Beispiel ist die falsche Behauptung, dass die Chandrayaan-2-Mission Eisschichten auf der Mondoberfläche entdeckt habe, obwohl tatsächlich nur Wassermoleküle nachgewiesen wurden. Wissenschaftler wie Aniket Sule vom Homi Bhabha Centre for Science Education warnen davor, dass viele Lehrer diese Fehler unwissentlich an ihre Schüler weitergeben könnten, da sie selbst oft nicht ausreichend wissenschaftlich ausgebildet sind. Dies könnte langfristig zu einem ernsthaften Schaden für die naturwissenschaftliche Bildung in Indien führen.

Diese Entwicklungen sind Teil einer größeren Umgestaltung des Lehrplans in Indien, die seit Juni 2023 in Kraft ist. In diesem Zuge wurden wichtige wissenschaftliche Themen aus dem Lehrplan gestrichen. So wird Kindern unter 16 Jahren nicht mehr die Evolutionstheorie oder das Periodensystem der Elemente vermittelt. Auch Themen wie Umweltverschmutzung und Klimawandel wurden stark reduziert, was insbesondere jüngeren Schülern vorenthalten wird. Ältere Schüler sehen sich mit Kürzungen in den Fächern Biologie, Chemie, Geografie, Mathematik und Physik konfrontiert. Diese Änderungen betreffen insgesamt etwa 134 Millionen Schüler im Alter von 11 bis 18 Jahren und haben zu einer Welle der Besorgnis unter Wissenschaftlern und Bildungsfachleuten geführt.

Satyajit Rath, der Präsident des All India People’s Science Network (AIPSN), kritisiert diese Entwicklungen scharf und bezeichnet sie als „großen Bärendienst“ für die Wissenschaft und Technologie sowie für die Bildung und den wissenschaftlichen Geist in Indien. Das Netzwerk hat das Bildungsministerium aufgefordert, die problematischen Lehrmaterialien zurückzuziehen, doch es ist unwahrscheinlich, dass dies geschieht. Die Eingriffe in den Lehrplan und die Verbreitung von Pseudowissenschaft an indischen Schulen werfen ernste Fragen über die Zukunft der wissenschaftlichen Bildung in dem Land auf.

Quelle: Wie Hindu-Nationalisten Schulen mit Pseudowissenschaft infiltrieren – Welt – derStandard.de › Wissen und Gesellschaft

Choti Gandhawa
Choti Gandhawa
Choti Gandhawa ist Student der Kommunikationswissenschaften und seit 2021 als freier Redakteur für theinder.net tätig. Seine Schwerpunkte sind aktuelle Tages- und Wirtschaftspolitik sowie Postkolonialismus.

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