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Kontrolliert der RSS Indiens Zukunft?

Im Jahr 2025 feiert der Rashtriya Swayamsevak Sangh (RSS), der ideologische Mentor der Bharatiya Janata Party (BJP), sein hundertjähriges Bestehen. Diese Organisation, die 1925 während der britischen Kolonialherrschaft gegründet wurde, hat sich von einer radikal-nationalistischen Bewegung zu einem der mächtigsten Akteure in der indischen Politik und Gesellschaft entwickelt. Ursprünglich mit dem Ziel ins Leben gerufen, eine disziplinierte, hinduistische Freiwilligenarmee zu schaffen und Indien als „Hindu-Nation“ zu etablieren, hat der RSS seinen Einfluss in nahezu allen Bereichen des öffentlichen Lebens ausgedehnt.

Heute ist der RSS weit mehr als eine rein politische Organisation. Durch seine weitverzweigten Netzwerke von Bildungseinrichtungen, sozialen Organisationen und kulturellen Initiativen übt er einen unaufhörlichen Einfluss auf die indische Gesellschaft aus. Dies reicht von der Gestaltung der Bildungspolitik und der Kontrolle über staatliche Institutionen bis hin zu tiefgreifenden Eingriffen in die nationale Sicherheitsstrategie. Der RSS ist heute nicht nur in Regierungsämtern und Ministerien präsent, sondern hat auch die Macht, grundlegende politische Entscheidungen zu beeinflussen und zu steuern. Besonders die Zusammenarbeit mit der BJP und die Dominanz seiner Ideologie in Regierungsfragen geben ihm eine Schlüsselrolle in der politischen Landschaft Indiens.

Die Ideologie des RSS, die stark auf dem Hindu-Nationalismus fußt, fordert eine Umgestaltung Indiens, bei der die hinduistische Mehrheit sowohl kulturell als auch politisch bevorzugt wird. Diese Vorstellung eines „Hindu-Nation“ hat zu Konflikten mit den religiösen und ethnischen Minderheiten des Landes geführt. Kritiker werfen dem RSS vor, eine exklusive Form des Nationalismus zu propagieren, die die Rechte der Muslime, Christen und anderer Minderheiten gefährdet. Besonders im Kontext der politischen Rhetorik von Narendra Modi, der regelmäßig von den „1000 Jahren Sklaverei“ spricht, was die muslimische Herrschaft in Indien betrifft, wird deutlich, dass der RSS eine historisch motivierte und kontroverse Interpretation von Indiens Vergangenheit verfolgt.

Seit den 1990er Jahren, als der RSS durch die Zerstörung der Babri-Moschee in Ayodhya in den Fokus der Öffentlichkeit geriet, hat der Einfluss der Organisation enorm zugenommen. Der RSS hat es verstanden, seine politische Agenda durch eine Vielzahl von Organisationen zu verbreiten, die sich um gesellschaftliche Bereiche wie Bildung, Wissenschaft und Kultur gruppieren. So hat der RSS etwa seine eigene Bildungsorganisation, Vidya Bharati, ins Leben gerufen, die mittlerweile maßgeblich an der Umgestaltung von Schulcurricula beteiligt ist. Diese Organisationen verfolgen nicht nur bildungspolitische Ziele, sondern auch die Stärkung eines nationalistischen Geschichtsverständnisses, das die hinduistische Kultur als überragend darstellt.

Der RSS hat in den letzten Jahrzehnten seine Präsenz weiter ausgebaut, nicht nur auf politischer Ebene, sondern auch in der Gesellschaft. Mittlerweile ist er in nahezu jedem gesellschaftlichen Bereich aktiv – von der Förderung von Yoga und Sport über die Unterstützung von Schulsystemen bis hin zu wissenschaftlichen Initiativen, die darauf abzielen, traditionelle indische Wissenschaft mit modernen Erkenntnissen zu verbinden. Die Zusammenarbeit mit der Regierung und anderen Institutionen stellt sicher, dass der RSS seine Ideologie breitflächig verankern kann.

Trotz dieser weitreichenden Einflussnahme bleibt der RSS eine Organisation, die sich offiziell als apolitisch darstellt. Doch in Wirklichkeit hat der RSS die BJP und ihre Politik tief geprägt. Über die Jahre hinweg hat der RSS seine Kontrolle auf zentrale politische Institutionen ausgeweitet. Zahlreiche Politiker und Minister, die der BJP angehören, haben ihre Karriere im RSS begonnen. Dabei nutzt der RSS seine Verbindungen zu Regierungsstellen und anderen Institutionen, um seine Ideen umzusetzen, ohne selbst die direkte Kontrolle über den Staat zu übernehmen. Der RSS übt Einfluss auf Entscheidungen in den Bereichen Bildung, Kultur, Religion und nationaler Sicherheit aus, indem er mit Regierungsbehörden und gemeinnützigen Organisationen zusammenarbeitet.

Diese enge Verzahnung von RSS und BJP ist besonders während der Amtszeit von Narendra Modi sichtbar. Modi, der selbst ein langjähriges Mitglied des RSS ist, hat die politische Agenda der BJP fest an die Ideologie des RSS gebunden. Es ist mittlerweile offensichtlich, dass die BJP nicht nur eine politische Partei ist, sondern Teil eines viel größeren ideologischen Projekts, das vom RSS getragen wird. Der RSS wiederum nutzt seine Position, um die Gesellschaftspolitik langfristig zu beeinflussen und sicherzustellen, dass seine Vision von Indien als Hindu-Nation weiter an Bedeutung gewinnt.

Doch dieser unaufhaltsame Aufstieg des RSS ist nicht ohne Kontroversen. Kritiker werfen der Organisation vor, die demokratischen Prinzipien Indiens zu untergraben und die kulturelle Vielfalt des Landes zu gefährden. Indiens historische Vielfalt, die durch die Vielzahl an Religionen, Sprachen und Kulturen geprägt ist, könnte angesichts des Einflusses des RSS auf die politische und gesellschaftliche Struktur des Landes zunehmend marginalisiert werden. Es ist zu befürchten, dass der RSS, der nun fast alle Bereiche der Gesellschaft und des Staates kontrolliert, eine zunehmend autoritäre Kontrolle über die politische Landschaft Indiens ausüben könnte.

In den letzten hundert Jahren hat sich der RSS zu einer der mächtigsten und einflussreichsten Organisationen Indiens entwickelt. Der Einfluss dieser Organisation auf die Politik und Gesellschaft ist mittlerweile so stark, dass es nahezu unmöglich erscheint, sich von ihm zu lösen. In einer Demokratie, die sich stolz auf ihre Vielfalt beruft, könnte dieser anhaltende Einfluss jedoch als Bedrohung für die Prinzipien der Pluralität und der Meinungsfreiheit angesehen werden. Wenn der RSS seinen Einfluss weiter ausbaut, stellt sich die Frage, ob Indien seine demokratische Identität bewahren kann, oder ob der Weg in eine hinduistisch dominierte Zukunft unumkehrbar ist.

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Foto: (c) Wikimedia, own work

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