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Andamanen: Gefährliche Annäherung

Die Andamanen – eigentlich idyllisch.

Ein US-amerikanischer YouTuber hat kürzlich die Aufmerksamkeit der indischen Behörden auf sich gezogen, nachdem er versucht hatte, eine der isoliertesten Bevölkerungsgruppen der Welt zu erreichen: die Sentinelesen auf North Sentinel Island. Nun sitzt Mikhailo Polyakov in indischer Untersuchungshaft – und hat wohl Glück gehabt, noch am Leben zu sein.

Wie die Tagesschau berichtet (Stand: 18.04.2025), näherte sich der Influencer der Insel per Boot, beobachtete das abgeschottete Volk und legte als Kontaktversuch eine Cola-Dose und eine Kokosnuss am Strand ab. Ein Vorgehen, das in Indien streng verboten ist: Bereits seit 1996 ist ein Sperrgebiet von fünf Seemeilen rund um die Insel eingerichtet, um die Sentinelesen vor äußeren Einflüssen – und sich selbst vor ihnen – zu schützen.

Die Sentinelesen gelten als eines der letzten noch völlig unkontaktierten Völker der Erde. Seit rund 55.000 bis 60.000 Jahren leben sie auf ihrer kleinen Insel im Golf von Bengalen. Über ihre Sprache, Kultur oder Gesellschaftsstruktur ist so gut wie nichts bekannt. Was man weiß: Sie wünschen keinen Kontakt zur Außenwelt – und verteidigen ihr Territorium notfalls mit tödlicher Gewalt.

Kontaktversuche verliefen in der Vergangenheit katastrophal. Der Fall des Missionars John Allen Chau im Jahr 2018 ist ein tragisches Beispiel: Er wurde getötet, nachdem er versuchte, die Sentinelesen zum Christentum zu bekehren. Anthropologen wie Niklas Ennen von der Organisation Survival International betonen, dass solche Abwehrhandlungen nicht als Aggression, sondern als Selbstverteidigung zu verstehen sind.

Das Eindringen Außenstehender bedroht nicht nur die physische Sicherheit der Besucher, sondern vor allem das Überleben der Sentinelesen selbst. Wie Experten wie der Anthropologe Vijoy S. Sahay erläutern, verfügen unkontaktierte Völker über keine Immunabwehr gegen viele unserer Krankheiten. Eine einfache Erkältung könnte eine tödliche Epidemie auslösen.

Die traurigen Erfahrungen mit anderen indigenen Gruppen der Andamanen wie den Jarawas und Onge belegen dies eindrücklich. Viele dieser Gruppen sind nach dem erzwungenen Kontakt mit Außenstehenden dezimiert worden, abhängig von Alkohol und Drogen, oder nahezu ausgestorben.

Die Bedrohung für die Sentinelesen wächst allerdings nicht nur durch neugierige Abenteurer. In unmittelbarer Nähe, auf der Insel Groß-Nicobar, plant die indische Regierung den Bau eines riesigen Tiefseehafens mit der Ansiedlung von rund 650.000 Menschen – ein Projekt, das laut Umweltschützern nicht nur die Natur, sondern auch die wenigen noch isoliert lebenden Völker in Gefahr bringt.

Angesichts solcher Entwicklungen warnt Ennen: „Die Isolation der Sentinelesen zu respektieren, ist keine romantische Vorstellung, sondern eine moralische Verpflichtung.“

Mikhailo Polyakov drohen nun bis zu acht Jahre Haft wegen des Verstoßes gegen die Schutzbestimmungen für indigene Völker. Sein Fall zeigt eindrucksvoll, dass der Drang nach Aufmerksamkeit im Internet nicht nur juristische Konsequenzen haben kann – sondern auch tödliche Risiken birgt.

Die Fischer, die Polyakov beobachteten und die Behörden informierten, sehen sich als letzte Verteidiger der Inselbewohner. Doch sie geben zu: Es wird immer schwieriger, Eindringlinge fernzuhalten.

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