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Fr, 22. November, 2024
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Frauen in Indien: Ein Spagat zwischen Fortschritt und Rückstand

(mg) Neu Delhi. Was macht die Rolle der Frauen in Indien aus? Auf diese Frage gibt es meiner Meinung nach keine klare Antwort. Ist man in Indien als Tourist unterwegs und beobachtet die Bevölkerung, fällt einem nicht direkt auf, dass Menschen nicht gleich Menschen sind, sondern dass die Gesellschaft nicht nur nach Kasten, sondern auch nach Geschlechtern geteilt ist.

Ob Hotelmanager, Bauarbeiter, Taxifahrer, Bankkaufmann oder Masseur – Männer sind so ziemlich in jeder Berufsgruppe vertreten. Um Frauen zu entdecken, muss man schon genauer hinschauen. Allerdings muss man hierbei zwischen Stadt und Land differenzieren. Betrachtet man sich die Megacities wie Mumbai oder Delhi, so dominieren zwar die Männer die Arbeitswelt, doch Frauen sind keinesfalls untypisch. Bei den Ketten der großen Hotels und Coffeeshops, in Boutiquen, in Marketingagenturen lächeln hübsche, emanzipierte Mitarbeiterinnen die Kunden an. Doch auch auf den Baustellen, aus denen später mal tolle Hotels oder Restaurants entstehen sollen, arbeiten auch Frauen mit und packen genauso hart an wie die Männer. In den Städten kann man die Emanzipation der Frauen sehen und spüren. Im Fernsehen kann man Politikerinnen referieren sehen, in den Clubs der 5-Sterne Hotels feiert der Nachwuchs der Wohlhabenden ausgelassen in kurzen Designerkleidern, Frauenrechtlerinnen machen sich stark für den weiblichen Teil der Bevölkerung.
Sowohl in Indiens Gegenwart als auch Geschichte gibt es viele erfolgreiche Frauen, die mit gutem Beispiel für die Emanzipation vorangehen. Indira Gandhi ist ein Name, der wohl den meisten Menschen einfällt, wenn es um bekannte Frauen in Indien geht. Allerdings hatte auch sie perfekte Voraussetzungen, um eine erfolgreiche Politikerin zu werden. Wäre ihr Vater ein einfacher Handwerker gewesen, hätte ihr Leben mit höchster Wahrscheinlichkeit anders ausgesehen. Auch Kiran Mazumdar-Shaw, die wohl reichste Frau Indiens ist international bekannt und mit ihrem Unternehmen Biocon mehr als erfolgreich – ein Beispiel dafür, dass Frauen mit Bildung und Cleverness eine Menge erreichen können. Leider ist dies in Indien nicht die Regel.
Die Vorurteile gegenüber Frauen sind in den Köpfen noch fest verankert. So werden Frauen vor allem in ländlichen Gegenden in der Gesellschaft oft als zweitklassig angesehen. Ob im alltäglichen Leben, am Arbeitsplatz oder bei Gesetzgebungen, Frauen werden nicht unabhängig wahrgenommen, sondern als Personen, die den Familien oder dem Mann unterstehen. Der Mann trifft die Entscheidungen und die Frau hat oft kein Mitspracherecht und wird unterdrückt. Natürlich trifft das nicht auf alle Frauen in Indien zu, aber auf den Großteil der Bevölkerung, so findet man dieses Verhaltensmuster im armen Teil der Gesellschaft und auch in der Mittelschicht wieder. Schon die Geburt eines Mädchens wird vor allem in traditionellen Familien als Belastung gesehen. Denn Mädchen dürfen bis zu ihrer Heirat das Elternhaus nicht verlassen und folglich nicht wie ihre Brüder in die Städte gehen, um zu arbeiten und ihre Familie zu ernähren. Vor allem für arme Familien stellt ein Kind, das bis zur Heirat im Elternhaus wohnt, eine finanzielle Belastung dar. Hinzu kommt die hohe Geldsumme, die als Mitgift bei einer Hochzeit an den Ehemann gezahlt werden muss. Viele Eltern verschulden sich dabei sehr hoch. Diese Denkweisen sind stets in den Köpfen, deshalb investiert die Familie oft nicht in die Schulbildung der Töchter, sondern lieber in die Karriere der Söhne. Frauen bleiben dabei auf der Strecke.
Aber auf Dinge wie diese kann man auch in besser situierten Familien stoßen, in denen Frauen auf den ersten Blick relativ emanzipiert erscheinen, läuft es hinter der Haustür manchmal ganz ab, der Mann oft hat die Position des Chefs der Familie inne und trifft die Entscheidungen. Natürlich sind nicht alle Frauen in Indien unterdrückt, so gibt es auch zahlreiche junge Frauen, die vom wirtschaftlichen Boom Indiens profitieren und somit finanzielle Unabhängigkeit, neues Selbstbewusstsein und dadurch eine Stimme in der Gesellschaft bekommen. Doch es kommt nicht selten vor, dass Frauen in Indien selbstbewusst und unabhängig agieren, sich aber wenn es um die Ehepartnerwahl geht, nach ihrer Familie richten. Der Wert der Familie bedeutet Unterstützung und Unterdrückung zugleich.
Pauschalen Aussagen über die Frauen in Indien lassen sich nicht treffen. Bei über einer Milliarde Einwohnern und einer Fläche von gut drei Millionen Quadratkilometern gibt es große Unterschiede in der Lebensqualität von Frauen. So mögen Frauen in einem Teil des Landes eine bessere Ausbildung und eine bessere Gesundheitsversorgung genießen, gleichzeitig können sie jedoch bei der Versorgung mit Lebensmitteln benachteiligt sein. Frauen in großen Städten haben Möglichkeiten, die Frauen im ländlichen Indien versagt bleiben. Denn die Unterschiede sind nicht nur geographisch und sozial, sondern beziehen sich auch auf Religion, Kaste, Klasse und die unterschiedlichen Stufen wirtschaftlicher Entwicklung. Die Frauen in Indien machen sich natürlich auch stark für das eigene Geschlecht. Vor allem in den vergangenen drei Jahrzehnten kämpfte die Frauenbewegung für Menschen- und Bürgerrechte, sowie für soziale Gerechtigkeit und Gleichheit, Vorurteile und veraltete Traditionen.
Doch in Indien gibt es kein entweder oder, es existieren stets Gegensätze nebeneinander als wäre es das Normalste der Welt. Das Land hat auf der einen Seite die höchsten Wachstumsraten, ist modern und zukunftsorientiert, auf der anderen Seite ist es rückschrittlich und traditionell. Genauso verhält es sich mit den Frauen in Indien. Es gibt Frauen in Machtpositionen in Politik und Wirtschaft und es gibt Frauen, deren Menschenrechte aufs Schlimmste verletzt werden.
Über die Autorin: Marléne Görtler bereiste 2010 Indien für theinder.net mit einem Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) und berichtet von ihren Erlebnissen auf dem Subkontinent.
Marléne Görtler
Marléne Görtler
Marléne Görtler bereiste Indien 2010 für theinder.net mit einem Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) und berichtete von ihren Erlebnissen auf dem Subkontinent.

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