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Sa, 23. November, 2024
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Buchrezension: „Der Wind weht noch immer aus Rajasthan“ von Pierre Zerfass

(von Julia T. Scho) Zwischen den Kulturen – eine Liebe ohne Chance. „Wo die Liebe hinfällt“, so lautete ein bekanntes Sprichwort, was soviel bedeutet, man kann sich nicht der Liebe verwehren, wenn sie einen einmal gepackt hat und vor allem muss die Liebe auf den ersten Blick nicht immer ein ganzes Leben währen. 

Diese Erfahrung macht auch der Protagonist Alain des Romans „Der Wind weht noch immer aus Rajasthan“. Hals über Kopf verliebt sich der Pariser Kunsthistoriker Alain Ronchard in die indische Maharadscha-Tochter und Millionenerbin Vrinda. Nach anfänglichem hin und her zwischen den beiden heiraten sie schließlich und beziehen ein feudales Herrenhaus in einem kleinen Ort bei Paris. Von diesem Zeitpunkt an nimmt das Unheil seinen Lauf.
Doch zunächst wird der Leser in die Rahmenhandlung eingeführt. Ein früherer Freund des Protagonisten fährt in die französische Provinz, er ist auf einem Friedhof und besucht das Grab seines vor vielen Jahren gestorbenen Freundes Alain. Doch wie kam es dazu, dass der Protagonist das Ende des Romans nicht erleben soll? 
Nach der Rahmenhandlung folgt das eigentliche Geschehen des Buches. Der Ich-Erzähler berichtet akribisch über das Leben, nein nicht des Protagonisten, wie man meinen könnte, sondern über das Leben dessen Frau Vrinda. Von Geburt bis Tod wird der Leser in das tragische und Klischee beladene Leben dieser Inderin hineingeführt. Diese Klischeeüberladung wird besonders deutlich, wenn Vrinda und ihre häusliche Umgebung geschildert werden: Natürlich hat sie Mandelaugen, trägt einen Sari und eine Kette mit einem OM-Zeichen. Ihre Wohnung ist gespickt mit orientalischen Laternen, indischen Duftstäbchen. Sie reicht ihrem Gast exotische Leckereien, indischen Schnaps und Mangosaft, während im Hintergrund Sitar-Musik zu hören ist. Diese Stereotype wirken schon fast beleidigend.
Einer glücklichen Kindheit folgt die Flucht nach Frankreich, da die Mutter nach Verlassen ihres Ehemannes dessen Rache und die des ganzen Familienclans fürchten muss. Mag Indien auch seine Schattenseiten haben, doch wird es hier doch all zu pauschalisiert und auf typische Eindrücke eines Westeuropäers herunter gebrochen.
Die arme Vrinda findet sich in der französischen Gesellschaft natürlich nicht zurecht. Als ihr alles geliebter Vater, den sie jahrelang nicht sehen konnte, stirbt, bricht eine Welt für sie zusammen. Nichts desto trotz hat sie durch seinen Tod ein Millionenvermögen geerbt und führt immer mehr ein Leben in Saus und Braus. 
Eines Tages lernt sie Alain kennen und lieben. Während er sein ganzes Leben, also seinen Job und seine Freunde, für Vrinda aufgibt und sich ihr ganz ausliefert, treibt sie ihre Spielchen mit ihm. Sie vereinnahmt ihn immer mehr für sich und nimmt ihm jede Freiheit. Er flüchtet sich in seine eigene Welt der Bücher und wird schwermütig. Auch ein Kind kann die Ehe nicht retten, zumal sich eher die Hausangestellte und Vrindas Geliebte um das Kind kümmert. Was folgt sind Drogenabstürze, ayurvedische Heilkünste und jede Menge Yoga sowie Gespräche mit dem Guru in Indien. Klingt klischeehaft, ist es auch. Barocke Kitschkulisse trifft hier europäisch-indische Wellnesskultur. Nicht jede Inderin trinkt ständig Lassis und macht Yoga zu jeder Tages und Nachtzeit. Auch sind erzwungene Dreiecks-Beziehungen zwischen Vrinda, ihrer Geliebten und Alain nicht unbedingt jedermanns Geschmack, vor allem wenn ständig sexuelle Handlungen im Vordergrund des Geschehens stehen.
Nach dem sich Alains Leiden – und vielleicht auch das des Lesers – lange hinzieht, stirbt er eines Tages plötzlich an einem Herzinfarkt. Das Ende des Protagonisten ist wirklich „unerklärlich“, um mit den Worten des Erzählers zu sprechen. 
Was die Wortwahl des Autors betrifft, so ist diese oft ebenfalls klischeehaft und voller Pathos, wie die Handlung. Der ständige Gebrauch von deutschen Redewendungen wirkt in einem eher bilateral angelegten Roman störend. Auch hätte ein gründlicheres Lektorat nicht geschadet. So ist schon auf der ersten Seite von „Tortenverbrennungsstätten“, anstatt Totenverbrennungsstätten die Rede. Darüber hinaus wirken einige Formulierungen holprig.
Manchmal wäre auch ein tiefgehender und ernsterer Blick auf eine Beziehung zwischen einer Inderin und einem Europäer angebracht gewesen, anstatt in Floskeln und Schubladendenken zu verharren.
Was bleibt ist ein gut und schnell lesbarer Roman für Freunde der seichten Kost.
„Der Wind weht noch immer aus Rajasthan“, Pierre Zerfass, VVB-Laufersweiler Verlag, 2007, 18 Euro.

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