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Von Tobias Grote-Beverborg. Der diesjährige Friedensnobelpreis geht völlig überraschend an den Wirtschaftsfachmann Mohammed Junus aus Bangladesch und die von ihm gegründete Grameen Bank. Das Nobelkomitee in Oslo begründete seine unerwartete Entscheidung am Freitag (13.10.2006) mit „erfolgreichen Bemühungen zur Erzeugung wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung von unten“. Der 66-Jährige organisiert mit der Bank seit mehr als dreißig Jahren vor allem Kleinstkredite für arme Menschen in dem südasiatischen Land.
Sichtlich gerührt nahm Mohammed Junus die Nachricht von der Verleihung des diesjährigen Friedensnobelpreises an ihn und an die von ihm gegründete Grameen Bank entgegen. Der aus Bangladesch stammende und in den USA promovierte Wirtschaftswissenschaftler kennt die Armutsprobleme aus eigener Anschauung. Die Idee, Kleinstkredite für Bedürftige bereitzustellen, kam ihm in den 1970er Jahren, als eine verheerende Hungersnot sein Land heimsuchte.
Tatsächlich war es eine persönliche Begegnung mit einer jungen Handwerkerin, die den Wirtschaftsprofessor dazu bewegte, eine Bank zu gründen, die so genannte Mikrokredite (Kleinstkredite) an Bedürftige vergibt. Die junge Frau stellte Möbel her und lebte trotzdem in bitterer Armut, da ihr Einkommen noch nicht einmal ausreichte, um die Wucherzinsen für den örtlichen Geldverleiher zurück zu zahlen. Junus stellte fest, dass die von ihr zu zahlenden Zinsen bei 3.000 Prozent im Jahr lagen.
Das Schicksal der jungen Frau war exemplarisch für die Situation von Kleinstgewerbetreibenden in Bangladesch, die, da sie den gewöhnlichen Banken keine Sicherheiten bieten konnten, in die Arme von Wucherern getrieben wurden und immer tiefer in die Schuldenfalle gerieten. So begann Junus mit bescheidenen Mitteln Kleinkredite mit niedrigen Zinsen an Bauern und Handwerker zu vergeben. Nach ersten Erfolgen gründete er Anfang der 1980er Jahre die Grameen Bank, die inzwischen über 2.000 Filialen in mehr als 70.000 Dörfern Bangladeschs.
Bis heute hat die Grameen Bank über 6 Millionen Euro verliehen, die Rückzahlquote liegt bei beeindruckenden 99 Prozent. Das von Junus und seiner Grameen Bank entwickelte Konzept der Mikro-Kredite hat weltweit in über 60 Entwicklungsländern Nachahmer gefunden.
Die Verleihung des Friedensnobelpreises an Mohammed Junus würdigt seinen selbstlosen Einsatz im Dienst der weltweiten Armutsbekämpfung. Statt sich nach seinem Studium und Professur in den USA erfolgreich in die Privatwirtschaft zu begeben, kehrte er als Wirtschaftsprofessor in das gerade unabhängig gewordene Bangladesch zurück. Die Probleme seiner Landsleute, die teilweise in größter Armut leben mussten, berührten ihn zutiefst und ließen ihn nicht zur Ruhe kommen, bis er eine Lösung ihrer Probleme gefunden hatte.
Dabei steht für Junus immer die Würde des Menschen im Vordergrund. Deshalb fußt seine Idee einer erfolgreichen Armutsbekämpfung auf der aktiven Beteiligung der Armen an ihrer wirtschaftlichen Entwicklung. Sie sollen nicht zu Empfängern von Almosen degradiert werden, sondern erhalten durch die Kredite eine faire Chance, ihre Lebensbedingungen eigenverantwortlich zu verbessern.
In diesem Sinne ist der Friedensnobelpreis für Mohammed Junus ein wichtiges Signal, die Armutsprobleme der Welt nicht einfach hinzunehmen, sondern das Schicksal der Armen durch visionäre Ideen, fachliches Wissen und praktisches Handeln zu verändern. Und dadurch einen dauerhaften Beitrag zum friedlichen Zusammenleben zu leisten.