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So, 24. November, 2024
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Grundbuchverwaltung per Internet: Indiens Bauern kommen leichter an Kredite

(tgb) Bundesaußenminister Joschka Fischer hat Mitte Juli als erster westlicher Politiker der neuen indischen Regierung einen Besuch abgestattet. Der Außenminister kam in ein Land der Gegensätze: Eine moderne Computer- und Hochtechnologiebranche prägt Indien ebenso wie Millionen von Kleinbauern, die häufig noch unter erbärmlichen Umständen ihren Lebensunterhalt erwirtschaften müssen. Doch die moderne Technik kann auch ihr Leben erleichtern, ein Beispiel ist die Modernisierung des Grundbuchwesens in dem Riesenland mit Hilfe des Internets. Die erleichtert es indischen Bauern, an Grundbuchauszüge zu kommen, was wiederum den Zugang zu Krediten ermöglicht.
Vor zwei Jahren hat im südindischen Bundesstaat Karnataka, dem acht größten Staat der indischen Föderation, eine Reform der Landverwaltung stattgefunden. Das Internet-Projekt „Bhoomi“, das die Grundbuchverwaltung per Internet ermöglicht, ist Teil der staatlichen E-Governance-Strategie, d.h. der elektronischen Bereitstellung von Bürgerdiensten durch miteinander vernetzte Computer-Datenbanken. Trotz des High-Tech-Booms in der Hauptstadt Bangalore, dem indischen Silicon Valley, lebt über die Hälfte der fünfzig Millionen Einwohnern Karnatakas von der Landwirtschaft. Entsprechend groß ist die Abhängigkeit vom Land, das in der Landessprache – wie das Projekt – „Bhoomi“ heißt.
Zur Bewirtschaftung ihres Landes benötigen die Bauern Kredite für Saat- und andere Produktionsmittel. Die Bank gewährt den gewünschten Kredit nur nach Nachweis von Grundbesitz, dazu dient die Kopie des Grundbuchtitels als Sicherheit. Doch das Führen und Kopieren der Grundbücher liegt seit der britischen Kolonialzeit in den Händen einer kleinen Beamtenschicht, den sog. Dorfverwaltern. Ihre früheren Privilegien beschreibt Ravi Rangan, der von Beginn an im Auftrag der in Bangalore ansässigen Software-Firma COMAT am „Bhoomi“-Projekt beteiligt war.: „Die Grundbücher waren wie das persönliche Eigentum des Beamten. Wenn jemand eine Kopie seines Grundbuchs brauchte, musste er den Landverwalter lange suchen und bitten und ihm obendrein auch noch Speed Money (Beschleunigungs-Geld) in Höhe von etwa 200,- Rupien (ca. 4,- Euro) zahlen.“
Mit der landesweiten Durchführung des „Bhoomi“-Projekts beauftragte die Provinzregierung Rajeev Chawla, einen erfahrenen Zivilbeamten. Ausgestattet mit administrativer Autorität, öffentlichen Geldern, Sachverstand und der nötigen politischen Unterstützung trieb er das Projekt voran: Alle bis dahin handschriftlich geführten Grundbücher Karnatakas wurden eingescannt und digitalisiert. Über zwanzig Millionen Grundbucheintragungen wurden so als Datensatz in den Zentralrechner eingespeist. Die inzwischen entsprechend geschulten Dorfverwalter greifen nun über ein im ganzen Bundesstaat gespanntes Netz von Internet-Kiosken auf das Zentral-Kataster zu. Innerhalb kürzester Zeit werden Grundbucheintragungen online bearbeitet und anschließend ausgedruckt werden. Dabei identifizieren sich die Beamten durch persönliche Kennung und mit Fingerabdruck: Jede Änderung am Datenbestand ist somit nachweisbar und bedarf zudem der Autorisierung durch einen Vorgesetzten in der Zentrale. Dadurch sind Missbrauch und fehlerhafte Eingaben bei der Pflege der digitalen Grundbücher nahezu ausgeschlossen.
In der täglichen Praxis funktioniert die elektronische Grundbuchverwaltung offensichtlich reibungslos. Obwohl anfänglich enorme technische Schwierigkeiten im Weg standen. Theodore Gering, Gründer der am „Bhoomi“-Projekt beteiligten Software-Schmiede COMAT, erinnert sich an die Probleme: „Viele der Dörfer hatten weder Strom, noch Straßen. Der Gedanke an durch Stromgeneratoren betriebene Computer erschien total abwegig. Außerdem fehlte es an Personal, das die örtlichen Dialekte sprach und überhaupt einen Computer bedienen konnte.“
Auch gab es erhebliche Zweifel, ob die Bauern die neue Technik akzeptieren würden. Ravi Rangan beschreibt den anfänglichen Kulturschock: „Da nimmt man einfach einen Computer und sagt Leuten, die wahrscheinlich nie ein Auto, geschweige denn ein Flugzeug gesehen haben, benutzt ihn!“ So räumt Rangan auch offen ein, dass es dauerte, bis die Bauern das System annahmen. Doch jetzt gingen die Bauern regelmäßig und schon fast routiniert mit dem System um.
In jedem größeren Dorf Karnatakas ist der „Bhoomi“-Kiosk inzwischen zur festen Anlaufstelle geworden. Über Satellit und Stromgenerator ist die Verbindung zum Zentral-Kataster jederzeit möglich. Die Bauern sind zufrieden mit dem neuen System. Gegen eine geringe Verwaltungsgebühr (15,- Rupien, ca. 30 Eurocent) erhalten sie innerhalb von Minuten den benötigten Grundbuch-Ausdruck. Ravi Rangan ist überzeugt: Das „Bhoomi“-Projekt sei bei den Bauern voll und ganz angekommen. Obwohl ihnen die Technik immer noch etwas fremd sei. Deshalb würden die Internet-Kioske – eigentlich zur Selbstbedienung ausgelegt – von Dorfbeamten bedient. Die Mehrheit wisse noch nicht, wie ein Computer bedient wird: „Aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis es wie ein Fahrkartenautomat bei Ihnen im Westen funktioniert!“ glaubt Ravi Rangan.
Das die Modernisierung der Landverwaltung auch wirtschaftlich ein Erfolg ist, belegt Theodore Gering mit folgenden Zahlen: Die Regierung von Karnataka habe das „Bhoomi“-Projekt mit fünf Millionen US-Dollars finanziert. Diese Investition sei bereits in den ersten zwei Jahren des Projekts allein durch die Verwaltungsgebühren wieder zurück in die Staatskasse geflossen.
Aber nicht nur Rentabilität und soziale Akzeptanz machen das Projekt nachahmenswert: „Bhoomi“ hat erfolgreich Amtsanmaßung und Korruption in der öffentlichen Verwaltung Karnatakas beendet und den Bauern uneingeschränkten Zugang zu ihren Grundbesitzrechten und den damit verbundenen Land ermöglicht.

Links:

Weltbank-Bericht zum „Bhoomi“-Projekt: http://www1.worldbank.org/publicsector/egov/bhoomi_cs.htm

Weitere Weltbank-Projekte in Indien: http://www.worldbank.org/in

Informationen zum Bundesstaat Karnataka: http://www.karnataka.com und National Informatics Centre: http://www.kar.nic.in

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