(von Bijon Chatterji) Prof. Phalguni Chaudhuri (61) forscht und lehrt am Max-Planck Institut (MPI) für Bioanorganische Physik in Mühlheim/Ruhr. Schon ab 1972 fungierte er als Postdok am MPI in Göttingen und fand seinen Weg von Basel, Frankfurt, Hannover, Bochum über Paderborn nach Mühlheim. An fehlender Flexibilität mangelt es also nicht. So hält er es auch mit dem Thema Integration. Aber auch wissenschaftliche Fragen waren Thema dieses Gespräches.
Professor Chaudhuri, was sind Ihre Forschungsschwerpunkte? Erklären Sie unsere Lesern doch, worum es dabei geht.
Mein Interesse liegt hauptsächlich in der Grundlagenforschung, um von der Natur zu lernen wie grundlegende Prinzipien bestimmte Mechanismen in biologischen Systemen steuern, die Metalle wie Kupfer, Eisen oder Mangan enthalten. Um auf molekularer Ebene die Daten von solchen Metalloproteine und -enzymen zu interpretieren, sind eine Vielzahl physikalischer Methoden, aber auch niedermolekulare künstlich hergestellte Substanzen als Referenzobjekte notwendig. Meine Arbeitsgruppe forscht nach solchen Objekten. Lassen Sie mich Ihnen das an einem Beispiel erklären.
Das Metalloenzym Galactose-Oxidase ist ein kupferhaltiges Enzym, das man in Pilzen findet. In Anwesenheit von Sauerstoff oxidiert es Alkohole katalytisch zu Aldehyden, wobei Wasserstoffperoxide ebenfalls produziert werden. Die Herstellung von Alkohol zu Aldehyd ist ein erster Schritt in der Industrie, um generell alles Mögliche von Arzneimitteln bishin zu Parfümen herzustellen. Darüber hinaus würde die Produktion von Wasserstoffperoxid aus Sauerstoff eine wichtige Methode im Hinblick auf umweltfreundliche Prozesse sein. Vor kurzem haben wir eine Vielzahl von Galaktose-Oxidase angetriebene katalytische Systeme, basierend auf Kupfer entdeckt, die aerob Alkohole zu ihren Aldehyden effizient oxidiert, mit Wasserstoffperoxid als Nebenprodukt.
Es wäre also ein riesiger technischer Fortschritt, wenn diese katalytische Oxidation auf Industrieebene umgesetzt werden könnte.
Wir haben unseren Katalysator patentiert, doch ist er noch nicht reif für die Industrie. Unser Hauptziel ist es wie gesagt, von der Natur zu lernen, sie im Labor anzuwenden und dann synthetische Produkte herzustellen.
Nachdem Sie Ihren Doktor gemacht haben, sind sie flugs nach Deutschland. Was war der Grund dafür? Sie hätten auch renommiertere Länder zur Auswahl gehabt…
Ein Buch von Robert Jung „Heller als tausend Sonnen“ war das, was meinen Weg bestimmte.
Das müssen Sie mir näher erklären…
Mein Vater schenkte mir dieses Buch, als ich noch an meiner Doktorarbeit bastelte. Die meisten der weltbekanntesten Atomphysiker hatten in Göttingen studiert. Dieses Buch erzählte ihre Geschichte. Dieses Buch hat mich dazu ermutigt nicht nach Deutschland, sondern nach Göttingen zu gehen.
Sie sind nun in Deutschland ansässig, und das seit über 30 Jahren. Haben Sie nicht mal darüber nachgedacht für immer nach Indien zurückzukehren?
Nicht wirklich. Ich werde darüber nachdenken, wenn ich Rentner bin…
Viele indische Wissenschaftler in Deutschland sagen, dass Deutsch eine schwierige Sprache ist und es deswegen nicht immer einfach ist in diese Gesellschaft integriert zu werden. Würden Sie das aufgrund Ihrer eigenen Erfahrungen bestätigen?
Es ist schon richtig, dass Deutsch nicht die einfachste Sprache ist, die man sich aussuchen kann, aber man braucht die jeweilige Landessprache für die Integration! davon abgesehen meine ich, dass Integration kein Problem ist, wenn man auch den Willen hat, sich zu integrieren.
Meine ersten Schritte in Deutschland werde ich nie vergessen. Obwohl ich genug Geld bei mir hatte, war ich mir damals noch nicht ganz im Klaren über den Wert des Geldes, das ich mit mir trug. Ich dachte, dass mein Geld nie reichen würde. Ich war nervös. Ein junger Student, der damals als Taxifahrer arbeitete, half mir jedoch dabei, nachdem ich am Frankfurter Flughafen ankam. Und zwar so wie es sich für eine fortschrittliche und kultivierte Gesellschaft gehört. Glauben Sie es oder nicht, aber ich habe immer noch Kontakt zu besagtem „Studenten“, den vergesse ich nie!
Wie würden Sie die wissenschaftliche Beziehung zwischen Deutschland und Indien beurteilen? Was kann man verbessern? Was tun Sie persönlich dafür?
Die wissenschaftlichen Banden der reinen Wissenschaft sind noch nicht sehr eng zwischen diesen beiden Ländern. Ich weis aber, dass im Bereich der angewandten Forschung doch ganz gute Kooperationen herrschen. Heutzutage lade ich immer wieder Doktoranden aus Indien in meine Arbeitsgruppe ein und schicke sie mit dem nach Indien zurück, damit sie mit ihrem erworbenen Wissen neue indische Schulen im Bereich der Chemie aufbauen.
Lassen Sie uns nochmal auf Ihre Forschungsschwerpunkte des molekularen Magnetismus und Metallomoleküle in der Biologie kommen. Wie wichtig sind diese Aspekte generell, ja für unsere Gesellschaft?
Wie ich sagte, machen wir Grundlagenforschung. Ich folge der deutschen Forschungspolitik, die es hier seit mindestens letztem Jahrhundert gibt. Demzufolge sind industrielle Anwendungen die nächsten Schritte nach Grundlagenwissen. Meiner Meinung ist unsere Forschung sehr wichtig, um Wissen zu sammeln, das für eine industrielle Nutzung unabdingbar ist.
Kooperieren Sie schon mit industriellen Unternehmen?
Es gibt in der Tat bereits einige Verbindungen zur Industrie.
Sollte sich ein Wissenschaftler im Rahmen seiner Forschung eigentlich mit ethischen Aspekten beschäftigen? Waren Sie selbst bereits in solche Diskussionen verwickelt?
Ich glaube an einige absolute Werte und ich möchte dieses stets am Leben erhalten. Glücklicherweise wurde ich bis jetzt noch nie mit solch einer Diskussion konfrontiert, in der sich jemand solch einem Dilemma zu stellen hatte.
Meine abschliessende und obligatorische Frage: Welchen Rat geben Sie Ihren Studenten mit auf den Weg?
Ich sage ihnen, ihr Bestes zu geben. Nur so kann man in der ersten Liga spielen.
Ein schönes Schlusswort. Lieber Professor Chaudhuri, ich danken Ihnen für dieses Gespräch.