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Mi, 27. November, 2024
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Toleranz – ein Wunschdenken?

(von MMM) Nicht selten werde ich diese Tage zum Thema Kaschmir und dem aktuellen Konflikt zwischen Indien und Pakistan befragt. „Wie siehst du den Konflikt ? Was genau ist es, dass diese zwei Länder zu so erbitterten Feinden macht ? Hast du selbst Kontakt zu Pakistanern ? Wie definiert ihr als „Deutsch-Inder“ eure Beziehung zu Indien und Pakistan ?“.

In den darauf folgenden Gesprächen und Diskussionen legte ich immer großen Wert darauf, dass der ganze Subkontinent und seine Bewohner grundsätzlich ein sehr tolerantes Volk sind. Friedliches und unvoreingenommenes Miteinander fernab von Gewalt und Hass seien die Grundprinzipien des indischen Zusammenlebens. Der Sog der – meist religiösen – fundamentalistischen Führer würde hauptsächlich einfache und ungebildete Menschen vereinnahmen und vergiften. Besonders die sogenannte aufgeklärte Oberschicht – erst recht die zweite Generation der in Deutschland lebenden Südasiaten – seien gegen die populistischen Parolen der Demagogen in Indien immun und gälten als Beispiel für ein Zusammenleben voller Toleranz und Verständnis.

Seit einger Zeit jedoch frage ich mich, ob mir in diesem Falle meine Wunschvorstellung eine Wirklichkeit vorgegaukelt hat, die in dieser Art und Weise tatsächlich gar nicht existiert. In vielen Gesprächen und Diskussionen zu diesem und ähnlichen Themen musste ich feststellen, dass sogar bei den hier in Deutschland aufgewachsenen Südasiaten – also der sogenannten „zweiten Generation“ die besonders durch ihre multikulturelle Erziehung und Umfeld die Bedeutung von Toleranz kennen und schätzen gelernt haben sollten – die Vorurteile und der Hass gegenüber dem Andersdenkenden in erschreckendem Maße stark ausgeprägt ist:

Resintements zwischen Nord- und Südindern gehören mittlerweile so zur deutsch-indischen Kultur wie Samoosas und Hrithik Roshan. Selbst innerhalb einer Religionsgemeinschaft – unabhängig ob Hindus, Christen oder Muslime – wird die Überlegenheit der eigenen Interpretationsweise oder Lebensweise der Religion bereits Jugendlichen indoktriniert, so dass zum Beispiel Sunniten und Schiiten oder Katholiken und Protestanten ihre kleinen, priavten, zwar verbalen – jedoch sehr gefährlichen . Fehden führen und zu den eigentlichen Quellen der Konflikte entwickeln. Was im Kleinen begonnen wurde findet konsequenterweise seine Fortsetzung im Großen.

Überraschend offensichtlich wurde mir dieses schwelende Konfliktpotential in einem Zwiegespräch, das ich vor kurzem führte. Zu meinem Erstaunen hörte ich die bekannten Parolen der dummschwätzenden religiösen „Führer“ Indiens plötzlich aus dem Mund meines in Deutschland aufgewachsenen und lebenden Gegenübers. „Alles Verbrecher und Terroristen. Wozu gibt es denn Pakistan, wenn die Moslems immer noch in Indien sind. Schickt sie doch endlich alle weg und helft Indien endlich zu dem zu werden, was es eigentlich sein soll: ein echtes „HINDU-STAN“. So lauschte ich den zahlreichen Generalisierungen, die jeglicher rationaler Bergündung entbehrten. Die Ausführungen gipfelten in lautstarken Kriegsforderungen eines an sich aufgeklärten und intelligenten Menschen: „Lasst uns doch endlich Krieg führen und den Pakistanern eine Lektion erteilen“. Auf meine sarkastischen Einwände dies hätte auch in den vergangenen Auseinandersetzungen das eigentliche Problem nicht lösen können wurde zur – hier jetzt meine Worte – „Endlösung“ aufgerufen und ein Krieg in einem Ausmaß gefordert, der das Problem „Pakistan“ ein für allemal „erledigt“. Ich benutze das Wort „Endlösung“, da mich nicht nur der Unterton dieses verbalen Ergusses stark an die „Endlösung“ der Geschichte erinnerte. Bis zu diesem Zeitpunkt dachte ich, ich würde diese Ansichten zwar schon noch aus Deutschland, aber zumindest nicht aus meinem Bekanntenkreis hören müssen. Weit gefehlt.

Die zweite Generation ist noch weit davon entfernt das zu sein, was wir hier unter anderem im InderNet versuchen auszubreiten und zu leben. Egal ob latente oder bereits offensichtliche Vorurteile. Die Toleranz und Weltoffenheit einer Gruppe bzw. Kultur bewährt sich immer erst in Konflikt bzw. Krisensituationen.

Eins ist sicher. Die „heile Welt“ der hier lebenden Inder, die sich in meinem Kopf breit gemacht hatte, ist seitdem einem kritischen Hinterfragen meiner selbst und der eigenen Gruppe gewichen.

„Unity in diversity“ ? Noch ein langer Weg – nicht nur in Indien.

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