(von Leo Thanikkel) „Haben die sonst keine anderen Sorgen?“ So lautete der Kommentar einer Leserin in einer österreichischen Online-Zeitung über den Satellitentransport in Indien vor zwei Wochen. Ein anderer Leser meinte, man sollte überlegen, Entwicklungshilfe an Indien zu kürzen „wenn die so viel Geld verpulvern.“
Diese zwei Kommentare reflektieren das Image Indiens, das immer noch das eines Landes von unglaublicher Armut, Korruption und mystischer Schönheit ist. Daran haben auch die Erfolge im Hochtechnologiebereich nichts geändert.
Diese Meinungen zeichnen sich durch ein rassistisches Schubladendenken mit einer arroganten Ignoranz aus. Es ist unbegreiflich für viele Leute aus dem Westen, dass auch ein armes Land Weltklasseleistungen im wissenschaftlichen Bereich produzieren kann. Wenn ärmere Länder diese Leistungen nicht nachweisen können, heißt es „können die das überhaupt?“ Wenn ein Land wie Indien dies aber erreicht, heißt es „Ihr habt ja so viele arme Leute!“ oder wie oben „Haben die keine anderen Sorgen?“ Ein Klassischer Fall von „Damn if you do and damn if you don’t.“ Als ob Russland oder die USA keine Probleme hätten!
Um auf die arrogante Ignoranz zurückzukommen, hier einige Fakten. Seit 1975 sind indische Satelliten im All. Nur musste man bis jetzt Devisen an Russland und die ESA (European Space Agency) zahlen, damit die Satelliten transportiert werden. Dies fällt jetzt weg und Indien kann sich das Geld sparen.
Indien ist durch den GSLV-Start (Geosynchron Satellite Launch Vehicle) ein Anbieter im globalen Satelliten-Transportmarkt, im Wert von 10-20 Milliarden US-Dollar. Diese Fähigkeit haben nur die USA, Russland, ESA, Japan und China. Indien wird also mit diesem technischen Fortschritt Geld verdienen und es nicht verpulvern (Stichwort „Geld“).
Der Nutzen der Satelliten ist für Indien unschätzbar. Die Ernte keines anderen Landes ist so sehr abhängig vom Wetter (Stichwort „Monsun“) wie die Indiens. Wetter-Informationen per Satellit helfen die Ernte so ertragreich wie möglich zu machen.
Indien erleidet häufig Naturkatastrophen, wie das Erbeben in Gujarat. Hier spielten Kommunikationssatelliten eine wichtige Rolle in der Wiederherstellung der Infrastruktur und Koordinierung von Hilfsmaßnahmen. Eine Katastrophe wie der Zyklon in Orissa wird mit Hilfe von immer besseren Wettersatelliten leichter zu minimieren sein. (Stichwort „Leben retten“)
Indiens grüne Revolution (Indien produzierte zum erstenmal genug für den Eigenbedarf) wäre schwerer zu erreichen ohne die geologischen Daten der Satelliten. (Stichwort „Armutsbekämpfung“)
Indiens Softwareindustrie wäre undenkbar ohne Kommunikationssatelliten. Damit wäre die Entwicklungshilfe Indiens für Internet-Entwicklungsländer wie Deutschland und Österreich nicht möglich. Die Liste lässt sich noch lange fortsetzen.
Solle Indien auf all diese Nutzen verzichten? Soll Indien angewiesen sein auf die Gnade des Westens für alle diese Informationen? Ich denke nicht.
Eine Diskussion, ob Steuergeld sinnvoller in Schulen, Krankenhäuser und Trinkwasseranlagen investiert werden sollte, muss stattfinden. Aber diese Diskussion muss von steuerzahlenden indischen Bürgern geführt werden und nicht von einem arroganten, rassistischen oder ignoranten Westen.
Ich als Inder bin nicht stolz, dass wenige indische Bürger sauberes Wasser haben, viele nicht lesen und schreiben können und noch nie einen Arzt in ihrem Leben gesehen haben. Ich bin aber stolz, dass Indien in einigen Bereichen mit den Besten der Welt mithalten kann – trotz all seiner Probleme.
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