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Sa, 23. November, 2024
StartKulturBuchrezension: "Zeit der Finsternis: Das britische Empire in Indien" von Shashi Tharoor

Buchrezension: „Zeit der Finsternis: Das britische Empire in Indien“ von Shashi Tharoor

(cg) Das Buch „Zeit der Finsternis: Das britische Empire in Indien“ von Shashi Tharoor ist eine scharfe Abrechnung mit der britischen Kolonialherrschaft über Indien. Tharoor, ein prominenter indischer Politiker und Schriftsteller, richtet sich frontal gegen die Apologeten des britischen Empires und deren Behauptungen über die zivilisatorischen Vorteile der Kolonialherrschaft. Er zerlegt systematisch die Mythen, die von Kolonialverteidigern wie dem Historiker Niall Ferguson propagiert werden, und zeigt, wie die britische Herrschaft Indien wirtschaftlich ruinierte.

Anlass für das Buch war eine Rede, die Tharoor 2015 vor einem Debattierclub in Oxford hielt. Diese Rede, die viral ging und auf YouTube verfügbar ist (s. eingebettet auch unten), legte dar, wie Großbritannien Indien wirtschaftlich und sozial geschädigt hat. Tharoor stellte fest, dass viele Menschen, sowohl in Indien als auch weltweit, wenig über die tatsächlichen Auswirkungen der britischen Herrschaft wussten. Er betonte, dass Indiens Anteil am Welthandel von 23% zu Beginn der britischen Herrschaft auf 4% bei deren Ende 1947 sank.

Das Buch ist argumentativ strukturiert und behandelt verschiedene Aspekte der britischen Kolonialherrschaft. Tharoor beschreibt, wie die East India Company durch mafiöse Methoden wie Erpressung und Drohungen Fuß in Indien fasste und wie die Kolonialverwaltung systematisch Steuern eintrieb, die direkt nach England flossen. Dies führte dazu, dass Indien von einer florierenden Handelsnation zu einem reinen Rohstofflieferanten degradiert wurde, was in verheerenden Hungersnöten mit Millionen von Toten mündete. Tharoor führt darüber hinaus, dass die Industrialisierung Großbritanniens erst durch die Ausbeutung der Kolonien, allen voran Indien, möglich und beschleunigt wurde.

Tharoor setzt sich auch mit den Argumenten der Kolonialverteidiger auseinander, die behaupten, die Briten hätten Indien eine moderne Rechtsordnung und funktionierende staatliche Institutionen gebracht. Er widerlegt diese Behauptungen und zeigt, wie der Kolonialismus das Kastensystem zementierte und verschärfte. Tharoor stützt sich dabei auf interessante Quellen, wie den amerikanischen Sozialanthropologen Bernard Cohn, und zeigt, dass die Briten die komplexen sozialen Strukturen Indiens nicht verstanden und sie in ihre eigenen feudalistischen Kategorien übersetzten.

Das Buch hat einen sachlichen Ton, enthält aber auch zugespitzte und elegante Formulierungen. Trotz des leisen Zorns und Bedauerns, das in dem Buch mitschwingt, ist es auch unterhaltsam und lesenswert. Es handelt sich um ein Werk, das die schädlichen Auswirkungen der britischen Kolonialherrschaft auf Indien detailliert und durchaus überzeugend darstellt.

Buchlink zum Verlag: Zeit der Finsternis | Shashi Tharoor | Die Andere Bibliothek (aufbau-verlage.de)

Choti Gandhawa
Choti Gandhawa
Choti Gandhawa ist Student der Kommunikationswissenschaften und seit 2021 als freier Redakteur für theinder.net tätig. Seine Schwerpunkte sind aktuelle Tages- und Wirtschaftspolitik sowie Postkolonialismus.

3 Kommentare

  1. Tharoor neigt zwar gerne zu Übertreibungen, die sich auch sprachlich widerspiegeln, aber hier beruft er sich durchaus auf Fakten. Es sollte noch erwähnt werden, dass die Diskussion legitim ist, ob Großbritannien Reparationszahlungen an Indien zu leisten habe oder einfach einmal „We are sorry“ sagen könnte.

  2. Ich glaube eine Entschuldigung wäre ausreichend. Den Reichtum, den das British Raj über Jahrhunderte angehäuft hat, kann man im Grunde doch gar nicht zurückzahlen. Vielleicht könnten symbolisch Schätze und dergleichen, nach Indien zurückgeführt werden für diverse Museen. Oder ein gemeinsames Kolonialmuseum oder Mahnmal in beiden Ländern. Ich fürchte nur, dass die britische Krone diesen Stolz nicht überwinden wird…

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